Die Welt ist im Grunde das Zuhause von Thomas Weich, Jahrgang 1970, und seiner Familie. Aufgewachsen in Königheim, trat er nach Abitur und anschließendem Zivildienst in Köln 1992 in das Auswärtige Amt ein. Für dieses ist er im höheren Diplomatendienst im Einsatz. „International“ ist auch seine Familie. Seine französische Ehefrau Houria hat Weich bei einem Schüleraustausch kennengelernt. Ihre Tochter Elsa-Mathilda kam 2003 in Paris auf die Welt. Sein Beruf führte Thomas Weich schon in viele Metropolen. Doch „sein“ Königheim und die hiesige Region spielen für ihn immer eine wichtige Rolle, wie er im Gespräch mit den FN verdeutlicht.
Herr Weich, Sie und Ihre Familie sind berufsbedingt schon häufig umgezogen. Verraten Sie uns, in welchen Ländern Sie bereits gelebt und gearbeitet haben und wo Sie momentan wohnen?
Thomas Weich: Meine Frau und ich waren in Neu Delhi, Mailand, Paris, Jerusalem, Rabat, Brüssel „auf Posten“, momentan sind wir in Ankara. Gegenwärtig bin ich Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft in der Türkei. Als Diplomat bin ich Generalist, das heißt, bei jedem neuen Einsatz wechsle ich nicht nur das Land, sondern in der Regel auch den Arbeitsbereich.
Empfindet man nach so vielen Ortswechseln über Tausende Kilometer hinweg noch Gefühle für die „alte Heimat“?
Weich: Ich bin in der ganzen Welt zuhause, aber in Königheim daheim. Ich meine damit, dass ich die zwei Pole brauche, nämlich meinen geliebten Beruf, der mich zwingend in die große weite Welt führt, und das idyllische Königheim mit der wunderbaren Natur und dem fränkischen Barock. Bin ich in Ankara, fallen mir neue Projekte ein, die ich in Königheim in Angriff nehmen könnte. Bin ich in Königheim und arbeite auf den Streuobstwiesen, bekomme ich wiederum Inspirationen für meinen diplomatischen Einsatz. Beides ergänzt sich ganz wunderbar.
Ist Heimatliebe angesichts globaler Vernetzungen und der heute in vielen Bereichen herrschenden Schnelllebigkeit Ihrer Meinung nach überhaupt noch zeitgemäß?
Weich: Vielleicht empfinde ich „Heimat“ aufgrund unserer vielen Auslandsaufenthalte sogar etwas intensiver als Menschen, die immer nur an einem Ort wohnen. Zumindest hilft der „Blick von außen“, den Wert zu schätzen. Heimat ist für mich ein Gefühl der Vertrautheit, ein Bouquet aus Gerüchen, Geräuschen, Geschmack, Farben, Dialekt, Begegnungen.
Ich erinnere mich zum Beispiel noch sehr genau an die Stimmungen, als ich meine Mutter in den 1970er Jahren zum Herbsten begleitete, wie das selbst gebackene Brot und die Hausmacher Wurst schmeckten, an die Gerüche in den Scheunen und Kellergewölben, in denen wir als Kinder spielten. Ich liebe die Landschaft, den Duktus von Weinbergen, Streuobstwiesen und Wäldern, das Dorf mit seiner Geschichte, den Weinhöfen, den Madonnen und Heiligenbildern, und ich mag die Menschen hier. Meine prägendsten zehn Kindheitsjahre habe ich in Königheim verbracht, mein Vater war hier als Lehrer, Künstler und Heimatforscher besonders aktiv.
Auch in den Jahren, als meine Familie kein Domizil in Königheim hatte, führte jeder Deutschlandaufenthalt zuerst nach Königheim und ins Haigertal.
Spielt Heimat bei Ihrer Arbeit eine Rolle? Schließlich repräsentieren Sie Deutschland im Ausland.
Weich: Heimat spielt bei meiner Arbeit natürlich eine Rolle. In meinem Büro hängen Bilder von Königheim und unserem Haus. Unseren ausländischen Gästen servieren wir seit jeher Wein und Sekt aus Königheim. Außerdem schleppen wir ein Hippeneisen mit uns durch die Welt und backen für unsere Gäste Hohlhippen nach einem alten Königheimer Rezept.
Haben Sie manchmal Heimweh?
Weich: Wenn ich nicht in Königheim bin, vermisse ich die Mohnzöpfe von der Bäckerei Achstetter – und zwar jeden Morgen. Ansonsten: Wenn mich die Sehnsucht packt, schicken mir Freunde Fotos von den Weinbergen und den Wiesen auf das Handy. Ich bedauere zutiefst, dass nachts nicht mehr der Glockenschlag des Königheimer Kirchturms zu hören ist. Hier ist uns ein gutes Stück Heimat geraubt worden.
Sie und Ihre Familie haben in Königheim, wo Sie einige Jahre ihrer Kindheit verbracht haben, das ehemalige Gasthaus „Zum güldenen Löwen“ gekauft und saniert. Ist das lediglich Ausdruck Ihres Faibles für historische Gebäude oder auch ein sichtbares Zeichen Ihrer Verbundenheit mit der Gemeinde und der Region?
Weich: Eigentlich leben wir eher in zeitgenössischen Gebäuden. Die Entscheidung, den barocken „Güldenen Löwen“ zu restaurieren, hängt ausschließlich mit Königheim und der Geschichte des Hauses zusammen. Hinzu kommt, dass ich ein durch und durch überzeugter „Ortskern-Wohner” bin. Schon als Kind war ich vom „Güldenen Löwen“ beziehungsweise vom Haus Menko Groß (daher nannten die Königheimer das Anwesen noch bis in die Nachkriegszeit „Menke-Haus“) ganz fasziniert. Es war in den 1970er Jahren schon in einem schlechten Zustand und wirkte mit dem alten Weinstock davor wie verwunschen. Bei jedem Königheim-Besuch musste ich feststellen, dass der Zustand des Hauses immer schlechter wurde. Irgendwann konnte und wollte ich das Drama nicht mehr mit ansehen, wie mit dem Haus das Dorfbild und die Ortsgeschichte einfach so preisgegeben wurden. Zum Glück unterstützte mich meine wunderbare Frau so aktiv und tatkräftig darin, das Haus zu erwerben und zu restaurieren.
Können Sie sich vorstellen, nach einem Leben in Großstädten jemals wieder ins dagegen beschauliche Tauber- oder Brehmbachtal zu ziehen?
Weich: Königheim wird auch in Zukunft definitiv der Fixpunkt in unserem unsteten Leben bleiben. Wenn wir ab nächsten Sommer von Ankara nach Berlin umziehen, möchten wir möglichst viel Zeit hier verbringen.
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie sich an ihre Zeit in Königheim – und an die Fränkischen Nachrichten als Heimatzeitung – erinnern?
Weich: Die Fränkischen Nachrichten waren natürlich fester Bestandteil meiner Königheimer Kindheit. Ich habe sehr präsente Erinnerungen an die wöchentlichen Besorgungsfahrten nach Tauberbischofsheim und das imposante Haus der FN mit den Aushangkästen. Diese hatten mich als Kind immer besonders fasziniert und ich wollte so etwas auch zuhause haben.
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