Ahorn. Blickt er von seinem Haus die Schlossstraße hinauf Richtung alte Schule, in der er einst die Schulbank gedrückt hat, sowie das Gebäudetrio Schloss, Pfarrhaus und Kirche, mache sich stets ein wohliges Heimatgefühl breit. Dies stehe jedoch nicht im Widerspruch zu den guten Beziehungen des waschechten Eubigheimers, der noch in seinem Geburtshaus wohnt und Verwandte und Freunde im Ort hat, zu den anderen Ortsteilen der Gemeinde. „Ich bin mit allen Ortschaften gut ausgekommen“, betont der rüstige 82-Jährige.
Immer informiert sein
Doch zunächst zurück in den Heimatort. Zahlreiche Gebäude und Plätze rufen Erinnerungen in ihm wach, seien sie familiär oder sein Engagement betreffend. Klappern wir einige mit ihm ab und beginnen mit dem Schloss.
Dieses verbinde er nicht nur mit der Verwaltung, vielmehr freue er sich jedes Jahr, wenn pünktlich zum 11.11. die „Boachscheißer“-Fahne am Masten weht und die Narren mit Helau das Regiment übernehmen, war er doch ein „Boachscheißer“ der ersten Stunde.
Fastnachter durch und durch
Als die Faschingstruppe aus der Taufe gehoben wurde, zeichnete er als Elferrat mitverantwortlich für Prunksitzungen im Saal des ehemaligen Gasthauses „Zur Eisenbahn“, für Umzüge und allerlei Narretei. Umso mehr begeistere es ihn, dessen Frau Gretl übrigens die einzige Faschingsprinzessin im „Boachscheißerland“ war, wenn zur „fünften Jahreszeit“ ein tolles Programm auf die Beine beziehungsweise Bühne gestellt wird. Besonders schätze er den Kontakt zur jungen Generation und es rühre ihn, „wenn die Jungen an den Veranstaltungen auf mich zukommen“. Dieser Zusammenhalt, diese Kommunikation über Generationen hinweg seien für ihn bedeutsamer Bestandteil zur Wohlfühlatmosphäre im Ort.
Wenige Schritte weiter die Schlossstraße hoch, erreichen wir die evangelische Kirche, in der er getauft und konfirmiert wurde und wo er viele Gottesdienste zu freudigen und wehmütigen Anlässen besucht hat.
Stolz sei er, der seit über 65 Jahren in der Freiwilligen Feuerwehr ist, über die neue Feuerwehrhalle, an der er als Ausschussmitglied noch maßgeblich beteiligt war. Über 30 Jahre zeichnete Rückert als stellvertretender Kommandant verantwortlich und wurde sogar mit dem Deutschen Feuerwehrkreuz für Lebensrettung ausgezeichnet. Er rettete gemeinsam mit Kommandant und Feuerwehrurgestein Karl Dötter eine Frau mitten aus den Flammen ihres brennenden Hauses.
Bedingungsloses Vertrauen, Verlässlichkeit, Stabilität, überlegtes, verantwortungsbewusstes Handeln seien hierfür unerlässlich. Beleidigtes Leberwurstgebaren sei völlig fehl am Platz – und seine Frau ergänzt: „Auch als Partnerin muss man dahinterstehen.“
Der Floriansjünger schätzt das gute Verhältnis, die Kameradschaft und erinnert sich an die Zeit, als er als „junger Kerl“ nach Abschluss der Feuerwehrschule in Bruchsal die älteren Kameraden als Gruppenführer leitete. Eine Herausforderung, aber es habe „sehr gut geklappt.“
Auch damals gab’s ihn schon, den Dialog zwischen den Generationen. Dem Lauf der Zeit entsprechend gehöre nun er zu den alten Kameraden und wiederum wertschätze er den Kontakt zu den Jungen, freue sich auf gesellige Treffen sowie den Ausflug, sollte der nach Corona möglich sein.
Kaum erwarten könne er viele liebgewonnene Begegnungen nach dieser kontaktarmen Zeit spüre man erst, wie teuer etwas sei, wenn man es nicht mehr habe. Drum blickt der geistig frische Rentner mit Freuden dem Sportheimstammtisch des FC entgegen, „nicht wegen dem Trinken, wegen der Geselligkeit“ und würdigt das Engagement des ehrenamtlichen Teams. Gesprächsthemen gebe es zuhauf, ob vor Ort oder in der großen Politik. Bei ausführlicher Morgenlektüre der Fränkischen Nachrichten sei er stets informiert und kenne sich aus.
