Creglingen. Es gibt wohl wenige Creglinger, die er nicht kennt – und es gibt vermutlich noch weniger Creglinger, die ihn nicht kennen. Die Rede ist von Hans Ebert, dem Kronenwirt. Lange schon ist der 82-Jährige in Rente, das Gasthaus ist verkauft, doch mit Ruhestand haben der rüstige Rentner und seine aus Weikersheim stammende Frau Sigrun nichts am Hut. Fast täglich sind sie zu Fuß unterwegs, drehen ihre Runden im Tal oder auf der Höhe. Einen Lieblingsplatz hat Hans Ebert nicht – eher könnte man sagen, dass Creglingen insgesamt sein Lieblingsplatz ist, von wo aus er und seine Frau dann die Umgebung erkunden.
1971 hat der gelernte Koch das Gasthaus Zur Krone mitten im Ort von seinen Eltern Else und Kurt Ebert übernommen. Hans Ebert wäre aber ein schlechter Koch, wäre er nicht vorher mehrere Jahre auf Wanderschaft gegangen, die ihn unter anderem in die Schweiz und nach Wales führte.
Seit über zehn Jahren wird die Krone nicht mehr als Gasthaus beziehungsweise Hotel garni genutzt. Aber der „Kronenstammtisch“ ist nach wie vor legendär. Immer sonntags abends – über 30 Jahre lang – versammelten sich bis zu 15 Creglinger und tratschten in der Krone über den FC, Gott und die Welt. „Was der eine nicht weiß, weiß der andere“, sagt Hans Ebert schmunzelnd. Heute findet dieser Stammtisch im Gasthaus „Herrgottstal“ statt.
Der große Garten und die regelmäßigen Spaziergänge halten das Ehepaar Ebert, das zwei erwachsene Kinder hat, total fit. Sie haben mehrere Routen, die eine – hinaus zur Herrgottskirche – dauert etwas länger, die andere – ihre „Brückenrunde“ ist verhältnismäßig kurz und führt nur über die zwei Tauberbrücken durchs Städtle.
Besonders gern läuft Hans Ebert über die Romgasse am Kulturzentrum Romschlössle vorbei hoch in Richtung „Badeechle“ – was soviel heißt wie „bete täglich“ und was den Wald gegenüber der Herrgottskirche beschreibt. Von dort geht es hinunter zum Herrgottsbach und über das Fingerhutmuseum der Familie Greif zur Herrgottskirche. Hans Ebert ist froh, dass vor rund zwölf Jahren die Pläne zur touristischen Neugestaltung der Herrgottskirche am Bürgerwillen gescheitert waren. Damals hätte das altehrwürdige Mesnerhaus zugunsten eines in den Hang hineinzubauenden Kioskes samt modernen Toiletten abgerissen werden sollen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Das Mesnerhaus steht immer noch. „Na ja, die Toiletten gehören eigentlich renoviert“, meint Hans Ebert und befreit das Hinweisschild „Aborte“ vom Efeu.
Dass die Besucherzahlen von einst längst nicht mehr erreicht werden, liegt ja nicht an den alten Toiletten, sondern, so sieht es Hans Ebert, auch an den Urlaubszielen, die internationaler geworden seien. Außerdem sei die Zahl der Besucher aus den USA und Japan im Vergleich zu früher verschwindend gering. Dabei sei der Marienaltar jederzeit einen Besuch wert. „Ich setze mich manchmal auf eine Bank und betrachte den Altar und entdecke immer wieder neue Details“. Und auch einen Besuch der Kirche während des „Lichtwunders“ Mitte August kann Hans Ebert nur empfehlen. Für ihn ist die Herrgottskirche diesmal aber nur ein Zwischenstopp, denn es geht einen steilen, idyllischen Waldpfad – den Hans-Vogel-Weg – hoch Richtung Panoramaweg, von wo aus es dann wieder zurück Richtung Creglingen geht. Den Berg schreitet Hans Ebert zügig hoch – daran hindert ihn weder sein Alter noch das künstliche Kniegelenk, das er letztes Jahr eingesetzt bekam.
Auf dem Rückweg gibt es einen kleinen Abstecher zum Lindleinturmmuseum, in dessen Nachbarschaft die Eberts wohnen. „Die Katzen-Margret hat niemanden reingelassen“, berichtet Hans Ebert und meint damit die einstige Besitzerin des Turmes, Margarete Böttiger. Nach ihrem Tod Mitte der 90-er Jahre wurde aus ihrem außergewöhnlichen Zuhause auf ihren eigenen Wunsch hin ein Museum. „Man hat sich nicht vorstellen können, wie sie in solch beengten Verhältnissen leben konnte“, sagt Hans Ebert. Aber sie sei „glücklich und zufrieden“ gewesen – zumindest so lange, wie es ihren vielen Katzen gut ging.
Über Creglingen könnte Hans Ebert vermutlich einen ganzen Tag lang ohne Unterbrechung erzählen. Als Gastwirt hat er so manches Detail aus der Stadtgerüchteküche mitangehört. Aber seine Lippen bleiben verschlossen. Ein guter Wirt, sagt er augenzwinkernd, „muss zuhören und schweigen können“.
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