Main-Tauber-Kreis. Kommunikator? Moderator? „Wenn es um das Wildtier-Management geht, sehe ich mich als Kümmerer, der Kontakte und Verbindungen nutzt, um Probleme zu lösen.“ Hans-Peter Scheifele ist in seinem Element – und kommt ins Schwärmen, wenn er über den ihm neu anvertrauten Teilbereich seiner Arbeit als Förster zu sprechen kommt. Der gebürtige Süßener ist mittlerweile seit 34 Jahren für die Wälder in der Region zuständig, davon 31 Jahre als Revierleiter in Vollzeit – ein erfahrener „Haudegen“ also. Als ihm das Amt des Wildtier-Beauftragten angeboten wurde, habe er sofort zugegriffen. Er wolle als Nachfolger von Peter Kugler dessen Arbeit fortsetzen – und selbst Akzente setzen. Dazu habe er noch viel Zeit – „bis zu meiner Rente muss ich noch gut acht Jahre arbeiten“, teilt er lachend im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten mit.
„Mit dem Luchs rechne ich im Taubertal mittelfristig nicht, aber mit dem Wolf werden wir kurzfristig rechnen müssen“, ist sich Scheifele sicher. Nachdem es bei Limbach einen sicheren Wolfsnachweis gebe, gelte der nordwestliche Kreis als Präventionsgebiet. Die erste Stufe für die Hochstufung des gesamten Kreisgebietes wäre, dass es „einen sicheren Nachweis über Riss, Foto oder Hinterlassenschaft wie Kot oder Fährte gibt“. Bis dahin könnte es wirklich nicht mehr allzu lange dauern. „Wenn sich im Odenwald ein kleines Rudel bildet und die Jungtiere es verlassen müssen, kann es sein, dass eines sein neues Revier hier findet.“ Der Wildtier-Beauftragte geht davon aus, dass dies bis zum Ende seines beruflichen Wirkens der Fall sein werde.
„Unklarer Nachweis“
Einen durchziehenden Wolf habe es in der Region indes bereits gegeben, weiß Scheifele – im Raum Wertheim. „Dies nehme ich sehr ernst“, trotz der Tatsache, dass es eine Sichtung ohne Fotos, also ein „unklarer Nachweis“, gewesen sei. „Bei der Besitzerin zweier Berner Sennenhunde war nachts die Terrassenbeleuchtung angegangen – und plötzlich sah sie ein wolfähnliches Tier.“ Die beiden Vierbeiner im Wohnzimmer hätten daraufhin „verrückt“ gespielt. Und wenn jemand zwei große Hunde selbst besitze, schieden Beobachtungsmissverständnisse wohl aus. „Ich denke, die Einschätzung hier war plausibel.“
Insgesamt sei die Region aufgrund ihrer vielfältigen Landschaftsstruktur mit Wildtieren reichlich ausgestattet. Doch was verbirgt sich genau hinter dieser Bezeichnung? „Prinzipiell sind alle Tiere, die offensichtlich nicht einem Besitzer zuzuordnen und somit herrenlos sind, Wildtiere“, klärt der Fachmann auf. Die Bandbreite in der Region reiche von einem Insekt wie der Hummel bis eben hin zum Wolf.
In seiner Funktion als Wildtier-Beauftragter sieht sich Hans-Peter Scheifele in gewisser Weise dafür zuständig, dass „in der Natur der Kreislauf bei den Wildtieren funktioniert“. Er unterscheide nicht zwischen Nützlingen und Schädlingen – „das ist eine überkommene, gestrige Sicht auf die Natur“.
