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Frankenbahn: Vier Gemeinden droht die Abschiebung aufs Abstellgleis

Die vier Ortsvorsteher aus Hirschlanden, Schweigern, Unterschüpf und Sachsenflur kritisieren scharf, dass ihre Gemeinden keinen Haltepunkt bekommen und im Forderungskatalog keine Berücksichtigung mehr finden.

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Klaus T. Mende
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Auf dem Abstellgleis: Die Züge auf der Frankenbahn rauschen an Unterschüpf vorbei ohne zu halten – ebenso an drei weiteren Kommunen. © Klaus T. Mende

Odenwald-Tauber. Vier Ortsvorsteher fühlen sich mit ihren Kommunen und dem dazugehörigen „Hinterland“ aufs Abstellgleis geschoben – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Martin Herrmann (Hirschlanden), Ferdinand Eck (Schweigern), Stefan Graf (Unterschüpf) und Andre Zahner (Sachsenflur) setzen sich vehement für eine Reaktivierung des jeweiligen Haltepunkts an der Frankenbahn ein. Ihre Bemühungen fallen aber nicht auf fruchtbaren Boden – und so bleiben mehr als 6000 Menschen entlang der Strecke von einem direkten Bahnanschluss ausgeschlossen. „Diese Ignoranz ärgert uns maßlos“, äußert sich das Quartett bei einem Pressegespräch mit dem FN-Reporter. „Denn das Potenzial, viele Schüler und Berufstätige auf die Schiene zu bringen, wäre vorhanden. Doch anscheinend besteht kein wirkliches Interesse daran, alles zu tun, um jene 500 Fahrgäste zu erreichen, die für den dauerhaften Betrieb des Stundentakts nötig sind.“

Komplett herausgefallen

Was die vier besonders entsetzt, ist der Umstand, dass ihre Kommunen in der Fortschreibung des Positions- und Forderungspapiers „Zukunft der Frankenbahn“ bei den Infrastrukturmaßnahmen an den Stationen komplett herausgefallen sind. Deswegen zeigen ihre Daumen nach unten, Herrmann, Eck, Graf und Zahner sind auch nicht davon überzeugt, dass der Probebetrieb unter den gegenwärtigen Umständen über Dezember 2023 hinaus verlängert wird.

Unterzeichnung steht bevor

Die Landräte Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald) und Christoph Schauder (Main-Tauber) sowie die Bürgermeister von acht Kommunen entlang der Frankenbahn (Adelsheim, Ahorn, Boxberg, Grünsfeld, Lauda-Königshofen, Osterburken, Rosenberg und Wittighausen) wollen am Freitag, 2. Dezember, um 11 Uhr am Bahnhof Königshofen dieses Positionspapier unterzeichnen und das Land zur Umsetzung von elf Baumaßnahmen mit einer Gesamtinvestitionssumme von knapp 50 Millionen Euro bewegen. Allerdings aus Sicht der vier Ortsvorsteher mit dem Schönheitsfehler, dass ihre Gemeinden komplett unter den Tisch gefallen sind und somit beileibe nicht alle sich bietenden Chancen genutzt werden.

Daumen nach unten: Die Ortsvorsteher (von links) Martin Herrmann (Hirschlanden), Ferdinand Eck (Schweigern), Stefan Graf (Unterschüpf) und Andre Zahner (Sachsenflur) sind enttäuscht, dass ihre Gemeinden bei den Infrastrukturmaßnahmen keine Berücksichtigung mehr finden. © Klaus T. Mende

Martin Herrmann, seit 29 Jahren Ortsvorsteher von Hirschlanden, spricht von „Eulenspiegelei“, wenn er nur an die aktuelle Situation in seiner Gemeinde denkt. „Wir hätten allein rund 70 Schüler im Ort, die in den Zug steigen würden – wenn dies denn möglich wäre“, teilt er mit. Jene, die nach Eubigheim und Boxberg wollten, müssten aber erst mit dem Bus nach Rosenberg, dort in den Zug, um danach wieder durch Hirschlanden zu fahren. Teilweise habe der Bus an der geschlossenen Schranke warten müssen – mit der Folge, dass der Zug weg gewesen sei und die Kinder eine Stunde hätten warten müssen und deshalb zu spät zum Unterricht kommen. Die Eltern hätten jetzt „die Faxen dick“ und Fahrgemeinschaften gebildet, um ihre Kinder auf direktem Weg zur Schule zu bringen. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels eine groteske Situation – und nicht nachvollziehbar für einen grünen Verkehrsminister in Stuttgart.

Großer Ärger

Ähnlich groß ist der Ärger im Boxberger Stadtteil Schweigern. „Die Frankenbahn fährt mitten durch den Ort, aber kein Zug hält“, so Ferdinand Eck gegenüber unserer Zeitung. „Auch bei uns gibt es durchaus Potenzial, das auf die Schiene umsteigen würde – nicht nur bei den Schülern, denn wir haben eine recht junge Bevölkerungsstruktur mit steigender Tendenz. Bei uns im Ort gibt es auch 700 Arbeitsplätze, unter anderem bei 35 Selbständigen.“ Eck kritisiert, dass die vier Kommunen einfach übergangen werden, sich im Forderungskatalog nicht mehr fänden. Er ist der Überzeugung, dass es gar „kein großes Hexenwerk“ darstelle, die Haltestelle zu reaktivieren, bei einem akzeptablen Kostenrahmen. Es sei kein Problem, ebenerdig zu beiden Bahnsteigen zu gelangen. Zudem gebe es genügend Platz für Parkplätze. Es fehle allein am Wille von Politik und Bahn, die Sache in die Hand zu nehmen – zum Nachteil für den ländlichen Raum.

