Boxberg. Er kennt die Geschichte der ehemaligen Amtsstadt Boxberg wie kaum ein anderer, kümmert sich im Boxberger Rathaus um kulturelle Angelegenheiten, die Pflege und Aktualisierung des Stadtarchives und engagiert sich sehr mit großer Leidenschaft im Heimatverein. Er bringt aber auch Touristen und Besuchern die Besonderheiten seiner Heimat näher, macht Kirchen-Museums- und Nachtwächter-Touren, hält Vorträge über Themen wie „Altes Handwerk“, „Arbeiten auf dem Land“ oder „Mittelalterliches Leben auf der Burg Boxberg“ und führt begeisterte Schulklassen auf den verschlungenen Pfaden des Schlossberges, wobei er auch die eine oder andere Sage um die Burg Boxberg und deren Namen zum Besten gibt.
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Die Rede ist von Dr. Dieter Thoma. Der im früheren Boxberger Bezirksspital geborene promovierte Volkskundler wuchs in Boxberg und Wölchingen auf, besuchte die Volksschule in Wölchingen und machte am „Schiff“ (Matthias-Grünewald-Gymnasium) in Tauberbischofsheim das Abitur. Auch während seiner Studienzeit an der Uni Würzburg, in den Disziplinen Philosophie, Germanistik und Volkskunde war er immer wieder im Umpfertal, um in der kleinen Landwirtschaft, zum Beispiel beim Grünkern-Machen, zu helfen.
Lange Zeit im Archiv tätig
Seit 1993 arbeitet Thoma im Archiv und der Registratur im Boxberger Rathaus und kümmert sich zunehmend um kulturelle Angelegenheiten. Auch als Buchautor machte sich Dr. Thoma in der Vergangenheit einen Namen: Mit Robert Menold hat er 2012 „Die Boxberger Kirchen“ mit geschichtlichen Beschreibungen über die 21 Kirchen im Stadtgebiet herausgebracht. Als sein Hauptwerk sieht er das 2016 erschienene Buch „Kriegsereignisse um Kar-Ostern 1945 im Raum Boxberg-Ahorn und Lauda-Königshofen“. Spontan erklärte er sich bereit, mit den Fränkischen Nachrichten einen Spaziergang vom Seebuckel auf den Schlossberg – einem seiner Lieblingsplätze – zu machen.
Man hört ihm gerne zu und kann (als Zugereister) nur zustimmend nicken, wenn Dieter Thoma von Boxberg mit seiner wunderschönen Landschaft und den hier lebenden, freundlichen Mitmenschen erzählt. Zahlreiche Vereine in allen möglichen Sparten bieten vielfältige Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten. Außerdem bietet Boxberg eine gut ausgebaute Infrastruktur mit Einkaufsmöglichkeiten sowie Ärzte, Zahnärzte und Apotheke. So ist es möglich, ohne weite Wege zurücklegen zu müssen, den Bedarf für das tägliche Leben zu decken. Kindergärten, Grund- und Realschule sind ebenfalls vor Ort. Auch wirtschaftlich steht Boxberg mit seinen wölf Stadtteilen auf gesunden Beinen und das Arbeitsplatzangebot im Industriegebiet beim Seehof bietet berufliche Perspektiven.
Der Spaziergang beginnt auf dem Parkplatz an der Straße Seebuckel beim ehemaligen Gefängnis. An der Gefängnismauer rechts entlang kommen wir gleich zu einem Rosengarten, angelegt nach dem Vorbild von Schloss Weikersheim. Die aufsteigende Treppe führt uns zum Innenhof des Rathauses. Hier plätschert ein Sandsteinbrunnen, erstellt 1996, der die 13 Wappen aller Stadtteile vereint. Für Dieter Thoma ist Wasser ein Symbol des Lebens, aber auch ein Zeichen der Einheit und Ausdruck für eine lebendige Gemeinschaft.
Durch einen großen Torbogen gelangen wir zur Kurpfalzstraße und zur Vorderseite des Amtshauses, in dem das Rathaus untergebracht ist. Das Gebäude wurde 1748 unter Leitung des kurpfälzischen Hofbaumeisters Franz Wilhelm Rabaliatti gebaut. Es war die Zeit, in der die Herrschaften nicht mehr auf erhöhten Burgen, sondern im Stadtzentrum wohnten. „Das Amtshaus“, so Thoma, „atmet Geschichte und Gegenwart und ist für mich der schönste Profanbau Boxbergs“.
Das Gebäude markiert also den Anfang vom gezielten Abbau der Burg. Sehenswert ist das schöne Barockportal mit dem Wappen der Kurpfalz. Das stattliche Haus mit hohem Walmdach hatte viele Funktionen. Nach der Säkularisation teilten sich das „Großherzoglich Badische Bezirksamt und das „Fürstlich Leiningsche Rentamt“ die Räume. „Als man 1848 das Gebäude stürmte, waren vielleicht auch Vorfahren von mir dabei“, sinniert Thoma. Das badische Erdgeschoss blieb verschont, das leiningsche Obergeschoss der Zehnteintreiber wurde verwüstet. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am 31. März 1945, fanden hier blutige Kämpfe statt.
