Weikersheim. Seit 2012 gehört Katja Bischoff zum für den Schlossgarten zuständigen Gärtner-Team, erst im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung des Maschinenrings seit 2014 fest angestellt. Sie geht voll auf an ihren Arbeitsplatz rund um das Residenzschloss der Grafen Wolfgang und Carl Ludwig.
Graf Wolfgang II. von Hohenlohe-Weikersheim (1546 bis 1610) gestaltete in zehnjähriger Umbauphase das Schloss samt Rittersaal und ließ als Freund der Alchemie ein Laboratorium auf dem Gelände des ehemaligen Zwingers errichten. Heute beherbergt die Fläche das derzeit pandemiebedingt noch geschlossene Alchemie- und Hexengärtchen.
Durch Losentscheid ging das rund 100 Jahre alte, lange unbewohnte Schloss 1708 an Graf Carl Ludwig (1674 bis 1756). Der gestaltete neben den Schlossarkaden und dem Lustschloss auf dem Carlsberg das barocke Schlossgarten-Paradies. Ideen dafür hatte er auf Reisen durch Italien, Belgien und Frankreich gesammelt.
Für die aus dem Rheingau stammende, auf den Fachbereich Baumschule spezialisierte Gartenbaumeisterin, die in Wiesbaden ein großes Gartencenter geleitet hatte, war all das noch Neuland, als sich die Familie 2003 in einen alten Bauernhof bei Weikersheim niederließ. Nach der durch die Elternzeit entstandenen „beruflichen Entwurzelung“ wollte Katja Bischoff wieder ins Grüne. Eine Bekannte riet, beim Schloss anzufragen – und öffnete damit die Tür zu Katja Bischoffs Arbeitsparadies.
Im „vierblättrigen Gärtner-Kleeblatt“ ist sie gemeinsam mit Sandra Özkan, Markus Öchsner und Udo Riess für Grün und Flor des weitläufigen Areals verantwortlich. Auf das barocke Gartenflair kommt es an, auf lange Blüte der Farbbänder um die Kompartimente, den Jahreszeiten angepasste Bepflanzung und die durchgehende Pflege. Berufen kann sich das Gärtnerquartett auf die Inventarliste aus dem Jahr 1745, die Carl Ludwig erklecklicher Schulden wegen erstellen lassen musste. Die weist aus, was im barocken Parterre- und Boskettgarten wuchs, was Statuen, Brunnen und das Spiegelbassin vor der Orangerie pflanzlich ergänzte, was gedieh im Obst-, Küchen- und Kastellangarten und den Rabatten.
Die waren vor rund einem Jahrzehnt noch von kleinen Buchs-Hecken umrahmt, bis ein Pilz den feinen Begrenzungen, die in der Barockepoche auch die an Stickereien erinnernden Broderie-Ornamente einfassten, ein jähes Aus bereitete. Die einst barocke Gärten prägenden Buchs-Formenschnitte sind derzeit ebenfalls kaum noch zu halten.
Trotz Buchs-Verlust: Jetzt sind die fünfzeiligen bunten Rabatten-Florbänder am schönsten, so farbenfroh, vielfältig, reich. 60 bis 70 verschiedene Sorten in vier Farben rahmen die Rasenfelder ein. Um eine möglichst lange Blüte zu sichern, werden immer vier bis sechs Sorten pro Farbe gewählt und im Mai dem vorgesehenen Farbverlauf entsprechend von den zwei Gärtnerinnen platziert. Es wird ein Traum aus Salbei, Margeriten, Löwenmäulchen, Lupinen, Zinnien, Rittersporn, Dahlien; früh blühen die Nelken, spät Sonnenhut und Mädchenauge.
Gut zwei Wochen dauert es, bis die dann auf rund zehn Mitarbeiter anwachsende Gärtnerschar die rund 40 000 vorbereiteten Pflanzen und Zwiebeln – vor allem Stiefmütterchen, Tulpen und Narzissen – für die reiche Herbstbepflanzung in die Erde gebracht hat, die den Frühlingsreigen eröffnen. Die gelben, unter Artenschutz stehenden Wilden Tulpen, die in der Umgebung bis Markelsheim, Schäftersheim, vereinzelt bis Nassau zu entdecken sind, dürften ihren Ursprung im Schlossgarten gehabt haben, berichtet Katja Bischoff. Das Schloss ist der Mittelpunkt der sonst in Deutschland kaum zu findenden Pflanze.
Zentrales Element im vielfältigen Figurenprogramm des Gartens ist der Herkulesbrunnen, der den Helden im Kampf mit einem Drachen darstellt. Der bewacht einen Garten, der Äpfel der immerwährenden Jugend und Unsterblichkeit birgt. Ob Graf Carl Ludwig, der immerhin das stolze Alter von 81 Jahren erreichte, deshalb so großes Interesse an Orangen und Pomeranzen nahm?
Elektronische Steuerung
Für Nachzuchten und auf Spezialpflege angewiesene Gewächse wurde 2018 ein neues Gewächshaus errichtet. Elektronische Steuerung für Bewässerung und Temperatur und teilweise rollbare Pflanztische erleichtern dem Gärtnerteam auch im Aurikelhaus die Arbeit. Rund 500 dieser Angehörigen der Familie der Primelgewächse pflegt Katja Bischoff mit Hingabe.
Im verglasten Gewächshaus gedeihen Ananas, Ingwer, selbst Kaffeebäumchen, die gemeinsam mit unzähligen Fuchsien um Mitte Mai die farbenprächtige Aurikel-Ausstellung im Kastellangarten ablösen.
Ab Juni steht der vom äußeren Schlosshof erreichbare Rosengarten in voller Blüte. Ein Dufttraum, an den sich im August und September der Duftzauber von Zieringwer anschließt. Überhaupt – Düfte! Die Zitrus-Hauptblüte flutet schon ab Februar die Orangerie.
Auch Gärtner haben Lieblingsstellen: Katja Bischoff weist auf die Feigen entlang der Gartenmauer hinter der Orangerie hin, auf die kleine „Reha-Station“ in der Teehaus-Ecke und schwärmt von den rund 80 alten Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und Reineclaude- und Quittenbäumen im Obstgarten. Brände aus diesem Garten sind sogar im Museumsshop zu erwerben. Nur wenige Gartenbesucher „verlaufen“ sich bis zum Trauzimmer im Grünen oder zu den Wällen hinterm Gewehrhaus mit ihren künstlichen Ruinen und uralten Bäumen.
Kurz vor und kurz nach dem Winter sind die Gärtner als „Angler“ in Wathosen zu erleben: Dann organisieren sie den Umzug der rund 70- Euro-Kois aus dem Herkules-Brunnen in den nie ganz zufrierenden Brunnen im inneren Schlosshof. Und wenn sie schon dran sind, sorgen die erprobten Umzugshelfer auch für die wintersichere Einhausung der Figuren im Schlossgarten.
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