Main-Tauber-Kreis. „Carlos“ – dieser Hundename kann auf der emotionalen Ebene für jeden Vierbeiner stehen: In deutschen Haushalten lebten im Jahr 2020 laut Statistik rund 34,9 Millionen Haustiere unterschiedlichster Arten. Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Zahl der Haustiere unter deutschen Dächern um rund 3,3 Millionen Tiere angestiegen. Die Pandemie hat dem Trend sogar noch einen Schub gegeben. Als die sozialen Kontakte zwischen Menschen stark eingeschränkt waren, haben sich viele ein Haustier zugelegt.
Nackte Zahlen zunächst – hinter denen jedoch Millionen einzelner tiefer Beziehungen und Schicksale stehen. Denn ein Haustier ist für ihre Besitzer kein „Gegenstand“ oder lebendes Eigentum. Auch juristisch ist ein Tier keine bloße „Sache“, das ist dezidiert im Bürgerlichen Gesetzbuch in Paragraf 90a formuliert. Tiere werden über besondere Regelungen geschützt – der Gesetzgeber erkennt damit ihre Bedeutung und ihren „Lebenswert“ klar an.
Immer informiert sein
Eine besonders hohe Stellung haben Tiere, die im und ums Haus leben. Hier gibt es – jenseits des Juristischen – mitunter auch eine gewisse Überfürsorglichkeit, weiß der Bad Mergentheimer Veterinärmediziner Dr. Ulrich Pufe. Doch er bestätigt die eingangs zitierte Haltung von Rosemarie M. (den Namen hat die Redaktion auf Wunsch geändert): „Haustiere gehören zur Familie. Wenn sie sterben, dann hat das für die betroffenen Menschen teilweise enorme Auswirkungen“, weiß Pufe.
Aus Genuss ist Qual geworden
Im Schnitt werden Hunde zehn bis 15 Jahre alt. Das maximale Hundealter hängt vor allem von der Größe und der Rasse des Vierbeiners ab. Am ältesten werden Zwergpudel und Dackel. Doch irgendwann ist es für jedes Tier soweit: Seine letzten Tage sind angebrochen.
So war es auch bei Carlos. Das tägliche Spazierengehen – für Mensch und Hund bislang stets ein willkommener Genuss – wurde immer mehr zur Qual. Eine Krankheit wurde chronisch, dann immer aggressiver. Die Familie von Rosemarie M. musste darüber nachdenken, was mit Carlos weiter geschehen sollte. Im Gespräch mit dem Tierarzt wurde irgendwann klar: Man muss sich mit der Möglichkeit des „Einschläferns“ beschäftigen. Das war ein längerer und trauriger Prozess, der aber in der Entscheidung mündete: „Wir müssen ihn erlösen, weil der Tierarzt mit seinen schmerzlindernden Therapien auch irgendwann am Ende seiner Möglichkeiten angelangt war.“ Und dem Tier täglich bei seinem Leiden zusehen – das geht auch nicht mehr.
„Im Grunde unterscheidet sich ein Krankheitsverlauf beim Tier nicht vom Menschen“, sagt Dr. Ulrich Pufe. Degenerative Erkrankungen, massive Bewegungseinschränkungen und Schmerzen, wuchernder Krebs, schwere Lungenprobleme, ja sogar Demenz sind möglich – all das, was einen Menschen ereilen kann, kann auch einem Tier geschehen. Wenn der Tierarzt einen immer schlechteren gesundheitlichen Zustand ohne Aussicht auf eine Besserung feststellt, sucht er das klärende Gespräch mit den Besitzern.
Körperkontakt bis zuletzt
Entscheiden sich die Halter fürs erlösende Einschläfern, wird ein Termin vereinbart. Das kann in der Praxis oder zuhause sein. In der Regel berät der Veterinär auch über das, was hinterher kommt: Einäschern über eine spezialisierte Firma oder Verbleib des Tierkörpers in der Praxis. Doch auch von dort aus treten Hund oder Katze irgendwann die letzte Reise an – in eine Tierkörperbeseitigungsanlage. Auch dort wird er verbrannt.
