Die kommenden Jahre bergen zahlreiche Unwägbarkeiten für die kommunalen Haushalte. Zwar war auch kurz vor der Corona-Pandemie abzusehen, dass sich der wirtschaftliche Höhenflug ein wenig abflacht, dennoch: Die Steuereinnahmen sprudelten, den Kommunen und Landkreisen ging es richtig gut. Die Fränkischen Nachrichten fragten Landrat Christoph Schauder, wie er den Main-Tauber-Kreis aufgestellt sieht.
Die Kommunen und damit auch der Main-Tauber-Kreis stehen im Zuge der Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen. Welche finanziellen Daumenschrauben befürchten Sie für den Landkreis, wenn schon das Land viele Vorhaben unter Vorbehalt stellt?
Christoph Schauder: Die Corona-Pandemie ist eine weltweite Katastrophe, die es so in der jüngeren Geschichte der Menschheit nicht gegeben hat. Für mich ist klar, dass die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren nicht mehr so kräftig sprudeln werden wie in der Zeit vor Corona. Das hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun, doch es gibt einfach zu viele Unbekannte in der Gleichung. Wichtig für uns als Main-Tauber-Kreis ist, dass geplante Investitionen immer sehr frühzeitig auf ihre Folgekosten überprüft werden müssen. Das ist für mich elementar für eine solide Haushaltspolitik. Wenn wir das in den nächsten Jahren umsetzen, kann trotz aller Unwägbarkeiten eine hohe Investitionstätigkeit des Kreises stattfinden. Aber – und das gehört zur Ehrlichkeit dazu: Wir können derzeit nicht seriös abschätzen, welche konkreten Belastungen die Corona-Pandemie für die öffentlichen Haushalte mit sich bringt. Deshalb müssen wir auf Sicht fahren. Wichtig ist mir auch, dass wir bei allen Überlegungen die Leistungsfähigkeit der Kommunen im Blick haben.
Haben Sie bei anstehenden Investitionen Prioritäten?
Schauder: Die Investitionen ins Berufliche Schulzentrum Wertheim, die Straßenmeisterei Külsheim und das Bursariat II in Bronnbach sind Investitionen, die es so in der Geschichte des Main-Tauber-Kreises noch nicht gab. Da reden wir von rund 70 Millionen Euro. Deswegen steht für mich ein engmaschiges Projektcontrolling ganz oben auf der Prioritätenliste. Was mir wirklich Sorge bereitet ist die momentane Entwicklung auf dem Baupreissektor. Wichtiges Projekt in den nächsten Jahren ist die Entwicklung unserer 463 Kilometer Kreisstraßen. In dem Kontext müssen wir uns auch über den Radwegeausbau unterhalten. Außerdem muss die digitale Infrastruktur, auch innerhalb unserer Verwaltung, strukturiert ausgebaut werden. Und dann steht in den nächsten Jahren noch die Ertüchtigung unseres Schulstandortes in Tauberbischofsheim auf der Agenda – und dazu stehe ich.
Für den Kreisbürger scheint der Ausbau des Bursariats II zum Hotel am Unwichtigsten von all den Projekten zu sein. Denn wer geht schon in ein Hotel vor der Haustür? Wie argumentieren Sie, dass so viel Geld nach Bronnbach fließt?
Schauder: Das Kloster Bronnbach besitzt für den ganzen Main-Tauber-Kreis Strahlkraft. Das ist mir wichtig zu betonen. Der Tourismus ist für unseren Landkreis ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. Hinzu kommt, dass der Tourismus eine klassische Querschnittsbranche ist. Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der nicht direkt oder indirekt vom Tourismus profitiert. Von Gästen, die nach Bronnbach kommen, haben auch andere Städte und Gemeinden im Main-Tauber-Kreis ihren Nutzen. Damit wird die Top-Urlaubsregion Main-Tauber-Kreis gestärkt. Aber, und das muss man mit aller Deutlichkeit sagen: Der Hotelausbau ist eine Freiwilligkeitsleistung. Deswegen werde ich in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem Kreistag genau darauf achten, dass die Erfüllung unserer Pflichtaufgaben nicht darunter leidet. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen.
Der ÖPNV wurde in den vergangenen Jahren bereits enorm ausgebaut, das Rufbus-System eingeführt. Gerade mit Blick auf den Klimawandel sollen noch mehr Menschen den ÖPNV nutzen. Wie sieht es bei der Frankenbahn und der Zukunft des Stundentakts aus?
