Hirschlanden. „Heimat ist da, wo das Herz liegt, man Geborgenheit spürt und dazu gehört.“ Davon ist Cassia Rangel Schorr überzeugt. Heimat der Brasilianerin ist der Rosenberger Stadtteil Hirschlanden.
Hirschlanden. Im Rosenberg Ortsteil Hirschlanden hat die gebürtige Brasilianerin – sie stammt aus Rio de Janeiro – mit ihrem Mann Joachim und ihren beiden Söhnen Gabriel und Daniel vor acht Jahren Anker geworfen. Damit nicht genug: Durch ihre vielseitige ehrenamtliche Tätigkeit im Rahmen der evangelischen Kirchengemeinde war die 49-Jährige nach kurzer Zeit voll ins Dorfgeschehen integriert. Dabei hat sie den Rosenberger Ortsteil von seiner besten Seite kennen- und schätzen gelernt.
Ins Bauland und viele Jahre davor nach Europa kam sie durch Zufall: 1998 lernte sie in den USA ihren aus Kaiserslautern stammenden Mann kennen und führte zwei Jahre lang eine Fernbeziehung über Telefon und das damals gerade aufkommende Internet.
Diese transatlantische Verbindung barg einige Besonderheiten in sich: „Manchmal haben wir wegen der unterschiedlichen Zeitzonen nachts telefoniert“, blickt sie zurück. Im April 2000 reiste Cassia Rangel Schorr erstmals nach Deutschland und ließ ihr ursprünglich auf ein halbes Jahr befristetes Visum sofort verlängern – Amors Pfeil hatte Wirkung gezeigt.
Kirchliche Feier in Brasilien
Kurz danach wurde geheiratet: Zunächst der Gang zum Standesamt in Deutschland, auf den 2002 die große kirchliche Feier in Brasilien folgte. Über einen kurzen Aufenthalt in Südafrika ging es dann nach Abstatt bei Heilbronn, von dort aus 2010 in die brasilianische Metropole Sao Paulo und schließlich in eine ganz andere Welt, die auf den Namen „Hirschlanden“ hört.
Die Wahl ergab sich durch einen Zufall: „Haus und Scheune sowie die Gegend haben uns auf Anhieb gefallen“, erinnert sich die studierte Lehrerin, die in Deutschland als Schulbegleiterin für Kinder mit erhöhtem Lernbedarf deren Besuch an Regelschulen ermöglicht.
Schnell heimisch
Schnell fühlte man sich heimisch: „Hirschlanden ist ein sehr bewegtes Dorf, dessen Einwohner vieles für die Gemeinschaft tun und sich für ihren Nächsten interessieren“, erklärt Cassia Rangel Schorr, deren soziales Engagement in der „Sozialgruppe“ eine erste Keimzelle fand.
Jenes Team hat sich vor allem der generationsübergreifenden Arbeit mit Menschen verschrieben und legt mit ihrem Angebot großen Wert darauf, dass Senioren die Kinder kennenlernen – und umgekehrt. So besteht eine lebhafte Zusammenarbeit mit der Kindertagesstätte „Unter dem Regenbogen“, zu der unter anderem ein Theaterprojekt von Kindern für Kinder gehört.
„Es herrscht freier Eintritt auf Spendenbasis“, betont die aufgeweckte Wahl-Bauländerin und zeigt sich „sehr zufrieden“ mit dem Projektverlauf.
Über ihr persönliches Hobby spann die begeisterte Bücherfreundin das Netz ihrer Tätigkeiten weiter: Aktuell ist sie damit beschäftigt, im evangelischen Gemeindehaus Hirschlandens eine Mediathek einzurichten, die demnächst öffnet.
Deren noch nicht vollständig erfasster Bestand umfasst schon jetzt über 2000 zum größten Teil gespendete Medien: „Die meisten Bücher und CDs oder DVDs wurden von Dorfbewohnern gespendet.
Neu gekauft wurden fast ausschließlich Brettspiele und Bücher für Kinder“, schildert die zweifache Mutter. Trotz dieses umfangreichen Sortiments ist die Mediathek keine reine „Tausch- und Leihbörse“, sondern vielmehr als Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft konzipiert.
Angedacht ist auch, die bisher im Wechsel mit Gerda Herrmann gestalteten Vorlese- und Aktionsstunden für Kinder in den neuen Räumlichkeiten abzuhalten. Diese Stunden weisen eine Besonderheit auf: „Es werden nur Bücher besprochen, die im Antolin-Programm verzeichnet sind“, erläutert Cassia Rangel Schorr und fügt an, dass „Antolin“ den Kindern Fragen zu gelesenen Büchern stellt. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Zusammenstellung der Bücherkisten, die einmal monatlich der Rosenberger Schule zur Verfügung gestellt werden. „Die Kinder können sich hier Bücher und Spiele ausleihen – und wer die bei ‘Antolin’ gestellten Fragen richtig beantwortet, bekommt eine kleine Belohnung“, erklärt sie.
„Im Team ist alles viel besser“
Aber das ist noch nicht alles: Gemeinsam mit Katrin Jenninger gestaltet sie Kindergottesdienste und ist seit vergangenem Jahr auch Mitglied des Kirchengemeinderats. „Ich bin enthusiastisch und habe viele Ideen, aber im Team ist das alles viel besser und schöner umzusetzen – davon abgesehen macht es so einfach mehr Spaß!“, merkt die Mutter zweier deutsch und portugiesisch sprechender Jungen lachend an.
Echtes Heimweh kennt Cassia Rangel Schorr heute „eigentlich nicht mehr“, wie sie sagt. Das liege nicht nur an der Offenheit Hirschlandens und der 2019 mit dem Gefühl des Angekommenseins erlebten Einbürgerungsfeier in Osterburken, sondern sei auch eine Frage der Zeit: „Beide Länder haben Vor- und Nachteile“, räumt die 49-Jährige ein. Ihr fehle zwar die Wärme brasilianischer Sommer, doch sei sie im Bauländer Winter ebenso wenig unglücklich.
„Nach einer Weile passt man sich an und ist dabei“, umschreibt sie ihre Gefühle. Eine lustige Anekdote hat sie jedoch auf Lager: „Sprudel lernte ich erst in Deutschland kennen und fragte mich, wieso die Deutschen das nur trinken können – inzwischen trinke ich ihn aber sogar in Brasilien!“, erklärt sie.
Heimat ist, wo das Herz wohnt
Dorthin reist sie – ohne Corona – normalerweise einmal pro Jahr allein und mit der Familie alle zwei Jahre. Es sei aber ebenso schön, wieder „daheim in Hirschlanden“ anzukommen – denn Heimat ist da, wo das Herz wohnt. Und das wohnt für Cassia Rangel Schorr in dem kleinen Baulanddorf.
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