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Vom hohen Norden ins „Hoschder” Paradies nach Ahorn

Von Hamburg nach Hohenstadt und überzeugend feststellen, dass man sich keine bessere Lebensumgebung vorstellen könnte als Ahorns kleinsten Ortsteil – undenkbar? Mitnichten! Die Fränkischen Nachrichten klären auf.

Von 
Elisabeth Englert
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Rudolf Bock beim Malen in seinem Wintergarten. Im Vordergrund ein Werk von ihm, eine Ansicht Hohensatdt aus den 70ern. © Elisabeth Englert

Ahorn. Rot und weiß blühende Büsche säumen den Fußweg zum schmucken, etwas zurückgesetzten Haus mit den grünen Fensterläden. Üppige Blumenstauden und ein alter Baumbestand, unter dem sich der Bärlauch sichtlich wohl fühlt, öffnen sich dem Blick. Unwillkürlich fühlt man sich angesichts des verwunschen wirkenden Ambientes wie in einem Märchen. Schneeweißchen und Rosenrot schießen in den Sinn.

Hohenstadts Ortsvorsteher Rudolf Bock sitzt zufrieden in seinem Wintergarten mit der traumhaften Aussicht auf seine Obstbaumwiese und erzählt, dass es nach den Berufsjahren schon immer klar war, hierher in die Heimat seiner Frau Friederike zu ziehen. Dieses Haus, ihr Geburtshaus, bildete seit jeher einen Lebensschwerpunkt der beiden Töchter und setzte sich in der Enkelgeneration fort, erinnert sich der fünffache Groß- und stolze Urgroßvater.

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Im Justizdienst des Landes

Schon während seiner Tätigkeit im Justizdienst des Landes als Oberstaatsanwalt habe eine enge, beständige und vielfältige Beziehung zu „Hoschd“, mit seinen ungefähr 200 Einwohnern, bestanden. Man habe sich von „Haus zu Haus“ gekannt und bei Festen mitgeholfen.

Das Grillfest des VfL Hohenstadt oder die Weihnachtsfeier, an der Bock ab und an die Amtsrobe gegen das rote Nikolausgewand eintauschte, seien feste Bestandteile in seiner Familie, die überdies im Übrigen komplett Mitglied im Sportverein sei. „Wären die Beziehungen nicht so gewesen, wäre es für uns beide zweifelhaft gewesen, hier sein zu können“, blickt der recht rüstige Senior zurück und nimmt dabei selbst seine Frau als „Ur-Hoschderin“ nicht aus.

Nun residiere man seit 2003 dauerhaft im „Paradies“, um es mit den Worten der Tochter auszudrücken. Das agile Paar schätzt die liebgewonnenen Treffen im Bekannten- und Verwandtenkreis, denn „da ergibt sich eine Menge an Begegnungen“, die hoffentlich bald wieder aufleben. Das erhoffe er sich auch vom traditionellen Frühschoppen im Sportheim nach dem sonntäglichen Kirchgang. „Bis pünktlich 12 Uhr, um die häusliche Ordnung nicht durcheinanderzubringen“, lacht der gesellige Jurist. Bis dahin treffe man sich beim Spaziergang im Dorf und halte hier und da ein kleines Schwätzchen, was momentan besonders wertvoll sei.

Große Freude herrschte beim Vorsitzenden Rudolf Bock (am Steuer) sowie den Fahren bei der Übergabe des Bürgerbusses. © Elisabeth Englert

Niemals ein Gedanke

Dass er jemals als Ortsvorsteher fungieren werde, war niemals ein Gedanke. Doch als 2009 die Hohenstädter Gemeinderäte auf ihn zukamen, die Notlage erklärten, habe er die Herausforderung angenommen, sich der Verantwortung gestellt und übe dieses Amt noch immer gerne aus, wobei er mit seinen 85 Jahren auf eine Verjüngung hinarbeite.

Die Hamburger Sprachfärbung hört man auch nach Stationen im Harz, in Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart noch heraus, von Schwäbeln keine Spur, trotz 40-jähriger Berufstätigkeit in der Landeshauptstadt. Unverkennbar auch die hanseatischen Wesenszüge, mit denen er gänzlich ohne Theatralik in Gesten und Worten, vielmehr vornehm zurückhaltend sein Engagement für den Verein „Bürgerbus Ahorn“ analysiert, dessen Vorsitzender er ist.

„Ich habe das äußerst begrüßt, Kontakte von Ort zu Ort können sehr nützlich sein.“ Die Fahrer seien gerade dabei gewesen, sich mit dem Fahrzeug vertraut zu machen, dann habe Corona dazwischengefunkt. Nicht nur die Kontaktbeschränkung an sich, auch die Anlässe seien weggebrochen. Theateraufführungen, Feste und dergleichen habe es nicht mehr gegeben.