Schauder: Die Frankenbahn ist ein wichtiges Projekt. Zunächst müssen wir uns im Klaren sein, dass wir – der Main-Tauber- und der Neckar-Odenwald-Kreis – mit kreiskommunalen Mitteln eine originäre Landesaufgabe mitfinanzieren. Allein für den Main-Tauber-Kreis bedeutet dies pro Jahr 1,1 Millionen Euro. Hinzu kommen bis zu 650 000 Euro für den auf den Frankenbahntakt abgestimmten Busverkehr. Das ist in der Summe viel, aber gut investiertes Geld. Ein attraktiver Bahnverkehr ist kein exklusives Privileg von Ballungsräumen. Allerdings haben wir bei der Frankenbahn das Thema, dass die Leistungsausfälle in den vergangenen Jahren und die rückläufigen Fahrgastzahlen im Zusammenhang mit Corona nicht den tatsächlichen Nutzungsbedarf widerspiegeln. Wenn es jetzt darum geht, das Fahrgastaufkommen zu dokumentieren, muss das auch berücksichtigt werden. Der Neckar-Odenwald- und der Main-Tauber-Kreis stimmen sich in dieser Thematik sehr eng ab. Wir möchten, dass der Probebetrieb auf der Frankenbahn in eine vom Land finanzierte dauerhafte Lösung überführt wird. Mit dem Kollegen Dr. Brötel habe ich hierzu vor Kurzem ein Gespräch mit dem neuen Amtschef im Verkehrsministerium geführt. Dabei haben wir verschiedene konstruktive Ansätze diskutiert, die nun auf Fachebene genauer geprüft werden. Im Herbst möchten wir den Dialog fortsetzen. Sowohl wir Landräte als auch das Ministerium sind optimistisch, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Es war von allen Seiten der Wille spürbar, eine langfristige Lösung für einen attraktiven Bahnverkehr auf der Frankenbahn zu finden.
Wie sieht es mit der Ertüchtigung der Bahnstationen aus?
Schauder: Das ist ein leidiges Thema, aber da müssen wir vorankommen. Zu einem attraktiven Bahnverkehr gehören nicht nur verlässliche Zugverbindungen, sondern auch ansprechende Bahnstationen.
Ein ganz anderes Thema. Wir sind ein waldarmer Landkreis und dem Wald geht es aufgrund der Trockenheit in den vergangenen Jahren nicht gut. Was ist zu tun?
Schauder: Jeder, der in unsere Wälder schaut, muss erkennen, dass der Klimawandel Realität ist und kein Hirngespinst. Für uns im Main-Tauber-Kreis sind wir vor allem im Raum Bad Mergentheim sehr stark betroffen. Für den Landkreis heißt das, dass wir neben klassischen Aufforstungsmaßnahmen auch überlegen müssen, ob es nicht Sinn ergibt, andere Baumarten in unserer Raumschaft anzusiedeln. Hier muss es auch darum gehen, dass wir als Landkreis einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Da haben wir uns bereits ein gutes Konzept gegeben, dass es in den nächsten Jahren sukzessive umzusetzen gilt.
Gehören die Begriffe Biodiversität und Bio-Musterregion für Sie mit Blick auf den Landkreis zusammen?
Schauder: Biodiversität, also die Vielfalt des Lebensraums der Ökosysteme, und die Landwirtschaft gehören jetzt schon zusammen. Wenn wir verstärkt das Thema Bio-Musterregion angehen, kann man das nicht voneinander trennen. Bio-Musterrion heißt Förderung der Bio-Landwirtschaft mit Maß und Ziel und nicht kopflos. Es geht nicht darum, die Biolandwirtschaft und die konventionelle Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen. Beides hat gerade in unserer Raumschaft seine Daseinsberechtigung. Jeder und jede soll sich nur einmal vorstellen, wie unsere Kulturlandschaft aussehen würde, wenn wir nicht eine konventionelle Landwirtschaft hätten, die bereits schon einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. Jetzt geht es darum, Biodiversität und Bio-Musterregion in den nächsten Jahren weiter zu verzahnen.
Wir sind eine Tourismus- und Wirtschaftsregion. Wo sollte der Landkreis in fünf Jahren stehen?
Schauder: Der Main-Tauber-Kreis steht in vielen Bereichen an der Spitze Baden-Württembergs. Wir haben eine extrem hohe Weltmarktführerdichte, einen gesunden Mittelstand und sind eine der Top-Urlaubsregionen. Ich bin davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie große Auswirkungen auf das Reiseverhalten haben wird. Das Thema Inlandtourismus wird einen ganz anderen Stellenwert haben. Und deswegen müssen wir unsere Produktlinien mit Qualität und Konsequenz weiter entwickeln. Ich bin überzeugt, dass sich in den kommenden Jahren viele Familien umorientieren werden. Das hängt auch mit der Baupreisentwicklung in Ballungszentren zusammen, die durch die Decke gegangen sind. Da haben wir einen echten Standortvorteil. Der zweite Punkt ist der Breitbandausbau. Hier sind wir im Vergleich zur Region in einer Spitzenposition. Deswegen werden wir die Vorzüge des Main-Tauber-Kreises gerade für junge Familien und Nachwuchskräfte noch stärker in den Vordergrund rücken.
Wann wird jeder Glasfaser im Haus haben?
Schauder: Der Landkreis und die 18 Kommunen haben sich für den Ausbau durch die BBV entschieden, die die Breitbanderschließung in den kommenden Jahren eigenwirtschaftlich vorantreiben wird. Die 18 Städte und Gemeinden und der Landkreis haben bereits eine Kooperationsvereinbarung mit der BBV abgeschlossen, jetzt geht es in die Vorvermarktungsphase. Danach werden wir richtig Fahrt aufnehmen.
Wie lauten Ihre Ziele für die nächsten Jahre?
Schauder: Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben, erkenne Themen und Probleme. Wenn wir in den nächsten Jahren klug agieren – und mit „wir“ meine ich den Kreistag gemeinsam mit der Landkreisverwaltung als Team – können wir weiter wichtige Projekte auf die Schiene setzen. Da sehe ich uns auf einem guten Weg.
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