Wittighausen. Es gibt wohl kaum jemand unter den Wittighäusern, der „die Hedwig“, wie sie von vielen Bürgern knapp genannt wird, nicht kennt. Seit annähernd 61 Jahren führt sie als Wirtin die Regie in der Traditionsgaststätte „Zur Eisenbahn“ in Unterwittighausen – beeindruckend. Darüber hinaus gehörte Hedwig Wolfert rund 25 Jahre dem Gemeinderat Wittighausen und ist Mitglied in zahlreichen örtlichen Vereinen.
Dementsprechend hat die immer noch quirlige Seniorin eine ganze Menge zu erzählen – sowohl Geschichten über Wittighausen und seine Leute als auch über Ereignisse und Entwicklungen im Laufe der Zeit. Am 4. August 1941 in Würzburg als Hedwig Ingerl geboren, wuchs sie im benachbarten Krensheim auf, wo sie als Jugendliche gelegentlich in dem dortigen Dorfwirtshaus aushalf.
1959 lernte sie auf einem Fest in Grünsfeld ihren späteren Mann kennen, mit dem sie im darauffolgenden Jahr den Bund der Ehe schloss. Franz Wolfert hatte 1957 in seinem Heimatort Unterwittighausen von seiner Tante die um 1890 erbaute Gaststätte „Zur Eisenbahn“ übernommen und den dortigen Saal ausgebaut, so dass Hedwig Wolfert als gerade einmal 19-Jährige in den laufenden Betrieb einheiratete.
Fünf weitere Gaststätten
Damals habe es in Unterwittighausen noch fünf Gaststätten gegeben wie etwa nur einige Häuser weiter den „Deutschen Hof“, zudem in Vilchband zwei sowie in Oberwittighausen und Poppenhausen jeweils eine Wirtschaft. Ihr 2011 verstorbener Mann, der bis zu seinem Ruhestand in einem Steinwerkbetrieb berufstätig war, habe nur stückweise in der Gaststätte mitgearbeitet, so dass hauptsächlich sie sich anfangs mit seiner Tante und dann neben dem Aufziehen der Kinder um den Betrieb kümmerte.
„Ich bin gleich ins kalte Wasser geschmissen worden, aber es hat von Beginn an Spaß gemacht und ich war immer gerne Wirtin“, resümiert Hedwig Wolfert lachend.
Mit Freude erinnert sie sich an die Höhepunkte im Saal der „Eisenbahn“ – an sonntägliche Tanzabende im zweiwöchigen Turnus sowie an die Kirchweih- und Faschingsveranstaltungen, an denen oft die lokale Blaskapelle für Stimmung sorgte. „Eines Abends tauchten bei einer Tanzveranstaltung nach Mitternacht Vertreter des Jugendamtes für Alterskontrollen auf. Einige der noch anwesenden Minderjährigen ergriffen rechtzeitig die Flucht, zwei andere habe ich in der Küche oder im Obergeschoss versteckt“, erzählt sie exemplarisch für etliche Anekdoten.
Im Laufe der 1970er Jahre sei eine verstärkte Nachfrage der Gasträume für private Anlässe wie Hochzeiten, Kommunionen, runde Geburtstage oder Trauerfeiern zu verzeichnen gewesen.
Umgekehrt habe gleichzeitig die geschäftliche Konkurrenz etwa durch Beat- und Livemusikabende in Festzelten zugenommen, was zu einem Rückgang vor allem der jungen Gäste in der „Eisenbahn“ geführt habe.
Traum vom Maffay-Auftritt
Der Unterwittighäuser Komponist, Texter und Gitarrist Bernie Conrads („Bernis Autobahn Band“) habe in der „Eisenbahn“ sogar einen Auftritt von Peter Maffay arrangieren wollen. „Der Saal wäre jedoch viel zu klein dafür gewesen“, begründet Hedwig Wolfert die Absage an Conrads dereinstiges Vorhaben.
Vor allem bis Ende der 1970er Jahre schauten viele Arbeiter zum Feierabend auf das eine oder andere Bier bei „der Hedwig“ vorbei. Dies habe allerdings dann zunehmend nachgelassen, so dass speziell Rentner als Nachmitttagsgäste verblieben seien. Stets treu geblieben seien außerdem die Stammgäste und „Kartler-Runden“, die sich in der Regel an manchen Abenden oder auch Nachmittagen in der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ treffen. Der Saal war in den vergangenen Jahren wiederholt Treffpunkt beispielsweise für Versammlungen des VdK, des Nabu und für das Jahresessen der Gemeinde Wittighausen oder für den Senioren- und Frauenfasching.
Trotz allen Aufgaben ließ es sich Hedwig Wolfert nicht nehmen, nach jeweils erfolgreichen Kandidaturen von 1980 bis 2005 als Mitglied des Gemeinderats Wittighausen die Belange der kleinsten Gemeinde im Main-Tauber-Kreis mitzubestimmen. „Ich hatte ursprünglich nicht im Geringsten daran gedacht, speziell als Frau für den Gemeinderat zu kandidieren“, berichtet sie. In Anerkennung für die Verdienste um die Bürger und Gemeinde wurde sie 2000 mit der silbernen Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Immer informiert sein
Darüber hinaus wurde und ist sie teilweise ebenfalls schon seit Jahrzehnten Mitglied unter anderem beim VdK-Ortsverband Wittighausen-Messelhausen, bei der Nabu-Ortsgruppe Wittighausen, bei den Wittighäuser Musikanten und bei den Altherren-Fußballern des SV Wittighausen.
Vielleicht liegt es ja (auch) an der Lokalität, dass Hedwig Wolfert als sogar 79-Jährige und trotz inzwischen einiger „Zipperlein“ nach wie vor Wirtin der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ ist, denn ihre Vorgängerin – die Tante ihres verstorbenen Ehemannes – sei bis zum hohen Alter von 85 Jahren immer wieder helfend am Tresen gestanden, also auch noch, als Hedwig und ihr Mann bereits das Lokal führten. Außerdem trägt womöglich die ungewisse Zukunft dazu bei, dass sie selbst nach rund sechs Jahrzehnten den Gastronomiebetrieb noch nicht aufgegeben hat.
Weder ihre Tochter, die sogar den Metzgerberuf gelernt hat, noch einer ihrer beiden Söhne – der eine ist Tauchlehrer in Thailand, der andere Bauingenieur in München – beabsichtigen eine Übernahme.
Gelassene Wirtin
Momentan bereiten ihr einerseits die Coronakrise mit den Lockdowns oder strengen Auflagen gewisse Sorgen. „Warten wir ab, was die Zeit mit sich bringt“, lautet andererseits auch in dieser Hinsicht eine der Devisen Hedwig Wolferts, mit der sie immer wieder die Dinge in ihrem Leben gelassen gesehen hat und im Grunde gut damit gefahren ist. „Ich habe einiges mitgemacht, die schönen Momente und Seiten wiegen es auf“, bilanziert sie zufrieden und fröhlich munter.
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