Tauberbischofsheim. Mark Stephan ist so vieles. Zum Beispiel Chef. Handwerker. Tierretter. Erzieher. Beichtvater. Im Bauhof, so scheint es, kann der Tauberbischofsheimer Tausendsassa alle seine Talente einsetzen. Und nicht nur das: Er geht voll in seiner vielfältigen Arbeit auf.
Als Chef bezeichnet er sich selbst nicht so gerne. Er umschreibt seine Funktion lieber so: „Der Bauhof ist wie eine große Familie. Jeder muss sich auf jeden verlassen können. Wir funktionieren wie ein Uhrwerk. Ich sorge dafür, dass dieses Uhrwerk auch tickt.“
Handwerker der unterschiedlichsten Sparten arbeiten dort eng zusammen. Im Telefongespräch mit den FN muss der 41-Jährige selbst kurz nachdenken, damit er alle Gruppen aufzählen kann: Elektriker, Maurer und Mechatroniker, Schlosser, Schreiner und Steinmetze, Verputzer und Zimmerer sowie zudem Gärtner und Landwirte halten Tauberbischofsheim und seine sechs Stadtteile sauber und „am Laufen“.
Am liebsten immer im Einsatz
Wie wichtig Mark Stephan seine Aufgaben nimmt, wie gerne er am liebsten rund um die Uhr im Einsatz wäre, wird an dieser Aussage deutlich: „Am liebsten würde ich mich mit meinem Team gleichzeitig um alle Anliegen der Bürger kümmern. Es tut mir leid, dass das nicht möglich ist. Mein Traum wäre, dass alle Einwohner gleichermaßen zufrieden sind – das wäre mein schönster Lohn.“
Lange war Stephan, der so gut wie alle Straßen und Gässchen im Stadtgebiet kennt, übrigens tatsächlich 24 Stunden am Tag erreichbar. Das Diensthandy trug er immer bei sich. Im Herbst 2020 wurde eine Bereitschaft eingerichtet, so dass sich nun Bauhof, Kläranlage und Wasserwerk die ständige Erreichbarkeit teilen. Auf die Bitte der FN, doch einmal die Zuständigkeiten des Bauhofs genauer zu beschreiben, schickt er etwas später eine Liste. Weit über 40 Posten hat er da aufgeführt. Aufgaben, die wohl den wenigsten im Zusammenhang mit dem Bauhof allesamt einfallen würden.
Mark Stephan liebt seinen Beruf besonders dann, wenn er von ihm Außergewöhnliches verlangt. Nach einem Orkan musste etwa eine Pappel im Stadion aus Sicherheitsgründen gestutzt werden. Es herrschten immer noch starke Böen, als sich Mark Stephan in den Steiger begab und aus luftiger Höhe von 28 Metern Teilen des Baums mit der Säge zu Leibe rückte. „Der Korb, in dem ich stand, pendelte drei Meter hin und her“, erzählt er und bezeichnet sich in diesem Zusammenhang lachend als „risikobereit“: „Bei waghalsigen Angelegenheiten bin ich gerne dabei“.
Das gilt übrigens für unerwartete „Forschungsarbeiten“ im Rahmen seines Berufs genauso. Als man bei Bautätigkeiten in der oberen Fußgängerzone auf ein Kellergewölbe stieß, war Mark Stephan in seinem Element: „Da packte mich der Entdeckerreiz“.
Kreuzotter biss zu
Immer wieder hat der Bauhof auch mit Tieren zu tun. Zu den traurigen Pflichten gehört es beispielsweise, überfahrene Geschöpfe von den Straßen zu räumen. Umso schöner ist es für Mark Stephan und sein Team, Tiere zu retten – obwohl er selbst in seiner Kindheit nicht immer gute Erfahrungen mit bestimmten Exemplaren gesammelt hat: Als Junge wurde er nämlich schon einmal von einem Wildschwein attackiert und von einer Kreuzotter gebissen, auf die er versehentlich getreten war.
