Von McKinsey über HVB und Unicredit zum Chef der Deutschen Börse in Frankfurt am Main: Dr. Theodor Weimer hat es in vielen Branchen weit gebracht – und das mit dem entsprechenden Erfolg. Der gebürtige Wertheimer hat aber nie vergessen, wo seine Wurzeln sind, wie er im Interview mit den Fränkischen Nachrichten hervorhebt.
Herr Dr. Weimer, wie definieren Sie für sich den Begriff Heimat?
Dr. Weimer: Klassisch – dort, wo ich aufgewachsen bin und meine erste Sozialisierung erfahren habe – in Wertheim. Die Vergangenheit ist Teil meines Lebens – emotional und rational nicht wegzudenken. Persönlich und als moderner Nomade interpretiere ich Heimat als den Ort, an dem meine Familie ihren Lebensmittelpunkt hat.
Hegen Sie in der Gegenwart heimatliche Gefühle?
Dr. Weimer: Offen gesagt eher wenige. Emotional werde ich in Hinblick auf Heimat nur, wenn ich sehe, wie meine „große Raumheimat Deutschland“ sich derzeit entwickelt. Da läuft vieles falsch.
Bleibt Ihnen zwischen all den ganzen Terminen, die Sie in Ihrem Amt als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse fordern, noch genügend Zeit, um mal in sich zu gehen und richtig abschalten zu können?
Dr. Weimer: Bei mir verwischt die Grenze zwischen beruflichem und privatem Leben. Ich trenne nicht zwischen Arbeiten und Leben. Ich lebe in der Arbeit. Und ich arbeite sehr gerne. Arbeit ist zumindest in meiner Position sehr kurzweilig und extrem abwechslungsreich. Kaum etwas wiederholt sich. Aber natürlich brauche auch ich meine Ruhephasen.
Wie schalten Sie konkret vom bisweilen recht stressigen Berufsalltag ab?
Dr. Weimer: Die letzten Jahre am ehesten durch Sport. Ich liebe mein Mountainbike und mein Rennrad. Das Klavierspielen kommt zu kurz, leider.
Wie oft sind Sie noch im Tauber- und Maintal zugegen, wo Sie Ihre Kindheit und Jugend verbracht haben?
Dr. Weimer: Mindestens zweimal im Monat. Samstags. Die Besuche bei meinem Vater sind zu einem Ritual geworden – für uns beide wichtig.
Welche Bedeutung hat für Sie Ihre Familie?
Dr. Weimer: Das ist zu privat, um darauf zu antworten.
In Ihrem Job stehen Sie zwangsläufig in der Öffentlichkeit und sind oft in den Medien vertreten. Welchen Bezug haben Sie zur Presse?
Dr. Weimer: Einen professionellen Bezug, also distanziert. Manchmal ärgert man sich, manchmal kommt man einigermaßen gut weg. Ein Auf und Ab – wie im richtigen Leben eben. Meine Grundüberzeugung: Bleibe authentisch. Man kann es nicht allen recht machen.
Die Fränkischen Nachrichten sind Ihre Heimatzeitung. Welche Erinnerungen hegen Sie diesbezüglich, wenn Sie an Ihre Anfangszeit in der Stadt an Main und Tauber denken?
Dr. Weimer: Mein Großvater hat die Fränkischen Nachrichten als Bürgermeister und späterer Ortsvorsteher gelesen – Tag für Tag. Sie war Teil seines Lebens. Da er in unserem Haus lebte, bin ich mit den Fränkischen Nachrichten groß geworden. Und dann verbinde ich mit der Zeitung eine für mich damals sehr peinliche Situation. Ich war gerade an der Universität Bonn zum Dr. rer. pol. promoviert worden und mein Großvater hat in der „Fränkischen“ eine Anzeige geschaltet, dass sein Enkel Theodor nunmehr seinen Doktortitel habe und er mir dazu gratuliere. Das werde ich immer mit den Fränkischen Nachrichten verbinden. Ich sehe die Anzeige noch heute vor mir.
Sehen Sie sich als Mensch eher als Vertreter der Tradition oder sagt Ihnen die Moderne mehr zu?
Dr. Weimer: Ich bin da sehr agnostisch. Es kommt darauf an. Auf der Technologie-Seite etwa wäre ich gern hypermodern. Ich probiere auch gerne alle neuen Gimmicks aus. In der Musik bin ich traditionell – ich bin ein großer Fan der klassischen Musik.
Wie schaffen Sie diesen Spagat einerseits als Person, andererseits in Ihrem fordernden Beruf?
Dr. Weimer: Das müssen andere beurteilen. Aber um im Bild zu bleiben – den Boden erreiche ich bei diesem Spagat nicht.
Wie fällt denn Ihre ganz persönliche bisherige Bilanz in beruflicher Hinsicht als ein führender Kopf auf dem deutschen Wirtschafts- und Finanzsektor der Gegenwart aus?
Dr. Weimer: Bilanz wird immer am Schluss gezogen. Und sie sollte sich nie nur auf den Beruf beziehen. Es gilt, wie ein bekannter Jesuit das bezeichnet, ein „gelungenes Leben“ zu führen. Dazu gehören drei Dinge: Die Verwirklichung in der Arbeit. Das Erfahren von erfüllten Beziehungen. Aber auch das Führen eines eigenständigen Lebens.
Haben Sie noch Träume, Visionen und Ziele, die Sie erreichen wollen als einer, der beruflich in der Vergangenheit vieles richtig gemacht und die Karriereleiter stets nach oben geklettert ist?
Dr. Weimer: Träume und Ziele bleiben hoffentlich jedem Menschen Zeit seines Lebens erhalten. Ihre Qualität ändert sich im Laufe des Lebens. Generell gilt für mich: Ich versuche einfach, jeden Tag einen guten Job zu machen, ganz gleich, was ich tue. Ich lebe im Heute.
Worin liegt für sie der besondere Reiz, in diesen nicht leichten Zeiten als Vorsitzender der Deutsche Börse Akzente zu setzen, von denen viele profitieren?
Dr. Weimer: Touché – könnte ich sagen. Sie geben ja in der Frage die Antwort vor. Im Ernst: Eine Unternehmung wie die Deutsche Börse zu gestalten und profitabel wachsen zu sehen, ist eine wunderbare Aufgabe. Auch eine große Aufgabe, denn der globale Wettbewerb ist beinhart.
Wie bewältigen Sie die beruflichen Höhenflüge, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren?
Dr. Weimer: Vergessen Sie Höhenflüge und dergleichen. Das empfinde ich so nicht. Und meine Familie als Korrektiv verhindert zuverlässig, dass ich die Bodenhaftung verliere. Glauben Sie mir, da werde ich oft genug geerdet.
Wie lautet Ihr Motto, als Kapitän die Börse auf Kurs zu halten?
Dr. Weimer: Auch da möchte ich wieder auf die Jesuiten zurückkommen. Der Gründer des Ordens, Ignatius von Loyola, hatte eine klare Vorstellung, was ein Jesuit sein sollte – ein „contemplativus in actione“ – ein Mensch, der nachdenkt und aktiv ist. Will heißen: Beides muss im Gleichgewicht stehen – das Denken und das Handeln. Ich hoffe, dies gelingt mir zum Wohle der Deutschen Börse. Verdient hätte es dieses großartige Unternehmen auf jeden Fall.
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