Gesellschaft - In Baden-Württemberg soll der Sachkundenachweis für Hundehalter eingeführt werden / Schon jetzt scheiden sich die Geister daran

Hundeführerschein: „Ich bitte den Jogger, langsam zu laufen“

Nun kommt auch in Baden-Württemberg der „Hundeführerschein“. Dieser Sachkundenachweis soll Mensch und Tier gleichermaßen dienen – und sorgt schon jetzt für „Zündstoff“.

Von 
Sabine Holroyd
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Wenn der Hund bestimmt, wo’s lang geht, läuft in der Mensch-Tier-Beziehung etwas schief. © dpa

Odenwald-Tauber. Wann diese Prüfung in Theorie und Praxis eingeführt wird, wie sie aussieht, wer sie abnimmt – das steht wohl alles noch in den Sternen. Sicher ist bislang nur der Hintergrund für diesen „Führerschein“: Menschen sollen vor gefährlichen Beißattacken geschützt werden, Tiere ein art- und rassegerechtes Leben führen dürfen – mit souveränen Herrchen und Frauchen an ihrer Seite.

Schon jetzt gilt diese Prüfungspflicht in Baden-Württemberg für Besitzer so genannter „Kampfhunde“, zu denen American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier sowie deren Kreuzungen untereinander gehören. Und da geht für viele die Ungerechtigkeit schon los: Schließlich gibt es lammfromme Pit Bull Terrier, die am liebsten nur immerzu am Bauch gestreichelt werden wollen. Und da sind auf der anderen Seite aggressive Chihuahuas, die sich für den König der Welt halten und alles und jeden verbellen, der ihnen in die Quere kommt. Schuld an diesem Verhalten ist oft der Mensch, das Problem befindet sich also am anderen Ende der Leine.

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Nur für „neue“ Besitzer

Deshalb gilt dieser Sachkundenachweis dann auch für die Halter kleiner Hunde wie Chihuahuas oder Dackel. Wichtig: Den „Führerschein“ sollen nur diejenigen ablegen, die sich neu einen Hund anschaffen wollen.

Der Tierschutzverein Tauberbischofsheim und Umgebung, den wir stellvertretend für die Tierschutzvereine in der Region befragt haben, hält diesen Sachkundenachweis grundsätzlich für gut. Die Vorsitzende Elisabeth Döringer antwortete den FN Folgendes: „Die geplante Einführung eines ,Hundeführerscheins’ bewerten wir grundsätzlich positiv. So kann erreicht werden, dass zukünftige Hundebesitzer genauer mit dem Verhalten und den Bedürfnissen ihres Tieres vertraut gemacht werden. Da bisher noch nichts Genaues bekannt ist, können wir allerdings auch keine detaillierte Einschätzung abgeben. Zum einen steht noch nicht fest, in welchem Umfang theoretische und praktische Kenntnisse geprüft werden. Zum anderen ist noch zu klären, welche Organisation – zum Beispiel Behörden, Verbände und Tierärzte – dann für die praktischen Übungsstunden und die Abnahme der Prüfungen zuständig ist.“

Glücklich sieht anders aus: ein Kampfhund im Zwinger. © dpa

„Die Senioren nicht vergessen“

Der Vorsitzende des Landesseniorenrats, Eckart Hammer, ist ebenfalls für den „Hundeführerschein“, warnt aber davor, die älteren Bürger dadurch zu benachteiligen. Er sagt: „Für alleinstehende und einsame alte Menschen ist der Hund oft noch das einzige Lebewesen, das Nähe, Körperkontakt und Geborgenheit vermittelt. Sachkundenachweis und Versicherungspflicht sollten deswegen so gestaltet werden, dass die zunehmende Zahl armer alter Menschen nicht an der Hundehaltung gehindert werden“, so seine Meinung.

Wie so ein Sachkundenachweis aussehen könnte, erfährt man auf der Homepage des Berufsverbands der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV): „Dieser Führerschein wurde entwickelt, um dem Halter die Möglichkeit zur Dokumentation zu geben, dass er seinen Hund im Alltag sicher unter Kontrolle hat und weder andere Menschen noch Hunde gefährdet. In der Prüfung müssen die Hundehalter dies in typischen Alltagssituationen unter Beweis stellen und außerdem Fragen über gesetzliche Regelungen, Lernverhalten und Kommunikation von Hunden, Verhalten des Besitzers in der Öffentlichkeit sowie Gesundheit und Aufzucht von Hunden beantworten.“

„Wie verhalten Sie sich, wenn . . .“

In Niedersachsen, wo dieser Sachkundenachweis seit 2013 Pflicht ist, wird der BHV-Führerschein als „Zeugnis“ anerkannt. Fragen im Theorieteil lauten etwa wie diese: „Wie verhalten Sie sich, wenn Ihnen ein Jogger entgegenkommt und Ihr Hund frei läuft?“

Als Antworten werden angeboten: „Ich brauche nichts zu unternehmen, weil mein Hund höchstens zu dem Jogger hinläuft, ihn aber nicht belästigt oder beißt.“ – „Ich rufe meinen Hund zu mir, leine ihn an und lasse ihn erst wieder los, wenn ich sicher weiß, dass er den Jogger nicht verfolgen wird.“ – „Ich renne ein Stückchen mit dem Jogger mit. Das lenkt meinen Hund vom Jogger ab, denn er konzentriert sich dann nur auf mich.“ – „Ich bitte den Jogger möglichst langsam zu laufen, damit er meinen Hund nicht zum Hinterherrennen verleitet.“

Im praktischen BHV-Test beobachten die Prüfer Hund und Halter in typischen Alltagssituationen – im Café, beim Bummel in der Fußgängerzone und beim Spaziergang ohne Leine im Park.