Mit Enthusiasmus kümmert sich der Fachmann beim traditionellen Schlachtfest des Vereins seit Jahren um Delikatessen rund um den Wurstkessel, sehr zur Freude der Genießer.
Wenn der leidenschaftliche Radler Sonntag nachmittags nicht auf Tour ist, unterstütze er lautstark die Mannschaft, wobei das lautstark eher auf seine Frau zutreffe, schiebt er Augen zwinkernd hinterher. Und abermals freue er sich, wenn beim anschließenden Bier im Sportheim die jungen Spieler zu einem kurzen Schwätzchen an seinen Tisch kämen. Das gute Verhältnis der Generationen – das hatten wir schon mal.
Rückert blickt über die Ortsgrenzen hinaus und pflegt gute Kontakte zu den Ortsteilen. So besuche er gern den Stammtisch des SV Berolzheim, „fühlt sich da sehr wohl“ und freut sich auf die Neugestaltung des Vorplatzes.
Mit dem Drahtesel unterwegs
Zu dieser geselligen Vita passt natürlich auch die Mitgliedschaft im Dorfverein sowie bei den „Erdingerbrüdern“, mit denen er jährlich eine Radtour unternimmt. Aktuell radlt der fitte Reiselustige, der erst mit Eintritt ins Rentenalter mit diesem Sport begann, eher durch heimische Gefilde. Wer rastet, der rostet – drum habe er bereits einige Touren im Kopf, die das agile Paar im Freundeskreis per Bahn und Rad realisieren werde. Überdies sei er glücklich über die gelungene Sanierung des stattlichen Bahnhofgebäudes nebst den stündlichen Zughalten, die er bald zu weiteren Ausflügen nutze.
Plötzlich lacht der unternehmungslustige Zeitgenosse und erinnert sich an seine Ausbildungszeit, damals mit 14 Jahren. „Sonntag abends um sechs musste ich mit dem Zug nach Adelsheim zur Lehrstelle und samstags abends um halb zehn kam ich wieder zurück“, da sei das Wochenende kurz gewesen. Aber seine Freunde standen schon am Bahnsteig, holten ihn ab und der Weg führte nicht direkt unter Mutters Fittiche.
Versonnen schmunzelt er über die alten Geschichten, die leider sein Geheimnis bleiben.
Auch mit Walkingstöcken mache er sich auf, genieße die Natur und zwanglose Unterhaltungen. „Das ist jetzt besonders wichtig.“ Gern marschiert er hoch zum Feldkreuz am Oberen Steckbrunnen. Schnell sind wir im Grünen, vorbei an mächtigen Angusrindern, Heckenrosen- und Schlehenhecken voller Vogelgezwitscher, stoisch blickenden Alpakas. Die unablässig singende Lerche ist mit den Augen kaum auszumachen.
Hier oben am Kreuz kommt er nicht vorbei, ohne sich umzudrehen und voller Dankbarkeit festzustellen, wie schön es hier ist. „Da kann ich mich richtig dran ergötzen“, schwärmt er. Und ja – es ist wirklich wunderbar. Der Rundblick schweift vom jüdischen Friedhof, über den Ahornwald, die Neidelsbacher Höhe, Hohenstadt bis zum Vohbergwald. Der Odenwald begrenzt den Horizont und zu Füßen, im Tal eingebettet, liegt Eubigheim.
Kontakt zu Menschen wichtig
Rückert liebt diese Gegend, ob im Sommer bei einer Einkehr im Schwimmbad in Buch oder im Winter am Skihang in Schillingstadt. Hier pflege er Kontakte zu Menschen, die er früher regelmäßig an seinem Verkaufswagen getroffen habe, als er die Dörfer anfuhr. Und da in Hohenstadt sein bester Jugendfreund lebte, habe er auch dort viele Bekannte.
Der fest verwurzelte, heimatverbundene Mensch fühlt sich hier (sau-)wohl, liebt die reizvolle Landschaft, die fußläufige Versorgung, die gepflegten Anwesen und natürlich den generationsübergreifenden Zusammenhalt, der sich wie ein roter Faden durch seine Erzählungen zieht. Die sind nun zu Ende, denn bekanntlich hat alles ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
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