In Sichtweite, auf der anderen Straßenseite, steht das frühere Rathaus. Hier arbeitete die Stadtverwaltung von 1610 bis 1972, auch Schulunterricht fand von 1843 bis 1972 immer wieder statt. Fünf Stockwerke zählt das Gebäude, 1764 wurde noch ein Türmchen mit Rathausglocke aufgesetzt. Der Bau hat an der Straßenseite zwei große Sandsteinbögen. Im linken Bogen befindet sich das Großherzog-Friedrich-Krieger-Denkmal von 1908, davor ein stillgelegter Brunnen. Seit 1981 dient das Alte Rathaus als Heimatmuseum. Im gelben Haus daneben befand sich von 1615 bis 1908 das evangelische Pfarramt.
Links vom Museum führt eine breite Treppe zur Rathausgasse hoch. An der Museumswand ist ein Sandsteinbogen mit der Jahreszahl 1610 eingelassen. Hier befand sich früher der Rathaus-Eingang. Das Gebäude weckt bei Dieter Thoma Erinnerungen an seine Kindheit. „Hier arbeitete mein Opa als Gemeinderechner. Einmal durfte ich die Summe der Hundesteuer von jeder Kassenbuch-Seite addieren und mit Bleistift eintragen – da war ich stolz.“ Seit 1981 dient das Alte Rathaus als Heimatmuseum. Die hintere Seite des Museums zeigt eine prächtige Fachwerkfassade. Ganz oben unter dem Dachgiebel schaut uns ein Neidkopf an. Er sollte vor Gefahren und bösen Geistern schützen.
Überdachter Glockenstuhl
Wir steigen von der Rathausgasse in Richtung Schlossberg. Am Ende der Bebauung kommen wir zu einem offen überdachten Glockenstuhl. Es handelt sich um den letzten Rest der Boxberger evangelischen Kirche, die 1807 wegen Einsturzgefahr gesperrt und 1841 abgerissen wurde. Rechts neben dem Glockenstuhl führt eine Treppe hoch ins Grüne und zum Schlossberg. Beim Aufsteigen ist zu empfehlen, sich immer wieder mal umzudrehen: Wir gewinnen eine zunehmend bessere Sicht auf das Gewirr der Hausdächer von Boxberg und Wölchingen.
Der „Stadtführer“ erinnert an dieser Stelle an den berühmten Merian-Stich, der Boxberg anno 1645 zeigt: Das mächtige Burgschloss thront über dem von der Stadtmauer umgebenen Städtchen. Von der Burg zeugen heute nur noch Reste. Vier große Wachtürme standen einst. Nur noch der Rumpf des Westturms ist erhalten, doch selbst seine Restgröße ermöglicht noch einen weiten Ausblick ins Umpfertal. „Ich fühle mich ein bisschen wie im Reinhard-Mey-Lied über den Wolken – der Hektik, den Alltagssorgen enthoben“, beschreibt Dr. Thoma seine Empfindungen beim Blick ins Tal.
Der Spaziergang durch den pflanzenüberwucherten Burggraben bietet für ihn eine ganz eigentümliche Atmosphäre: „Ich spüre etwas vom geschichtlichen Werden und Vergehen, von früherer Größe und heutiger Vergessenheit.“ Im inneren Schlossplatz findet sich ein tiefer wasserloser Brunnen, ein großer Keller und ein unterirdischer Gang. Zeit, vom Alltagstrubel abzuschalten. Auch Zeit für Sagen, und deren gibt es viele über die Burg: von der guten Frau von Rosenberg, vom Meisterschützen zu Boxberg, vom klugen Schneider im Bocksfell, vom hohen Turm Lug-Ins-Land, oder vom legendären Dr. Faust auf Burg Boxberg.
Auf dem Rückweg halten wir uns an das linke Sträßchen. Immer wieder gibt es schöne Sichtfenster auf das langsam wieder näher rückenden Häuser von Boxberg und Wölchingen. Wir nähern uns dem ehemaligen Zehntkeller. Über seinem rundbogigen Eingang mit der Jahreszahl 1569 erhebt sich ein Giebeldach. Nun erreichen wir die katholische Pfarrkirche St. Aquilinus, zunächst von hinten. Der Glockenturm aus Natursteinen wurde erst 1897/98 errichtet. Das Gotteshaus selbst entstand 1708 bis 1710 nach Plänen des Würzburger Baumeisters Joseph Greissing.
Wir überqueren die Kurpfalzstraße. Vor dem katholischen Pfarrhaus erinnert ein Sandstein an den Namenspatron der Kirche. Ein schmaler Weg führt abwärts zur „Wäsch“. Hier war jahrhundertelang der Brandweiher von Boxberg, von Quellwasser gespeist.
Abstecher ins Naherholungsgebiet
Am Ende unseres Spazierganges kommen wir zum Boxberger Naherholungsgebiet. Der Merian-Stich zeigt noch die Seenlandschaft vor der Stadtmauer, die im 18./19. Jahrhundert zunehmend trockengelegt wurde. Im Rahmen der ökologischen Stadterneuerung hat die Stadt den Bereich wieder renaturiert, einen großen See mit Pavillon und Brückensteg angelegt.
In unmittelbarer Nähe zu diesem idyllischen Fleckchen kann seit einiger Zeit auch die historische Tafel mit dem Wappen der „Republik Baden“ betrachtet werden. Gemütliche Bänke laden zum Verweilen ein. Jetzt folgen wir dem Fußpfad, von einem kleinen Wasserlauf begleitet, und kommen wieder zu unserem Ausgangspunkt am Seebuckel zurück. Wer noch Zeit hat, kann die nahe Mediothek besuchen, untergebracht im preisgekrönten Umbau eines alten Bauernhofes. Möglich ist aber auch eine kühle Erfrischung im nahen Umpfertalbad.
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