Main-Tauber-Kreis. Seit nahezu zwei Jahren ist Corona das bestimmende Thema. Es belastet, es gefährdet, es lähmt, es kostet Leben und Unsummen an Geld. Bei der Jahresabschlusssitzung des Kreistags am Mittwoch in der Tauberbischofsheimer Stadthalle befasste sich auch das Gremium mit der Pandemie. In den Haushaltsreden distanzierten sich die Fraktionsvorsitzenden klar von der als Spaziergang titulierten Demonstration unter dem Motto „Stoppt die Impfdiktatur“ vom Bad Mergentheimer Marktplatz zum Caritas Krankenhaus.
Respekt zollte Ute Schindler-Neidlein (SPD) denjenigen, die sich unermüdlich bis an die Grenzen ihrer Kräfte tagtäglich im Kampf gegen die Pandemie einsetzen. Sie verurteilte den Fackel-Aufmarsch in Sachsen ebenso wie „undemokratische Kräfte“, die sich am vergangenen Sonntag in Bad Mergentheim zusammengerottet hätten, „um das von allen Fachleuten geforderte Impfen niederzubrüllen“.
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Gefahr für die Demokratie
Schindler-Neidlein kritisierte diese Bewegung als antidemokratische „Rechte Flügel“-Partei, die von Diktatur spreche und dabei eine eigene Diktatur ihrer Lesart herstellen möchte. „Diese Partei und ihre Anhänger aller rechtsradikalen Schattierungen versuchen, Teile der Bevölkerung vom demokratischen Konsens zu lösen und bringen unser Land und unsere Demokratie in Gefahr“, so die SPD-Fraktionschefin.
„Mir fehlt jedes Verständnis, wie man hier Protest und Querdenken auf den Schild heben kann“, sagte Klaus Kornberger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, zum Thema „Impfen“, bei dem nach wie vor Überzeugungsarbeit zu leisten sei. Probleme, vor allem in den Krankenhäusern, entstünden nicht durch die Geimpften, sondern durch die nicht geimpften Menschen, so Kornberger. „Die Gesellschaft funktioniert nur durch das Mitmachen der großen Mehrheit“, stellte er fest.
Als nicht nachvollziehbar, unverantwortlich und nicht akzeptabel bezeichnete der CDU-Fraktionsvorsitzende Manfred Schaffert die AfD-Demo. Er habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass vor dem Krankenhaus, in dem Menschen arbeiten und Leben retten, aufmarschiert werde. Rainer Moritz bezeichnete den AfD-Aufruf als „perfide und unerhört“.
Roland Ehrmann von der AfD ging nicht auf die von seiner Partei initiierte Demonstration ein. Er sprach sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung von Pflegekräften aus und plädierte für eine Glaubwürdigkeit der Politik, um eine Polarisierung der Gesellschaft zu vermeiden. Dafür stehe er ein, so Ehrmann. Es dürfe nicht riskiert werden, dass das Vertrauen in den Staat gefährdet werde, meinte er.
Klar bekannten sich mit Ausnahme der AfD alle zum Impfen und begrüßten das Vier-Säulen-Modell im Main-Tauber-Kreis, das sich derzeit im Aufbau befindet. „Die voreilige Schließung der Impfzentren durch das Land war ein katastrophaler Fehler und hätte schneller korrigiert werden müssen“, so Albrecht Rudolf von der FDP.
Dem stimmte Landrat Christoph Schauder zu und wiederholte, dass der Landkreis dem Land das Angebot offeriert hätte, das Impfzentrum in Bad Mergentheim offen zu halten, was allerdings abgelehnt worden sei. „Impfen ist der richtige Weg aus der Pandemie“, so Schauder, der klar bekannte: „Ich setze mich für die Impfpflicht ein.“
Hubert Segeritz (Freie Wähler) regte zur Versachlichung an, das Landratsamt möge in seinen Pressemitteilungen den Anteil an Geimpften und Nichtgeimpften auf den Intensivstationen der Krankenhäuser im Landkreis aufnehmen. Da in der Bevölkerung etwa zwei Drittel geimpft seien, bedeute das statistisch für einen Nichtgeimpften ein mehr als zehnfaches Risiko gegenüber einem Geimpften wegen Corona auf einer Intensivstation zu landen. Für ihn stelle dieser Fakt ein klares Votum für das Impfen dar, so Segeritz, weil damit nicht nur der Einzelne ein geringeres Risiko eines schweren Verlaufs habe, sondern auch die Intensivstationen entlastet würden.
Landrat Christoph Schauder erklärte, dass die Kontaktverfolgung auf neue Füße gestellt worden sei und sich dieses Management auf Personen in Gemeinschafts- oder Pflegeeinrichtungen beschränke. Er sagte jedoch zu, prüfen zu wollen, inwieweit eine engmaschigere Berichterstattung möglich sei.
Nachfrage übersteigt Angebot
Markus Herrera Torrez (SPD) erläuterte die Unzufriedenheit in Wertheim über ein ausreichendes Impfangebot und fragte, wie an Termine zu kommen sei und wann das Angebot an der Rotkreuzklinik starte. „Die Nachfrage übersteigt derzeit das Angebot“, lautete die Antwort des Landrats. Die staatliche Komponente werde sukzessive ausgebaut und die Kreise und Kommunen holen für das Land die Kohlen aus dem Feuer“, erläuterte er. Schauder versprach aber, alles daran zu setzen, damit nach Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim das dritte Impfangebot in Wertheim starten könne. Und er verwies auf eine große Impfaktion am Samstag, 11. Dezember, in der Main-Tauber-Halle in Wertheim. Auch das Impfangebot in der Königshöfer Tauberfranken-Halle soll noch vor Weihnachten verfügbar sein. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Schauder.
Bei den Impfangeboten sei zunächst ohne eine Terminvereinbarung begonnen worden. Mittlerweile gebe es aber ein Online-Tool des Landkreises. Viele Termine, die aufgrund der Impfstoffzuweisung nicht langfristig planbar sind, seien aber sehr schnell ausgebucht.
Großes Lob allenthalben gab es für das Engagement und den aufopferungsbereiten Einsatz von Ärzten und Pflegekräften.
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