Hardheim. „Was kann die einzige Gemeinde Deutschlands mit einer eigenen Rakete sonst noch aufweisen?“, lautete eine der Fragen, welche die Fränkischen Nachrichten im Rahmen ihrer Serie „75 Jahre – FN on Tour“ dem Bürgermeister von Hardheim gestellt haben. „Krankenhaus, Bundeswehr, Familien, Vereine“: Das waren – neben dem „Ariane V“-Modell auf dem Wurmberg – nur einige der Begriffe, die Volker Rohm spontan aufzählte, bevor er etwas weiter ausholte und über die vielen Dinge, die Hardheim „lebens- und liebenswert“ machen, geradezu ins Schwärmen gerät.
„Da ist zunächst die reizvolle Lage zwischen dem offenen Bauland und den Höhen und Tälern des Odenwalds“. Hardheim sei mit den Schönheiten beider Landschaften gesegnet. „Wir haben warme Weinbauverhältnisse in den Wacholderheiden und Laubwäldern des oberen Erftals, aber auch tiefe und dunkle Wälder mit vielen, kilometerlangen Wanderwegen für den Erholungssuchenden. Darüber hinaus, so der 59-Jährige, sei Hardheim geschichtlich und baulich interessant. Dominierend sei beispielsweise der Erftaldom, faszinierend das Schloss als Sitz der Verwaltung. Sehenswert darüber hinaus die Zehntscheuer, der Steinerne Turm, die Burgruine in Schweinberg, die Kappel bei Dornberg, aber auch die Keltenschanze bei Gerichtstetten. „Allesamt Zeugnisse einer langen Geschichte – die bei uns erhalten und greifbar sind.“
Im Vergleich dazu eher „modern“ sei die Ariane-Rakete, ein Alleinstellungsmerkmal mit Bezug zum Weltraumpionier Walter Hohmann.
Wenige 100 Meter Luftlinie weiter – auf der anderen Seite der B 27, die von Mosbach/Buchen/Walldürn in Richtung Tauberbischofsheim durch Hardheim verläuft – beginnt das Bundeswehr-Terrain: „Hardheim ist eine Garnisonsgemeinde“ – und das nicht erst, seit im September 2020 die ersten vier Kampfpanzer in der Carl-Schurz-Kaserne eintrafen. Bis Ende 2022 soll das Panzerbataillon 363, das sich zurzeit im Aufbau befindet, eine Stärke von fast 500 Soldaten erreichen.
Als „eine Rarität“ bezeichnete Rohm das „kleine, kommunale Krankenhaus“, auf das die „Hordemer“ stolz sind – und dessen Erweiterungsumbau vor einigen Monaten abgeschlossen wurde.
Hardheim sei nicht ohne Grund besonders für Familien attraktiv – auf der einen Seite wegen seines regen Vereinslebens, auf der anderen wegen des tollen Betreuungs- und Schulangebots für Kinder und Jugendliche.
Mehr als 80 Vereine gibt es in der Gesamtgemeinde. Ob Sport- oder Musikbegeisterte, echte Naturburschen – beispielsweise die Mitglieder des Odenwaldclubs, der IG Mühlenradweg und der Mountainbike-Gruppe – oder an Kultur Interessierte: „Es ist für jeden etwas dabei.“
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Der „Steinerne Turm“ (von circa 1200) in der Walldürner Straße ist das einzige Überbleibsel der 1444 teilweise zerstörten und danach zerfallenen Unteren Burg. Die Burg war ein bewehrter Landsitz, umzogen mit Mauer und Wassergraben, und befand sich zwischen der heutigen Holzgasse und der Riedstraße.
Die Gemeinde Hardheim hat 13 herausragenden Persönlichkeiten das Ehrenbürgerrecht verliehen, die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde zu vergeben hat.
Zu den Persönlichkeiten, die weit über das Erftal hinaus bekannt sind, zählt Dr.-Ing. Walter Hohmann (1880-1945). Der Wegbereiter der Raumfahrt wurde in Hardheim geboren. Seine Berechnungen sind noch heute der Grundstein für die Raumfahrt.
Neben den Kirchen und historischen Gasthäusern („Gasthaus Ochsen“ und „Wohlfahrtsmühle“) zählt die Rakete zu Ehren von Walter Hohmann zu „den“ Sehenswürdigkeiten der Erftalgemeinde.
Im Laufe des Jahres finden in Hardheim im März der traditionelle Josefsmarkt, im Juni das Hardheimer Sommerfest, im Oktober der Wendelinusmarkt mit Direktvermarktertagen und am ersten Adventswochenende der Weihnachtsmarkt statt. mem
Für die jüngsten Einwohner gibt es in den Kindergärten ein umfassendes Betreuungsangebot, das bald durch einen Waldkindergarten ergänzt werden soll. Die Eröffnung ist fürs Frühjahr 2022 geplant. Für die Größeren bietet der Walter-Hohmann-Schulverbund unter dem neuen Leiter Steven Bundschuh neben dem Ganztagsschulbetrieb an der Grundschule die Möglichkeit, an der Realschule die Mittlere Reife abzuschließen. Der Hort deckt Randzeiten ab, um berufstätigen Eltern den Rücken frei zuhalten. Apropos berufstätig: In der Gemeinde gibt es attraktive Arbeitgeber aus nahezu allen Bereichen – von A wie Automobilzulieferer bis Z wie Zahnarzt.