Seiner Tierliebe hat das keinen Abbruch getan, im Gegenteil: In seiner Freizeit kümmert sich der 41-Jährige um seine Bienen genauso gern wie um seine Deutsch-Langhaar-Hündin Cleo, Schaf Olaf, seine Ziegen, Stockenten und Tauben. Zudem hat er sich der Wiedereingliederung von Fasanen in der Region verschrieben.
Den Bauhof nennt er das „Fundbüro für lebende Tiere“ – für Hunde gibt es dort sogar einen eigenen Zwinger.
Dort kommen jedoch nur solche „Kandidaten“ hinein, bei denen Mark Stephan es auch vertreten kann.
Bei der Dackeldame, die mit ihren elf Welpen vor ein paar Jahren in Distelhausen ausgesetzt worden war, konnte er es nicht. Sie durfte vorübergehend in die Schreinerei des Bauhofs einziehen. „Nach einem Tag“, lacht der 41-Jährige am Telefon, „hatten die Kleinen alles zerlegt“. Kurzerhand nahm er die „alleinerziehende“ Mutter mit ihrem Nachwuchs mit nach Hause und half ihr bei der Versorgung der Welpenschar. Zum Glück konnten alle Hundebabys weitervermittelt werden. Mark Stephan hätte sie „am liebsten allesamt behalten“.
Auch der offensichtlich entflogene Papagei, der vor ein paar Jahren immer wieder in Tauberbischofsheim gesichtet worden war, wurde von Mark Stephan und seinem Team unter die Fittiche genommen und gefüttert, bis er irgendwann nicht mehr erschien.
Fast schon unglaublich hört sich eine andere Geschichte an, die Stephan aus seinem reichen Erfahrungsschatz hervorhebt.
Er erinnert sich noch gut daran, wie er eines Tages zu einem ganz besonderen Einsatz gerufen wurde – ein Krokodil war nämlich in der Tauber gesichtet worden. Was sich wie ein verspäteter Aprilscherz anhörte, entpuppte sich als eine ganz reale Situation. Das etwa 60 Zentimeter große Krokodilbaby war wohl in der Tauber ausgesetzt und von Passanten entdeckt worden.
„Mit unglaublich viel Herzklopfen“ hat er das exotische Tier mit einer an einem Stock befestigten Drahtschlinge aus dem Fluss geholt. Bis es von einem Experten aus dem Frankfurter Zoo abgeholt wurde, verbrachte das Krokodil seine Wartezeit in einer Plastikwanne im Bauhof. Und Mark Stephan trug für eine Weile den Spitznamen „Crocodile Dundee“.
Bei seinen Kollegen in der Stadtverwaltung gilt der Mann aus Dittwar als immer freundlicher Teamplayer, der sich für nichts zu schade ist. Einer, der beispielsweise nach einer Feier im Anzug noch beim Abbau hilft. Der einfach da ist, wenn er gebraucht wird.
Regeln sind wichtig
Doch er hat auch eine persönliche Mission, die ihm mindestens genauso wichtig ist wie zufriedene Bürger und wohlbehaltene Tiere. Im Bauhof können junge Leute, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, ihre Sozialstunden ableisten – zum Beispiel, indem sie bei der Müllbeseitigung helfen. Mark Stephan geht es dabei aber um viel mehr als solche Tätigkeiten. Er will den Jugendlichen Regeln beibringen – etwa, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen und höflich zu sein.
„Wir wollen doch alle anständige Menschen in der Gesellschaft“, sagt er und erinnert sich an einen Mann, der vor ein paar Jahren mit einem Geschenkkorb im Bauhof erschien.
Selbst durchs Telefon spürt man, wie sehr ihn folgende Worte seines ehemaligen Schützlings auch heute noch bewegen: „Sie haben mit dazu beigetragen, dass ich wieder auf den rechten Weg zurückgefunden habe.“
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