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Für Stefan Graf, Ortsvorsteher von Unterschüpf, wird unter den gegebenen Umständen ein Dauerbetrieb nur schwer zu realisieren sein. Auch er moniert, dass zwischen Lauda und Wölchingen kein Zug hält. Seine Kommune liege an der Strecke, bleibe jedoch auf der Strecke, ebenso aber auch Orte im Schüpfer Grund sowie die Einwohner von Dainbach. „Man muss es halt wollen, dass ein Zug hält“, betont Graf. Er hätte sich gewünscht, dass unter dem früheren Landrat Reinhard Frank mehr passiert wäre, dieser habe jedoch wenig Interesse gezeigt. Der Einsatz der Landräte Brötel und Schauder sei lobenswert, letztlich müssten aber Bahn und Land jene Impulse setzen, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden.

Kleinste Kommune an Strecke

Sachsenflur ist die kleinste Kommune entlang der Frankenbahn-Linie. Doch auch Ortsvorsteher Andre Zahner bedauert es, dass der Lauda-Königshöfer Stadtteil zugtechnisch abgehängt sei. Auch hier sei aus seiner Sicht ohne größere Probleme eine Reaktivierung des 1985 geschlossenen Haltepunktes denkbar. Und er glaubt nicht, wie seine Mitstreiter auch, dass eine solche an den Kosten scheitern würde. Es liege viel mehr am fehlenden Interesse. Doch genau das könnte den Verantwortlichen dahingehend das Genick brechen, dass die Zahl von 500 Fahrgästen/Tag bis Ende 2023 nicht erreicht wird.

Forderungkatalog

Nachfolgend ein Blick auf den Forderungskatalog der Landkreise und der acht Kommunen:

  • Verstetigung des regelmäßigen Regionalbahnverkehrs zwischen Osterburken und Lauda bei alleiniger Finanzierung durch den dafür zuständigen Aufgabenträger Land.
  • Die infrastrukturellen Maßnahmen für einen regelmäßigen RB-Verkehr zwischen Osterburken und Lauda sind zeitnah zu schaffen.
  • Sanierung und Ergänzung (zweite Bahnsteige) aller an der Strecke liegenden Stationen, zunächst jener in Betrieb. Mittelfristig Reaktivierung von stillgelegten Stationen.
  • Eingleisigen Abschnitt Züttlingen – Möckmühl beseitigen.
  • Beseitigung des Doppelbahnübergangs Königshofen.
  • Umsetzung der Vorschläge der Gutachter aus der Machbarkeitsstudie Frankenbahn zu den Infrastrukturmaßnahmen 1 bis 3 im Zeitraum bis 2030, soweit diese Main-Tauber und Neckar-Odenwald betreffen.
  • Baldige Umsetzung der Vorschläge zur Entkoppelung von Tauber- und Frankenbahn zwischen Lauda und Königshofen.

Die Ortsvorsteher üben zudem Kritik an dem Umstand, dass in all den Jahren zahlreiche Politiker aus Bund und Land vor Ort gewesen seien, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen – Entscheidendes getan habe sich jedoch nichts. Es sei ihnen ohnehin unerklärlich, warum auf der Strecke von Osterburken nach Mosbach Gemeinden eine Haltestelle bekommen hätten, die bedeutend kleiner seien als etwa Hirschlanden. Und auch zwischen Lauda und Wittighausen werde in den kommenden Jahren in Gerlachsheim, Grünsfeld, Zimmern und Wittighausen viel in die Infrastruktur investiert. Nicht dass man es diesen Kommunen nicht gönnen würde, es sei aber auffällig und nicht nachvollziehbar, dass sich der Abschnitt zwischen Lauda und Osterburken im Dornröschenschlaf befinde, schimpfen Herrmann, Eck, Graf und Zahner unisono. Stattdessen würden vom Land und von der Bahn Hürden in den Weg gestellt, die kaum überwindbar seien. „Hier wird ganz einfach viel zu kurzfristig gedacht“, wirft Martin Herrmann in die Diskussion ein, der den Doppelbetrieb – neben Zügen sind auch parallel noch Busse unterwegs – sonderbar findet.

Nicht schwarz malen

Das Ortsvorsteher-Quartett will nicht zu schwarzmalen, doch die Skepsis überwiegt. Letztlich sei es der richtige Ansatz, mehr Menschen auf die Frankenbahn zu bringen. Dies funktioniere jedoch nur, wenn der Fokus auch darauf gelegt werde, dort sinnvoll zu investieren und nicht der überwiegende Anteil der Gelder in Ballungsräume fließe. Die vier sind gespannt über die weitere Entwicklung und lassen durchblicken: „Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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