Bad Mergentheim. Tapsige Schritte, flauschiges Fell, Kulleraugen – und es gibt in diesem Jahr eine ganze Menge von ihnen: Baby-Katzen (Kitten), die verwaist oder durch einen blöden Zufall von Mutter und Geschwistern getrennt im Tierheim Bad Mergentheim landen. Doch nicht nur dort platzen die Katzenunterkünfte aktuell aus allen Nähten. Auch die Tierheime in den Nachbar-Landkreisen, die Katzenhilfen und privaten Pflegestellen sind durch die Kittenschwemme völlig überfüllt.
Ein weiteres großes Problem: Fast alle ankommenden Tiere sind verwurmt, verfloht und verschnupft. Nicht wenige kämpfen mit Unterernährung und benötigen die Flasche. Neben dem hohen personellen Aufwand kommt der finanzielle dazu. Katzenelend, wohin man schaut. Dabei könnte durch eine flächendeckende Katzenkastration so leicht Abhilfe geschaffen werden.
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„Wir beobachten in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg an verwilderten, ausgesetzten und entlaufenen Katzen – und das trotz tatkräftiger Unterstützung durch die Nachbarvereine und Katzenliebhaber, die auf eigene Kosten Katzen einfangen, kastrieren lassen und danach an Futterstellen weiter betreuen“, berichtet Jasmin Paul, die zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Mergentheim und Umgebung, zu dem auch das hiesige Tierheim unterhalb der Igersheimer Burg Neuhaus gehört.
Waren es 2020 insgesamt 227 Fund- und Abgabekatzen, wurde dieser Wert in diesem Jahr bereits am 4. November erreicht. Katzenkinder, so genannte Kitten, machen in diesem Jahr knapp 48,5 Prozent aus. Zieht man die erwachsenen Katzen aus Kastrationsaktionen ab, die nach dem Eingriff wieder in die Freiheit entlassen werden, machen die Katzenkinder in diesem Jahr sogar knapp 71 Prozent der Tierheim-Katzen aus.
Zum Vergleich: 2020 waren es nur 41 Prozent. 2021 – ein Babyboom-Jahr und das trotz umfangreicher Kastrationsaktionen in den Vorjahren, bei denen durchschnittlich 90 bis 100 wildlebende Katzen pro Jahr auf Kosten des Tierschutzvereins kastriert und wieder zurückgebracht wurden.
Besonders viele herrenlose Katzen und Kitten gibt es in diesem Jahr laut Statistik in Bad Mergentheim (82), Weikersheim (62) und Niederstetten (35) – insbesondere in kleinen Teilorten und Weilern.
Die Hotspots im Vorjahr waren ebenfalls Bad Mergentheim (89) und Weikersheim (37) sowie zusätzlich Boxberg (43). Zu den vom Tierschutzverein Bad Mergentheim erhobenen Zahlen kommt die enorme Dunkelziffer, weil sich engagierte Privatpersonen in den Städten und Gemeinden um Kastration, medizinische Versorgung und Fütterung von wildlebenden Streunerkatzen kümmern.
„Solche tierlieben, engagierten Menschen sind einfach unbezahlbar. Ohne sie gäbe es in der Gegend noch viel mehr Katzenelend und ungewollten Katzennachwuchs. Ein tierisches Dankeschön für Euren Einsatz“, lobt Jasmin Paul.
Herrenlos?
Doch was tun, wenn einfach ein Garten- oder Scheunenbesitzer beziehungsweise sonstige Tierfreunde eine herrenlose Katze sichten? „Die Tiere zu füttern, ist zwar auf den ersten Blick eine tolle Unterstützung, aber unterm Strich nur Wegbereiter für noch mehr Katzenelend im Landkreis“, so Jasmin Paul: „Wer herrenlosen beziehungsweise verwilderten Samtpfoten wirklich helfen will, sollte sich telefonisch im für seinen Wohnort zuständigen Tierheim melden. Die Tierpflegerinnen erklären dann das weitere Vorgehen, also wie man die Katzen anfüttert, in einer Lebendfalle fängt, sie dann zum abgesprochenen Tierarzt bringt und wie es danach für die Tiere weitergeht.“
Sind die Tiere nicht gekennzeichnet (Chip oder eine Ohrtätowierung) und damit der Besitzer nicht ermittelbar, werden sie auf Kosten des Tierschutzvereins medizinisch durchgecheckt, kastriert und nach Gesundung entweder wieder in die Freiheit entlassen oder ins Tierheim als Vermittlungskatze übernommen. „Das entscheiden wir von Fall zu Fall“, erklärt die zweite Vorsitzende.
Paul: „Eine frei lebende, erwachsene Katzen mit einer offensichtlichen Scheu vor Menschen nach der Kastration dauerhaft im Tierheim beziehungsweise in einer Wohnung unterzubringen, lehnen wir aus Tierschutzsicht ab. Fundkitten haben allerdings in den ersten Lebenswochen noch gute Chancen, sich an den Umgang mit Menschen zu gewöhnen und werden daher von uns liebevoll gepäppelt und auf ihr Leben bei Herrchen oder Frauchen vorbereitet.“
Doch egal um welche Art von Fundkatze es sich handelt: Bei den Kosten wird das Tierheim Bad Mergentheim im Main-Tauber-Kreis von acht Städten und Gemeinden – das sind Bad Mergentheim, Weikersheim, Igersheim, Lauda-Königshofen, Boxberg, Assamstadt, Ahorn und Niederstetten – über den so genannten Fundtiervertrag mit 0,80 Euro pro Einwohner pro Jahr finanziell unterstützt. In den umliegenden Städten und Gemeinden sind die Tierschutzvereine Tauberbischofsheim, Hohenlohe und Würzburg zuständig. In Creglingen kümmert sich die Stadtverwaltung selbst um die Unterbringung und Versorgung von Fundkatzen.
Teure Angelegenheit
„Die Versorgung der Streunerkatzen ist für die Tierschützer eine kostspielige Angelegenheit. Die Kosten für die medizinische Versorgung der Tiere steigen von Jahr zu Jahr und stellen für den kleinen Tierschutzverein ein ernsthaftes Problem dar. So lagen allein die reinen Tierarztkosten im vergangen Jahr bei 53 000 Euro netto. Ohne die Unterstützung und Spendenbereitschaft der Bürger hier im Main-Tauber-Kreis wäre die Tierschutzarbeit vor Ort gar nicht mehr zu finanzieren“, so Jasmin Paul.
Im Tierheim sind aktuell mit 20 Tieren in der Quarantänestation keine Kapazitäten mehr frei für Fund- oder Abgabetiere, die aus Infektionsschutzgründen alle zuerst dort aufgenommen werden. Weitere zehn Jungtiere, die per Flasche aufgezogen worden sind, befinden sich momentan in drei Pflegestellen.
Es bestehe dringender Bedarf an weiteren Pflegestellen, um mehr bedürftige Findlinge aufnehmen und aufziehen zu können, so Paul: „Wir möchten daher nachdrücklich an die Katzenhalter in der Region appellieren: Egal ob Bauernhofkatze, Samtpfote mit Freigang in einem Teilort oder Stubentiger in der Stadt – lasst Eure Tiere kastrieren und kennzeichnen. Helf uns dabei, dass weniger ungewollte Kätzchen draußen ums Überleben kämpfen müssen und das Katzenelend ganz allgemein im Main-Tauber-Kreis nachhaltig zu bekämpfen.“ jp
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