Buchen. Während Karlheinz Eisenbeiser leidenschaftlich und gestenreich über sein liebstes Hobby plaudert, spricht er den unscheinbaren, aber letztlich „entlarvenden Satz“ aus: „Das ist auch so ein Schach-Verrückter!“ Entscheidend ist hier das Wörtchen „auch“, und auf die konkrete Nachfrage, ob er denn Schach-verrückt sei, antwortet er ganz fix und unverblümt: „Ja klar!“ Und lacht. Das königliche Spiel erlebt bei ihm nicht erst seit der Pandemie einen Boom. Nein, Schach ist für Karlheinz Eisenbeiser sozusagen ein ständiger Lebensbegleiter. Und: Er hat das Spiel auf den 64 Feldern in Buchen populär und gewissermaßen salonfähig gemacht.
Eine Partie gegen den Meister
Der Autor dieses Textes konnte dem Reiz nicht widerstehen, eine Partie gegen „Meister Eisenbeiser“ zu spielen. Schnell musste er erkennen, dass er chancenlos ist, zumal er die schwarzen Steine führte. . .
1. c4, g6; 2. Sc3, Sf6; 3. e4, e5;
4. Sf3, Sc6; 5. d4, d6; 6. d:e5, d:e5;
7. D:d8, K:d8; 8. Lg5, Lg7; 9. Sd5+, Kd7;
10. L:f6, L:f6, 11. Sf6+, Ke7; 12. Sd5+, Kd6.
13. 0-0-0, Kc5; 14. a3, a5, 15. Kc2, Lg4;
16. Kc3, a4; 17. S:c7, Td8; 18. Le2, Td7;
19. T:d7, L:d7; 20. Td1, Td8; 21. Sb5, f5;
22. Td5, Kb6; 23. Se5, S:e5; 24. T:e5, f:e5;
25. T:e5, Lc6; 26. Te6, Ka5; 27. Lf3, L:f3.
28. g:f3, Td1; 29. Sd4, Tc1+; 30. Se2, b6;
31. Te7, Ka6; 32. T:h7, g5; 33. Sb4+, Ka5; 34. Ta7++.
Es war 1980, als der damals 28-Jährige als Lehrer am Burghardt-Gymnasium in Buchen (BGB) begann und an einem Tag kurzerhand ein Simultanspiel am Stadtturm organisierte. Eisenbeiser spielte gleichzeitig gegen 40 Leute. Schach mitten in Buchen – das hatte etwas. „Die Leute waren begeistert“, erinnert er sich. Kurze Zeit später gründete er die Schach-AG am BGB, der sich bis heute 22 Partnerschulen angeschlossen haben. Die erste Mannschaft des BGB spielte zwischenzeitlich in der 2. Bundesliga und ist aktuell in der Oberliga beheimatet.
Als Anatoli Karpow kam
Eisenbeiser holte 2006 die Badische Meisterschaft nach Buchen, bei der sich knapp 400 Spieler in der Hainstadter Mehrzweckhalle maßen. Und das war sozusagen der Gipfel des Schachschaffens in Buchen: Beim selbst organisierten „Baroque Open“ in der Odenwald-Stadt schaute kein Geringerer als der ehemalige Weltmeister Anatoli Karpow vorbei.
Begonnen hatte die Leidenschaft für dieses Spiel bei Karlheinz Eisenbeiser im Grunde auch mit einem Simultan: Zu seinem 14. Geburtstag schenkte ihm sein Vater die Teilnahme an solch einer Veranstaltung in Mosbach. Er spielte als einer von vielen gegen den Großmeister Fritz Sämisch, ein damaliger Weltklassespieler, und hielt die Partie bis zum 25. Zug ausgeglichen; dann kam der Schreck: Es war spät geworden, und sein Vater forderte zum Heimgehen auf, da am nächsten Tag wieder Schule war. Er durfte nicht zu Ende spielen. Die Notation dieser Partie hat er heute noch.
Dieser simple Zettel ist ein Miniteil eines Schach-Fundus’, den er unterm Dach seines Hauses aufbewahrt. Seit Jahren sammelt Eisenbeiser alles, was mit Schach zu tun hat. Und erst, wer sich dort umgesehen hat, der begreift, wie groß seine Zuneigung zu diesem Spiel ist. Hier ist ein regelrechtes Schach-Museum entstanden. Ankündigungsplakate von Turnieren auf der ganzen Welt, an denen er teilnahm, zieren die Wände. Eines davon war ein Open in Monte Carlo. Er übernachtete mit seinen Kumpels am Strand, wurde Dritter und „verfeierte“ das Preisgeld gleich danach. „Ich glaube, es war mein größter Erfolg“, sagt er ganz leise und legt die Hände zufrieden in den Schoß. 2230 war seine höchste Elo-Wertung. „Aber diese Zahl ist mir nicht so wichtig, heute liegt sie unter 2000. Es ist weiter diese unendliche Tiefe des Spiels, die mich begeistert“, erzählt er.
Weit über 1000 Schachbücher
Und so kommt es vor, dass er sich in seinen „Museums-Speicher“ zurückzieht, irgendeines seiner weit über 1000 Schachbücher (in vielen Sprachen) herauszieht, eine Seite aufschlägt und sich dann stundenlang mit dem da geschilderten Problem befasst. „Hier tauche ich ab. Oft merke ich nicht, wie die Zeit vergeht.“ Dieses Spiel hat ihm auch durch so manche Lebenskrise geholfen – erst vor einigen Jahren, als seine Frau gestorben war.
Sein wertvollstes Sammelstück ist ein Schachspiel von 1966, mit dem die Spieler bei der Schacholympiade auf Kuba gespielt haben. Das bekam er geschenkt und hat geschwitzt, als er es außer Landes „schmuggelte“. Wer selbst Schach spielt und sich auch dafür begeistern kann, der erkennt, welch großer Schatz sich bei Karlheinz Eisenbeiser unterm Dach verbirgt. „Und die Garage ist auch voll. Das Auto passt nicht mehr rein“, sagt er und lacht voller Selbstironie.
Zu seinem Fundus gehören auch „alle“ Schachecken der Fränkischen Nachrichten, die er seit Jahrzehnten sauber abgeheftet sammelt. „Es ist fast schon ein Ritual am Samstagmorgen. Als erstes löse ich das FN-Schachproblem.“ Er lobt die von Michael Pfleger aufbereiteten Inhalte als „eine der besten Schachecken Deutschlands“.
Aktuell ist er dabei, die neue Saison für die BGB-Mannschaften von der Oberliga bis in die Kreisliga zu organisieren. Gleichzeitig hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Schach-AG an den 22 Schulen wieder zu aktivieren. Viele junge Menschen hat er schon für dieses Spiel begeistert - und er wird es weiter tun . . .
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