Wertheim. Anfang November stellte die Stadtverwaltung dem Gemeinderat die Auswirkungen der Grundsteuerform vor, wenn sie – wie es den gesetzlichen Vorgaben entspricht – unterm Strich genauso viel einnimmt, wie es bisher der Fall war (Aufkommensneutralität). Der Hebesatz für die Grundsteuer B müsste bei 590 Prozent liegen, um weiterhin 4,1 Millionen Euro einnehmen zu können.
Es war klar, dass es für die Finanzierung des Defizits der Notfallversorgung im neuen Bürgerspital einen weiteren Schritt wird geben müssen, mit dem die Erträge aus der Abgabe erhöht werden. Der Gemeinderat stimmte diesem Schritt nun am Montag mit großer Mehrheit zu. Statt 590 Prozent wird der Hebesatz ab dem neuen Jahr 645 Prozent betragen, was zusätzliche 395 000 Euro in die Stadtkasse spülen soll und einer Erhöhung von neun bis zehn Prozentpunkten entspricht. Die Mehrheit des Gemeinderats und die Verwaltung hatten sich laut Sitzungsvorlage Mitte November bei der Klausurtagung zum Haushalt darauf geeinigt.
Finanzchef Helmut Wießner appellierte am Montag an das Gremium, die Steuererhöhung noch im alten Jahr zu billigen, damit man die neuen Steuerbescheide verschicken kann. Eine Verzögerung würde bedeuten, dass innerhalb kurzer Zeit zwei Mal 10 000 Bescheide angefertigt und versendet werden müssten. Wegen der begrenzten Personalressourcen sei das nicht zu schaffen.
Ingo Ortel (SPD) kündigte an, das Vorgehen abzulehnen. Die Steuererhöhung werde zum falschen Zeitpunkt beschlossen; „weil noch nicht klar ist, was uns erwartet“. Bisher gebe es keine konkreten Zusagen des Landkreises und der Nachbarkommunen, der Stadt bei dem Vorhaben unter die Arme zu greifen. Wenn die Notaufnahme im neuen Bürgerspital doch nicht eingerichtet werden kann, wären 2,7 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen, die nicht benötigt würden. Jonathan Klüpfel sah dies ähnlich und sprach sich gegen die Erhöhung aus.
Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez erinnerte das Gremium an die Vorgeschichte. Er habe bereits bei den Diskussionen um die mögliche Rekommunalisierung des Krankenhauses angekündigt, dass dafür Einnahmesteigerungen im Haushalt notwendig seien. Auch später, als es um den Zuschuss für die Notfallversorgung im Bürgerspital ging, sei klar gewesen, dass es ohne Steuererhöhungen nicht funktioniere.
Mirco Göbel (SPD) sagte, man müsse das Thema vom Bürgerspital entkoppeln. Das Regierungspräsidium habe bemängelt, dass auch ohne den Zuschuss für das Krankenhaus die Haushaltslage strukturell angespannt wäre. Die Grundsteuererhöhung sei deshalb für die Finanzierung des Haushalts generell wichtig. OB Herrera Torrez widersprach: Er teile diese Einschätzung nicht.
„Bisher nur Luftschlösser gebaut“
Katharina Saur (Grüne) schloss sich hingegen Mirco Göbel an. Das Regierungspräsidium fordere eine Verbesserung der Einnahmeseite des Haushalts mit oder ohne Krankenhaus. Steuerbescheide zwei Mal binnen kürzester Zeit zu verschicken sei „völliger Quatsch“.
Stefan Kempf (Bürgerliste) sprach sich gegen die Erhöhung aus: „Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“
Was das Thema Bürgerspital und Notfallversorgung angehe, seien „bisher nur Luftschlösser gebaut“ worden. Man erhöhe die Steuer „ohne Not und ohne zu wissen, ob wir das jemals benötigen“.
Jochen Müssig (CDU) sagte, das Regierungspräsidium habe generell eine Finanzierungslücke von vier bis fünf Millionen Euro im Haushalt bemängelt. Die Steuererhöhung sei deshalb in der Höhe angemessen und mit Hinblick auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung „von der Bürgerschaft durchaus leistbar“.
Songrit Breuninger (Freie Bürger) sagte, es sei „keine leichte Entscheidung“. Generell sei ärgerlich, dass die Lasten bei der Grundsteuer wegen der Regelungen in Baden-Württemberg künftig ungleich verteilt werden.
Der Gemeinderat stimmte schließlich der Steuererhöhung gegen die vier Stimmen der Bürgerliste und der von Ingo Ortel zu.
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