Nun hoffe er, für den es eine Selbstverständlichkeit sei, die Regeln zu befolgen, dass aufgrund der Gesamtdisziplin die Lage besser werde und man endlich in Fahrt komme. Dankbar sei Ehepaar Bock, noch mobil und flexibel zu sein, denn „wir fahren noch selbst.“ Doch sei man sich bewusst, dass sich das von einem Tag auf den anderen ändern könne und dann sei so ein gemeindeumspannendes Angebot sehr wertvoll.

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Dass der Kommunalpolitiker weit über den Tellerrand, respektive die Gemarkungsgrenze hinausblickt, zeigt auch sein Engagement im ebenfalls auf Gemeindeebene fungierenden Verein „Refugium – Orientalischer Garten.“ Durch wöchentlichen Sprachunterricht bei den 2015 zugewiesenen Flüchtlingen seien die Kulturen aufeinandergetroffen. Ein von gegenseitiger Offenheit geprägter Umgang schuf wertvolle Begegnungen, die Chemie habe gestimmt und man habe viele Erfahrungen gesammelt.

Als der Verein mit seinen Zielen einer niedrigschwelligen Integration sowie dem Bau des Dokumentations- und Begegnungszentrums aus der Taufe gehoben wurde, waren beide im Vorstandsgremium am Start. Fortan beförderte er samstags junge Männer unterschiedlichster Kulturen zur Baustelle nach Schillingstadt, um sie in den Arbeitsmarkt einzugliedern und pflegte so Austausch und Offenheit.

Nun, kurz vor der Fertigstellung sei er gespannt, wie sich das Gesamtangebot mit Ausstellung, Café sowie privaten Familienfeiern entwickle. Er sei überzeugt, dass die Kommune durch dieses Projekt gewinne, es einen „belebenden Faktor“ für sie darstelle und Ahorn durch dieses Gesamtgepräge auf dem Wege sei zusammenzuwachsen. Zudem würde sich die Wahrnehmung von außerhalb positiv entwickeln.

In dieser Offenheit, sich auf Neues einzulassen, spiegeln sich die geografischen Lebensmittelpunkte des 85-Jährigen. Stets habe er mit den unterschiedlichsten Menschen umgehen müssen, und lachend lässt er keinen Zweifel daran, dass durchaus Kontraste zwischen Baden, Schwaben oder dem hohen Norden bestünden.

So habe er in seinen Anfangsjahren leicht verwundert erfahren dürfen, dass auch sämtliche fünf Ortsteile ihre eigene Charakteristik hätten. Dazu nicht im Widerspruch stehend, fühle er sich auf seine „alten Tage als Patriot.“

Denn kämen Stuttgarter Freunde zu Besuch, sei er durch und durch „Hoschder“ und preise die Reize der Natur, der zwitschernden Vögel, der Stille, der Schwärze der Nacht sowie des Kulturangebots in der näheren Umgebung, seien die Aufführungen in Jagsthausen oder die der Badischen Landesbühne.

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Beneidenswert fit

Überhaupt ist der beneidenswert fitte Senior ausgesprochen fasziniert von der Natur. Zum Glück, ansonsten wäre der große, vielgestaltige Garten eine Bürde. So stelle die Beschäftigung in dieser Idylle eine „Daueraufgabe“ dar, „man ist nie fertig“, schmunzelt der Hobbygärtner mit hanseatischer Gelassenheit – und schiebt bescheiden sein Rezept hinterher: „Die Natur nimmt einen in die Schule, man darf nur nicht seine eigene Ordnungsvorstellung durchsetzen.“

Seine Vorstellungen durchsetzen gelinge ihm indessen beim Malen und Zeichnen. Zahlreiche Werke zieren die Wände im eigenen Haus und bei seinen Lieben, ob Urlaubsmotive, Landschaften oder Abstraktes.

Wo andere den Auslöser ihrer Kamera betätigen, zücke der Künstler Stift und Block, fixiere Sehenswürdigkeiten, lasse sich inspirieren und schärfe seine Wahrnehmung. Daher reiche seine Motivpalette von Venedig, Hohenstadt, dem Bauland bis hin nach Dänemark. Dergestalt sensibilisiert für sein Umfeld, beobachte er auch, dass alles im Wandel sei, das sei eben der Lauf der Zeit, festgelegte Standpunkte brächten keine Entwicklung.

Der Hamburger und Hohenstädter Ahorner liebt den Gegenpart von Bindung und Öffnung, von Gemeinschaft und Freiheit und kann sich nicht mehr vorstellen, woanders leben zu wollen als hier. Um wieder auf den Anfang zurückzukommen – einfach märchenhaft!

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