Der Hund, so die Prämisse, „darf seine Umwelt weder gefährden noch belästigen.“

High-Five für eine funktionierende „Partnerschaft“. © dpa

„Nicht die schlechteste Idee“

FN-Leser und Facebook-Nutzer diskutieren fleißig über dieses Thema. Viele sind für den „Hundeführerschein“, viele sehen ihn aber auch kritisch und befürchten eine noch größere Belastung für Hundehalter. Hier ein paar Meinungen:

„Wenn man sieht, wie manche mit ihrem Hund umgehen, ist das nicht die schlechteste Idee – nicht nur zum Schutz der Bürger, vor allem auch zum Schutz der Vierbeiner“, schreibt eine Frau.

Eine andere sagt: „Der Schein wird kaum Tierquäler verhindern und ebenso wenig Missstände in Haushalten erfassen können. Er wird den Hundehalter Geld kosten. Das Ganze ist nicht unsinnig, aber nicht ansatzweise durchführbar.“

Und wenn man durchfällt?

Ein Mann aus Külsheim fragt sich: „Was passiert mit den Hunden, deren Herrchen oder Frauchen die Prüfung nicht bestanden haben? Kommen die ins Tierheim? So viele gibt es gar nicht, dass man die Hunde alle aufnehmen könnte. Es sollte auch geprüft werden, ob das Zuhause eines Hundes auch dem Tier gerecht wird. Es muss gewährleistet sein,dass das Tier genügend Auslauf zu Hause hat. Denn, da bin ich mir ganz sicher, würde es bei sehr vielen schon scheitern. Da fängt die Tierquälerei nämlich schon an.“

Ein weiterer Nutzer schreibt: „Ich finde es gut. Persönlich habe ich keine große Erfahrung mit Hunden, schon gar nicht in der Erziehung. Aber ich würde mir auch nicht einfach plötzlich einen Hund anschaffen und mir denken: Ach, das wird schon, was soll schon schief gehen?. Ich bin mir sicher, dass man hier auch viel falsch machen kann, dass sich hier viele überschätzen und den Hund, mit dem sie nicht klar kommen, zurück ins Tierheim stecken. Ist das Tier dann durch die falsche Behandlung schon ,verzogen‘, wird es vermutlich deutlich schwieriger, es in eine neue, passende Familie zu vermitteln.“

Früh übt sich, wer ein Dream-Team werden möchte. © dpa

„Das ist nur Geldmacherei“

Eine Frau aus Eubigheim sieht den Sachkundenachweis kritisch: „Pekinesen sind stur. Testergebnis: Durchgefallen. Finde ich bekloppt. Ist Geldmacherei.“ Eine Bad Mergentheimerin stellt gleich mehrere Fragen in den Raum: „An für sich finde ich die Sache sehr gut. Oft werden Hunde falsch gehalten oder erzogen. Das Problem ist immer am anderen Ende der Leine. Ich habe mit meinem Hund auch den Hundeführerschein gemacht. Muss ich ihn jetzt mit meinen anderen vier Hunden noch mal machen und wer zahlt mir ihn dann? Muss ich ihn immer mitführen und vorzeigen, falls ich mal wieder vom Herrn vom Amt angehalten werde, um die Hundemarken vorzuzeigen? Und was passiert mit den Leuten, die es bisher geschafft haben, die Anmeldung ihres Hundes zu umgehen?“

„Wenn, dann für jedes Haustier“

Und eine Würzburgerin macht sich Gedanken über die Tierhaltung ganz allgemein: „Wenn, dann bitte für jedes Haustier. Ich will nicht wissen, wie viele Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Fische usw. ein qualvolles Dasein in Kinderzimmern ertragen müssen. Da werden Meerschweinchen in einem viel zu engen Käfig mit Kaninchen gesetzt.“

Weiter meint sie: „Ratten werden alleine gehalten statt in kleinen Rudeln . . . Ganz abgesehen von den Qualzuchten mit verkürzten und deformierten Nasen und Atemwegen bei diversen Hunde- und Katzenrassen – nur um ein putziges Aussehen zu erhalten oder das niedliche Kindchenschema zu bedienen . . .“

Eine Frau aus Wertheim fasst sich kurz mit ihrer Meinung zum kommenden „Hundeführerschein“: „Wieder etwas, das die Welt nicht braucht!“

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim

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