Immer informiert sein
Umdenken erforderlich
Klimawandel, Artensterben, Rückgang der Biodiversität – dies erfordere ein globales gesellschaftliches Umdenken. Es gehe nicht mehr darum, nützliche Arten zu fördern und schädliche zurückzudrängen oder gar auszurotten, sondern um eine Problemlösung, um ein Miteinander – „das ist der zentrale Punkte. Deswegen bin ich Kümmerer und Moderator.“ Seine Ansätze seien stets lösungsorientiert, so der 57-Jährige. „Es gilt stets, das Für und Wider abzuwägen“ Er wünsche sich gegenüber Wildtieren eine größere Gelassenheit – dies sollte man sich zu Herzen nehmen. „Es gilt, nicht eine Ausrottung zu fordern, sondern eine Lösung zu generieren.“
Die Bearbeitung von Angelegenheiten, die sich mit Wildtieren befassen, sei eine klassische Querschnittsaufgabe. Neben den Jagd- und Naturschutzbehörden seien hierbei oftmals eine Vielzahl weiterer Verwaltungsbehörden, Forschungseinrichtungen sowie Verbände betroffen. Zudem profitiere ein WTB wie Hans-Peter Scheifele einerseits von den Meldungen der Jäger und Jagdpächter, andererseits von einem exzellenten Netzwerk, das er ständig erweitere, so der Kreisforstamtsrat.
Für den Wahl-Gissigheimer sei es daher um so wichtiger, im ständigen Austausch mit seinen Kollegen in den anderen Landkreisen zu sein, wobei der Kontakt zu seinen Mitstreitern in Hohenlohe, Schwäbisch Hall, Heilbronn Stadt und Land, Neckar-Odenwald und bald Rhein-Neckar besonders eng sei – nicht nur bei der Kulisse Wolf. Jeder profitiere vom anderen, weil jeder sein Spezialgebiet habe: „Wenn die ersten Nilgänse im Main-Tauber-Kreis auftauchen, rufe ich meine Kollegin in Heilbronn an, die mir über ihre Erfahrungen berichtet.“ Es sei sein Bestreben, seine Arbeit auf eine möglichst breite Basis zu stellen, „weswegen auch mein Vorgänger Peter Kugler noch in unser Netzwerk eng mit eingebunden ist.“
Für Hans-Peter Scheifele liegt der besondere Reiz, als Förster im Allgemeinen und als Wildtier-Beauftragter im Besonderen tätig zu sein, darin, dass „man eine ganz langfristige Aktion in der Natur beeinflussen kann“. Gegenwärtig müsse bedacht werden, was in 100 Jahren sei. „Um das heute zu bedenken, braucht man eine sehr breit aufgestellte Qualifikation“, die von Geologie, Standort- und Pflanzenkunde, Biologie und Jagd über Arbeitslehre, Maschinentechnik bis hin zu Marktanalyse für Holzprodukte alles umfasse.
Weitere Facette
Die Arbeit als Wildtier-Beauftragter sei eine weitere Facette, die ihm leicht falle. „Als Förster wird man von Anfang an trainiert, großer Generalist zu ein, um so Zusammenhänge zu sehen“, so seine Begründung. Dies sei es auch, was in der Natur und im Umgang mit Wildtieren wichtig sei – „der Blick auf das große Ganze“. In diesem Metier dürfe man sich nicht von einfachen Lösungen verführen lassen. Stattdessen gelte es – nicht endlos – weiterzusuchen, um für alle Seiten eine tragbare Entscheidung zu fällen.
Die Tätigkeit als Wildtier-Beauftragter bezeichnet Hans-Peter Scheifele „ein bisschen wie eine Wundertüte“, bei der ständig neue Situation aufploppten, die sämtlich unterschiedlich seien. „Und dann bedarf es einer angemessenen Reaktion, einer Moderation, einer Suche nach der Problemlösung.“
Wenn Hans-Peter Scheifele unterwegs ist, dann ist sein Weimaraner Vollgebrauchshund „Hägar vom Jakobshof“ sein treuer Begleiter. „Es ist ein Traum, einen Beruf zu haben, bei dem man seinen Hund ständig mitnehmen kann“ – der für den nötigen Ausgleich sorge. Bei den Wildtieren indes habe er kein Lieblingsexemplar. „Hier darf es keine Unterschiede in der Wahrnehmung geben. Ich denke nur in Arten – nicht in großen, starken oder kleinen, überflüssigen Tieren“, sagt der passionierte Naturmensch abschließend.
Jedes Tier habe schließlich seine Daseinsberechtigung – auch der Wolf.
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