Grünsfeld. Seit seiner Kindheit ist Edgar Weinmann an Land und Leuten interessiert. Er gehört noch zu der Generation, die als Volkssturm im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde, hatte aber das Glück, nicht aktiv in Kampfhandlungen verwickelt zu sein. Trotzdem haben ihn diese Jahre geprägt und noch heute tritt er aktiv dafür ein, dass sich die Menschen untereinander besser verstehen und miteinander auskommen.
Nicht umsonst ist er ein Vereinsmensch durch und durch. So lenkte Edgar Weinmann ganze 38 Jahre – von 1963 bis 2001 – als Vorsitzender die Geschicke des Kulturvereins Grünsfeld. Mit nur 19 Jahren gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Vorgängervereins, des Verkehrs- und Kulturvereins.
Seine Liebe zur Kunst und zur heimatlichen Umgebung wurde durch zwei Personen besonders geprägt. Zum einen war dies Pfarrer Ludwig Englert. Er forderte die Jugendlichen damals auf, sich intensiv mit den Kunstgegenständen in der Stadtkirche zu beschäftigen. Zum anderen war es Kunsthistoriker Dr. Rudolf Kuhn. Mit ihm ging er im zerstörten Würzburg durch die Kirchen und sicherte so manchen Bestand. „Von diesen beiden Persönlichkeiten wurde ich mit dem Virus für unsere Geschichte infiziert“, gibt Weinmann zu. Er habe dabei viel gelernt über die Kunst, aber auch über historische Gegebenheiten.
Wie groß sein Erfahrungsschatz ist, kann man bei den seit 2014 durchgeführten Stadtführungen erleben. Zusammen mit Hermann Freitag führen sie als Nachtwächter und sein Sekretär interessierte Gäste durch Grünsfeld und berichten von so mach historischer Begebenheit. In den letzten Jahren konnten so über 2500 Personen viel Geschichtliches über die Stadt Grünsfeld erfahren.
Lange jüdische Geschichte
Glücklich ist Weinmann dabei, dass man auch in Privathäusern zu besonderen Sehenswürdigkeiten hereingebeten wird. Dies sei in keiner Weise selbstverständlich, ist er sich bewusst. So führen ihre Stadtrundgänge regelmäßig in den Keller eines Hauses, in dem eine jüdische Mikwe wieder ausgegraben wurde und die an die lange jüdische Geschichte der Stadt Grünsfeld erinnert.
Weinmann erinnert sich auch noch an die erste Kreuzigungsgruppe, die man auf dem Boden der ehemaligen Weberei Noor vollkommen zerlegt fand und aufwendig restaurierte. Dabei halfen dem jungen Mann auch seine Kenntnisse aus seiner Lehrzeit. Er absolvierte eine Ausbildung in einem metallverarbeitenden Betrieb. Von diesen Erfahrungen zehrt er heute noch, wenn beispielsweise wieder ein Metallgegenstand restauriert werden muss. Zeugen davon sind mehrere Kreuze im historischen Teil des Friedhofs oder der gusseiserne Ausleger im Innenbereich des Rathauses.
Dabei war Weinmann nie alleine bei der Arbeit. Er versteht es immer, mehrere Gleichgesinnte um sich zu scharen, um Projekte anzugehen. Das kommt sicher aus der Zeit, als er im Auftrag der Südgetränke GmbH unterwegs war und dort Handlungsvollmacht hatte. „Man muss sich aufeinander verlassen können“, ist sein Wahlspruch.
Er ist Mitglied in mehreren Vereinen und war neben dem Vorsitz beim Kulturverein auch noch viele Jahre Präsident der Narrengilde. „Eines der ersten Objekte, die wir in Grünsfeld vom Verein aus restaurierten war das „Hasekühle“, das heute in der Nähe des alten Postamtes steht“.
Diese Figur ist der Spitzname der Grünsfelder Narren und geht auf den Kampf der Städter gegen die Ländler in den vergangenen Jahrhunderten zurück. „Das Objekt muss dringend mal wieder gereinigt werden“, erzählt Edgar Weinmann beim Vorbeigehen. Er hat immer ein waches Auge auf die Geschehnisse in der Stadt und den Ortsteilen.
„Früher“, so berichtet er, „war Grünsfeld reich an Steinmetzen“. Diese Tradition geht weit ins Mittelalter zurück. Namen wie Peter Feuerstein oder die Familie Holbeck fallen ihm sofort ein, wenn er an hochwertige Steinverarbeitung denkt. Mit Gerhard Kuhn hörte 2017 der letzte Steinmetz auf. Seitdem ist die Tradition erloschen. „Wir hatten immer fünf bis sechs Steinmetze in der Stadt. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts waren es allerdings zwischen 200 und 300 ‚Steinhauer’, denn da erlebte die Steinindustrie mit ihrem Muschelkalk einen wahren Boom.“ Namen wie Bau oder Büttner erwähnt er, wenn er an größere Firmen denkt. Doch die sind alle verschwunden. Nicht jedoch ihre Denkmäler und Erinnerungsstücke. „In Grünsfeld gibt es noch vier stationäre Prozessionsaltäre.“ Woanders werden die Altäre nur zu bestimmten Festen aufgebaut, in Grünsfeld sind sie fest installiert. Einer hat es ihm besonders angetan. Gegenüber der Eisnermühle steht ein Altar mit schönen Figuren und wundervoll goldig gefassten Bildnissen. Hier treffen sich die Nachbarn auf ein kleines Pläuschchen, weiß Edgar Weinmann.
Zum Plausch auf die Bank
Und noch von einem zweiten Ort weiß er zu berichten, der „Kamelbrücke“. „Wer über sie läuft und stolpert, sagt die Unwahrheit.“ Daher kommt auch der zweite Name dieses Kleinods: Lügenbrücke. Überhaupt gibt es in Grünsfeld viel zu entdecken und auch viele Bänke, um sich auszuruhen. Die hatten Weinmann und seine Vereinskameraden gleich zu Beginn ihrer Vereinstätigkeit aufgestellt. „Wir sind dafür wochenlang bei den Firmen auf Spendensuche gegangen.“ Gedacht waren die Bänke für die zu erwartenden Touristen in den 1950er Jahren. Die kamen leider nicht übers Taubertal hinaus auf die Höhen und so blieben die Bänke für die Einheimischen.
Edgar Weinmann ist seine Sammelleidenschaft geblieben. Immer wenn er etwas Interessantes zur Stadtgeschichte sieht, versucht er es zu erwerben. Dabei geht er mit seinem Gegenüber immer fair um, denn nichts liegt dem rüstigen Rentner ferner als Zwist und Niedertracht. Die habe er in seinem Leben zwar auch erleben müssen, aber das stecke man am besten gleich wieder weg. Viel schöner sei es doch, sich an der Natur und den vielen steinernen Zeugen der Vergangenheit in unserer Landschaft zu erfreuen.
Edgar Weinmann will noch viele Jahre mit offenen Augen durch das Land gehen und möglichst viele Gegenstände für die Nachwelt retten. Dabei unterstützt ihn die Familie so gut es geht und hält ihm den Rücken frei. „Ohne meine Frau und meine beiden Töchter hätte ich das alles nicht schaffen können“, gibt er zu.
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