Wie geht das Einschläfern vonstatten? Im Grunde wird ein normales Narkose- oder Schlafmittel verwendet. Dieses wird – aufs Körpergewicht hin ausgerechnet – entsprechend überdosiert gespritzt. Das Tier dämmert schnell weg, das Herz bleibt stehen, erklärt der Tierarzt. Seiner Erfahrung nach begrüßen es die Tierbesitzer, wenn sie mitbekommen, dass der Vorgang fachgerecht vonstatten gehe, sagt Pufe. Viele Besitzer stehen dem Tier beim Übergang bei, suchen den Körperkontakt bis zuletzt. Danach bleibt auch in der Praxis Zeit fürs finale Abschiednehmen. Hektik ist fehl am Platz. Wer über ein Jahrzehnt mit einem Tier intensiv zusammengelebt hat, der braucht eine abschließende Phase des Loslassens.
„Wir haben uns fürs das Einschläfern zuhause entschieden“, erzählt Rosemarie M.. Carlos wurde dann eingeäschert. „Ich konnte mir danach nicht mehr vorstellen, wieder einen Hund zu haben“, blickt sie auf eine lange Trauerphase zurück. Doch irgendwann keimte dann doch der Wunsch nach einem neuen Gefährten auf. Heute tollt „Ben“, ein Golden Retriever, in Haus und Garten herum.
Ganz besondere Beziehung
Es lässt sich also zusammenfassen: Zwischen Mensch und (Haus-) Tier gibt es eine ganz besondere emotionale Nähe. Die Redewendung vom „besten Freund des Menschen“ – sie trifft vielfach zu.
Da liegt es nahe, dass sich viele Halter fragen, was mit dem geliebten Tier nach seinem Tod geschehen soll. Der Trend zum Tierbestatter, der eine Einzel-Kremierung anbietet, nimmt zu. Auch Tierarzt Ulrich Pufe hält entsprechende Informationsbroschüren mit „Rundumservice“ für seine Kunden vor.
In der Regel geht es um Hund und Katze – aber wie sieht es mit den ebenfalls hochemotional besetzten Pferden aus? In Schwäbisch Hall gibt es seit einigen Jahren ein Unternehmen, bei dem auch Pferde in entsprechend breiten Öfen feuerbestattet werden können. In Hall liegen zwei Anlagen unmittelbar nebeneinander: das Humankrematorium am Waldfriedhof – und gleich um die Ecke das Tierkrematorium. Letzteres ist nach einer Gesetzesänderung zum Pferdekrematorium erweitert worden. Bereits 2017 wurde die Anlage als damals bundesweit einzige dieser Art eröffnet worden.
Auch Trauerrituale, die früher auf Menschen bezogen waren, werden auf Tiere angewandt. Dies ist offensichtlicher Ausdruck eines kulturellen Wandels, der den neuen oder erhöhten Status von Haustieren deutlich werden lässt. Sogar digitale Gedenkseiten können mittlerweile für die Tiere angelegt werden.
Liebevolle Erinnerungen
Von einem düstern Krematorium kann deshalb in Schwäbisch Hall keine Rede sein: Lichtdurchflutet und warm mutet das holzverkleidete Gebäude an. Alles solle der „engen Beziehung zwischen Mensch und Tier Ausdruck geben“, sagt Geschäftsführerin Sandra Lutz. Das Haustier soll in liebevoller Erinnerung bleiben, deshalb habe man die Räumlichkeiten auch innen entsprechend gestaltet. Selbstverständlich: Abschiedszeremonien können so stattfinden, wie der Kunde es wünscht. Man kann der Tiereinäscherung fast unmittelbar beiwohnen oder in einem Raum in Ruhe mit den Angehörigen warten, bis der Verbrennungsvorgang vorbei ist. Für Pferde gibt es übrigens entsprechend große Urnengefäße.
Ganz so professionell überformt muss eine Tierbestattung aber nicht sein: Rein rechtlich dürfen (kleinere) Tiere, die nicht an einer meldepflichtigen Krankheit gestorben sind, auch auf einem geeigneten eigenen Grundstück – wie etwa im Privatgarten – bestattet werden. Es muss sichergestellt werden, dass Gesundheit und Umwelt nicht durch giftige Substanzen gefährdet werden. Das Vergraben im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf fremden Grundstücken, Feldern, Wiesen oder im Wald ist nicht erlaubt.
Wie alles im Leben und Sterben hat auch eine Tiereinäscherung ihren Preis. Die Kremationskosten werden bei den Unternehmen auf das Gewicht bezogen. Sie liegen bei einer Einzeleinäscherung bei rund 100 Euro (bis zwei Kilogramm) und reichen bis 2800 Euro (über 500 Kilogramm). Hinzu kommen ggf. Überführungskosten.
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