FN-Exklusivinterview

Rotkreuzklinik Wertheim: „Helfende Hand des Kreises bleibt ausgestreckt“

Der Landkreis wird Wertheim bei der Übernahme der Klinik unterstützen, versichert Landrat Christoph Schauder im FN-Gespräch. Die Stadt müsse aber zunächst nachvollziehbare Zahlen vorlegen.

Von 
Gerd Weimer und Fabian Greulich
Lesedauer: 
Erstmals spricht Landrat Christoph Schauder (rechts) öffentlich über die Rolle des Kreises bei der Rettung der Wertheimer Rotkreuzklinik. FN-Reporter Gerd Weimer (links) und Chefredakteur Fabian Greulich stellten die Fragen. © Christoph Obel

Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Der Landkreis wird Wertheim bei der Übernahme der Klinik unterstützen, versichert Landrat Christoph Schauder im FN-Gespräch. Die Stadt müsse aber zunächst nachvollziehbare Zahlen vorlegen.

Lange hat sich Landrat Christoph Schauder bei der Kommunikation zur Zukunft der Wertheimer Rotkreuzklinik sehr zurückgehalten – zum Unmut vieler Beteiligter. Auf der Kundgebung am Samstag in Wertheim, an der über 2000 Menschen teilgenommen haben, stand er massiv in der Kritik. In einem exklusiven Interview mit den Fränkischen Nachrichten nahm er nun erstmals ausführlicher Stellung.

Herr Schauder, Sie haben in der Angelegenheit Rotkreuzklinik ziemlich defensiv kommuniziert. Schildern Sie noch einmal kurz, warum Sie sich nur vage zur Rotkreuzklinik geäußert haben?

Christoph Schauder: Krankenhausdebatten sind niemals angenehm. Hier geht es verständlicherweise um die Sorgen und Ängste der Menschen, nämlich im Falle eines Notfalls keine oder nur verspätet Hilfe zu bekommen. Sorgen und Ängste haben zudem die betroffenen Mitarbeitenden. Ich konnte bisher leider nur zurückhaltend kommunizieren, um das Insolvenzverfahren nicht zu gefährden, beispielsweise indem mögliche Investoren abgeschreckt werden. Man hat im Rahmen der Fachklinik-Diskussion gesehen, wie schnell dies geschehen kann. Insoweit musste ich meine Äußerungen genau abwägen. Dass diese Vorgehensweise auf Kritik stößt, ist verständlich. Ich sehe aber keine Alternative, denn eine andere Herangehensweise wäre geeignet gewesen, eine Rettung des Krankenhausstandortes Wertheim zu erschweren. Gleichwohl habe ich bereits bei Beginn des Schutzschirmverfahrens klar und unmissverständlich gesagt, dass ich mir eine Rettung der Rotkreuzklinik wünsche. Mit der Entscheidung der Stadt Wertheim, mit dem Insolvenzverwalter über eine Rekommunalisierung ihres ehemaligen städtischen Krankenhauses zu verhandeln, haben wir mittlerweile eine andere Lage, die es dem Landkreis und mir möglich macht, offener zu kommunizieren.

Mehr zum Thema

Rotkreuzklinik Wertheim

Rotkreuzklinik: Stadt Wertheim steigt in Verhandlungen ein

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Filmbeitrag

FN-Video von Kundgebung für Erhalt des Krankenhauses

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren
Gesundheitspolitik

Rotkreuzklinik: 2000 Menschen bei Kundgebung in Wertheim

Veröffentlicht
Von
Kai Grottenthaler
Mehr erfahren

Es gab in den vergangenen Wochen viel Kritik an Ihrer Person – besonders auf der Kundgebung am Samstag. Wäre es nicht doch besser gewesen, Sie hätten sich vor Ort gezeigt und den Menschen Ihre Sicht der Dinge erklärt?

