Merchingen. Der Staffelstab ist vom Main-Tauber-Kreis an den Neckar-Odenwald-Kreis übergeben. Nach einer kurzen Sommerpause setzen wir unsere Serie „75 Jahre – FN on Tour“ in Ravenstein fort.
Und wo könnte man einen Streifzug durch die Baulandgemeinde besser beginnen, als in der guten Stube eines Mannes, der schon immer hier gelebt und viel zu erzählen hat. In sympathisch bescheidener Art berichtet Gerolf Gerner über Orte und Ereignisse in Merchingen, die für ihn eine besondere Bedeutung haben. Wegen des seit Stunden andauernden Regens bleiben wir im Trockenen und schlendern lieber gedanklich mal hierhin, mal dorthin. Lassen uns leiten von Erinnerungen an die Vergangenheit und Wünschen für die Zukunft.
Dass er Merchingen einmal verlassen würde, stand für den 81-Jährigen nie wirklich zur Debatte: „Den Gedanken hatte ich nie“. Im Elternhaus im Erlenweg geboren, war der Lebensweg ein gutes Stück weit vorgezeichnet. Im Alter von 23 Jahren übernahm Gerolf Gerner den landwirtschaftlichen Betrieb von seiner Mutter. Sein Wunschberuf war es zunächst nicht. Den Betrieb aufgeben war jedoch auch keine Option. „Mit der Zeit hat es mir immer mehr Spaß gemacht. Und das macht es mir bis heute“, verrät Gerolf Gerner.
Vom Schloss zur Synagoge
Seine Gedanken lässt er an die markanten Stationen in Merchingen schweifen. Zunächst zum teilweise restaurierten Schloss. Als für die Instandsetzung des westlichen Flügels die Unterstützung der Bürger gefragt war, trug sich Gerolf Gerner als Dritter in die Mitgliederliste des Fördervereins ein.
Weiter geht es zu jenem Gebäude, das er als Volksschüler acht Jahre lang besucht hat. „Es gab ja sonst nichts.“ Heute noch werden darin die Grundschüler unterrichtet.
Bevor wir uns zur hoch vor dem Schloss aufragenden evangelischen Kirche aufmachen, passieren wir die frühere Synagoge, die heute der katholischen Kirche als Gotteshaus dient. Im Gegensatz zu den umliegenden Ortschaften ist Merchingen seit Jahrhunderten evangelisch geprägt. Was früher bei überkonfessionellen Eheschließungen mitunter problematisch war. „Damals hatte auch der Pfarrer ein Wort mitzureden“, erinnert sich Gerolf Gerner.
Sein persönlicher Lieblingsort liegt außerhalb der Siedlungsfläche. Die Stelle auf der Anhöhe über der Ulmenstraße können wir ebenfalls nur gedanklich aufsuchen. Zu aufgeweicht wäre der Weg dorthin gewesen. Einige Tage zuvor sind wir uns dort zufällig begegnet. In der Nähe eines kleinen Wäldchens, inmitten landwirtschaftlicher Flächen, hat man einen wunderbaren Blick über Merchingen. Alle markanten Gebäude sind gut zu sehen. Im Hintergrund die Windräder und ein Himmel, der eher an einen verregneten Novembertag erinnert. Gerolf Gerner verbringt gerne Zeit auf der Anhöhe, wo er noch einige seiner Felder selbst bewirtschaftet. „Zu tun gibt es immer etwas“, schmunzelt er. Ursprünglich sollte das Gelände einmal für Bauplätze erschlossen werden. Der 81-Jährige wollte sich an seinem Lieblingsort dauerhaft niederlassen und ein Haus bauen. Der Wasseranschluss ist seit vielen Jahren vorhanden. Doch das Baugebiet kam nie. Stattdessen dehnte sich Merchingen in südwestlicher Richtung aus.
Unterdorf als „Hauptzentrale“
Dem Unterdorf ist Gerolf Gerner deshalb treu geblieben. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als dort auf vergleichsweise engem Raum 20 Landwirte ansässig waren. „Damals war das Unterdorf die Hauptzentrale. Alles war hier“, sagt er. Sogar ein Gefängnis im alten Rathaus.
Rund 150 Meter entfernt vom Hof der Gerners stand das ehemalige Milchhaus. „Das war viel größer als in anderen Ortschaften“, erzählt der 81-Jährige. Früher war das Gebäude für ihn ein regelmäßiger Anlaufpunkt, um Milch abzuliefern. In den 1960er Jahren wurden zusätzlich in dem großen Raum Gefriertruhen aufgestellt. Somit hatten die Bewohner des Ortes erstmals die Gelegenheit, Lebensmittel über einen längeren Zeitraum zu lagern. In seiner ursprünglichen Funktion ist das Milchhaus längst Geschichte. Das Gebäude steht jedoch immer noch. Zwischendurch hatte sich ein Edeka-Markt eingemietet. Heute dient es als Wohnraum.
Beim Gasthaus „Hirsch“ verhält es sich genau umgekehrt. Das Gebäude steht längst nicht mehr oberhalb des Anwesens von Gerolf Gerner an der Akazienstraße. Dafür ist die Gastwirtschaft bis heute in Betrieb – nachdem sie im Rahmen der Dorfsanierung in Merchingen ab- und in Mannheim neu aufgebaut worden war. „Damals gab es sechs Wirtshäuser im Ort“, weiß Gerolf Gerner zu berichten. Heute gibt es keines mehr. Während im Laufe der Zeit manche für die Infrastruktur wichtige Einrichtung aus dem Ortsbild verschwunden ist, hat sich auch einiges zum Positiven entwickelt.
Den Golfplatz, die „Alla-hopp“-Anlage und das erst vor wenigen Monaten eröffnete Pflegeheim als unsere nächsten Stationen empfindet Gerolf Gerner als große Bereicherung. Einzig einen Einkaufsmarkt würde er sich jetzt noch wünschen. „Sonst sind wir doch zufrieden“, sagt der 81-Jährige, der selbst die Entwicklung Merchingens 15 Jahre lang als Ortschaftsrat mitgestaltet hat.
Zum Abschluss unseres Streifzugs landen wir im Hof seines Anwesens im Erlenweg – wo Gerolf Gerner seine Mütze aufsetzt, auf einen seiner Traktoren klettert und mit dem „FN on Tour“-Schild für ein Foto posiert. Das Fahrergehäuse ist für ihn nämlich auch zu einer Art Lieblingsplatz geworden.
Schließlich hat er in all den Berufsjahren viel Zeit dort verbracht – und bei der Arbeit auf den umliegenden Feldern nie „sein“ Merchingen aus den Augen verloren.
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