„Was uns – wie viele der bereits aufgezählten Dinge – ebenfalls besonders macht, ist unser völlig neues Konzept“, so Rohm, der das „jüngste Kind“ beim Namen nannte: „Wir holen die Einkaufsmärkte in unser Zentrum.“ Neben Norma (am Ortsausgang Richtung Schweinberg) werden sich – einhergehend mit der Umgestaltung des „Erfaparks“ – Rewe und Aldi in der „neuen Mitte“ ansiedeln. „So soll im Zentrum, dem Ortskern und somit rund um den Bürgermeister-Schmider-Platz, wieder eine richtige Belebung stattfinden.
Von der Umgestaltung sollen nach dem Wunsch des Gemeinderats alle partizipieren – die alteingesessenen Gewerbetreibenden ebenso wie jene, die ihre Pforten dort neu eröffnen werden: „Darunter hoffentlich wieder eine Apotheke, darüber hinaus ein Drogeriemarkt – und möglichst eine Gastronomie.“
Wie die Hardheimer „ticken“? Er sei kein Ur-„Hordemer“, sondern ein „Reing’schmeckter“, der aber seit mehr als 30 Jahren in der Gemeinde wohne, nahm Rohm vorweg und erklärte, dass sich die „Hordemer“ durch ihre offene, herzliche Art auszeichnen. „In den Ortsteilen gibt es ein gesundes Selbstbewusstsein“, so der 59-Jährige, das tue dem Miteinander aber keinen Abbruch, sondern sei vielmehr „befruchtend“. Spontan fiel ihm der Weihnachtsmarkt in Gerichtstetten ein, ebenso wie das „Selbstvermarkter-Engagement“ in Schweinberg.
Zahlen und Fakten
Höhe: 250 Meter über NHN
Fläche: 87,08 km2
Einwohner: 6708 (31. 3. 2021)
Bevölkerungsdichte: 77 Einwohner je km2
Postleitzahl: 74736
Vorwahl: 06283; für Gerichtstetten 06296, für Erfeld 09340
Kfz-Kennzeichen: MOS, BCH
Siedlungs- und Verkehrsfläche: 8,77 km2
Landwirtschaftsfläche: 46,33 km2
Waldfläche: 31,46 km2
Wasserfläche: 0,46 km2
Gemeindegliederung: Kerngemeinde mit den acht umliegenden Ortsteilen Bretzingen, Dornberg, Erfeld, Gerichtstetten, Weiler Rüdental, Rütschdorf, Schweinberg und Vollmersdorf
Partnergemeinden: Müntschemier (Schweiz, seit 1976), Suippes (Frankreich, seit 1966)
Homepage: www.hardheim.de
Die Sanierung der Verbandskläranlage bezeichnete der Bürgermeister als aktuell größtes Einzelprojekt seiner Gemeinde. Hinzu kämen aber unzählige weitere. Beispielsweise in den Schulen. „Da gibt es immer was zu tun – gerade in Sachen Digitalisierung, Breitband-Anbindung und dem damit einhergehenden pädagogischen Medienplan.“
Neben der Belebung des Ortskerns durch die Ansiedlung von Märkten zähle der Bau eines Kreisels am Ortseingang von Schweinberg kommend ebenso zu den „dicken Brettern, die es zu bohren gilt“, wie die Einrichtung einer 30er-Zone im Durchgangsverkehr.
Hinzu komme die Suche nach einem neuen Standort für die Freiwillige Feuerwehr in Hardheim – und natürlich das Anbieten von Bauplätzen, denn: „Die Nachfrage ist groß.“ Was wiederum der guten Infrastruktur Hardheims – mit Krankenhaus, Schulen, intaktem Vereinsleben, „mit der uns umgebenden Natur und dem damit einhergehenden hohen Freizeitwert“ und den Märkten und Festen im Jahresverlauf, verbunden mit der Chance auf preiswertes Wohnen und den Möglichkeiten der Digitalisierung – zuzuschreiben sei.
Viele weitere Projekte, wie die Erweiterung der Bibliothek, die Neugestaltung der Friedhöfe und eine Konzeptüberarbeitung des Heimatmuseums seien auf den Weg gebracht. „Wir haben gut zu tun. Die Ideen gehen uns nicht aus.“ Und so sieht Bürgermeister Rohm, der vor wenigen Wochen sein 40-Jahr-Jubiläum im öffentlichen Dienst feierte, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft Hardheims gestellt. Wenngleich er offen ließ, ob er die Geschicke der Gemeinde weiterführen oder mit dem Ende seiner achtjährigen Amtszeit in andere Hände legen wird.
Info: Weitere Bilder gibt es unter www.fnweb.de in einer Galerie.
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