Schauder: Die Absage meiner Teilnahme an der Kundgebung war keine einfache Entscheidung. Gerade wenn man genau weiß, dass man dafür viel Kritik einstecken muss. Als Landrat muss man aber bereit sein, auch dies in Kauf zu nehmen, um das übergeordnete Ziel nicht zu gefährden. Befremdlich ist aber, wenn von der Stadt bei der Kundgebung der Eindruck erweckt wird „Wir (Gemeinderat und Verwaltung) arbeiten seit Monaten an einer Lösung. Es fehlt aber an Antworten aus Tauberbischofsheim.“ Dies ist ein unnötiges Schwarze-Peter-Spiel, das für eine Rettung der Rotkreuzklinik nicht hilfreich ist. Ich werde darauf nicht einsteigen, weil es zu keiner Lösung beiträgt. Man kann mit der Positionierung des Landkreises nicht einverstanden sein, aber eines kann man uns sicherlich nicht vorhalten, nämlich ständig den Kurs zu ändern. Wir haben von Anfang an klaren Kurs gehalten und gesagt, was mit uns wie möglich ist und was eben nicht möglich ist.

Protest auf dem Wertheimer Marktplatz.

Würden Sie im Nachhinein sagen, dass Sie Fehler gemacht haben?

Schauder: Wir haben von Anfang an klar, offen und transparent kommuniziert. Klar haben wir unsere Kommunikationsstrategie in den vergangenen Tagen kritisch überprüft. Wir sind nicht von unserer Linie abgewichen: Alle Gesprächspartner wussten von Beginn, woran sie sind. Niemand ist frei von Fehlern. Auch im Nachhinein bleibe ich dabei: Die Absage war alternativlos.

Der Wertheimer Gemeinderat sagt unisono, die Zahlen würden die Notwendigkeit des Krankenhauses als Grund- und Regelversorger belegen. Haben Sie daran Zweifel?

Schauder: Dass sich die Wertheimer Kommunalpolitik positioniert, ist verständlich. Ich halte nichts davon, in eine Zahlendiskussion einzusteigen. Dies wird den Wünschen der Bevölkerung nicht gerecht, zumal über Einstufungen von Krankenhäusern nicht der Landkreis sondern das Land Baden-Württemberg entscheidet. Ich bin davon überzeugt, dass mit einem im Rahmen des Insolvenzverfahrens angepassten Versorgungskonzept und der Stadt als neuer Betreiberin – gerade wegen ihrer guten Verbindungen zur Wertheimer Ärzteschaft – die Rotkreuzklinik wieder in ruhigeres Fahrwasser gelenkt werden kann.

Der Gemeinderat hat am Montag beschlossen, Verhandlungen zur Übernahme der Klinik zu führen. Die Rekommunalisierung des Hauses sei aber nur möglich, wenn der Landkreis 40 Prozent der Verluste übernimmt. Wie ist Ihre Position dazu?

Schauder: Die Stadt möchte als Betreiberin der Rotkreuzklinik auftreten und damit an die lange Tradition als städtisches Krankenhaus anknüpfen, was bereits wegen der finanziellen Verpflichtungen gegenüber ihren früheren Mitarbeitenden nachvollziehbar ist. Im Übrigen ist sie – im Gegensatz zum Landkreis – eng in das Insolvenzverfahren eingebunden. Zudem hat sie einen Sitz im Aufsichtsrat der aktuellen Betreibergesellschaft. Darüber hinaus haben sich die großen Hoffnungen der Stadt, die diese an die Schwesternschaft München als bisherige Betreiberin hatte, nicht erfüllt. Die Gesundheitsholding Tauberfranken (GHTF), hier ist der Landkreis Mitgesellschafter, hat frühzeitig umfangreiche Unterstützungsleistungen in den Sekundär- und Tertiärbereichen zum Weiterbetrieb der Klinik angeboten. Damit möchten wir einen werthaltigen Beitrag leisten. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn die Stadt die Trägerschaft übernimmt.

Mehr zum Thema

Wertheim Es steht viel auf dem Spiel

Veröffentlicht
Kommentar von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Im Landtag

Antrag der SPD zur Wertheimer Rotkreuzklinik

Veröffentlicht
Von
spd
Mehr erfahren
Zukunft der Rotkreuzklinik

Rotkreuzklinik Wertheim: Landrat droht mit Rechtsstreit

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren

Was bedeuten Sekundär- und Tertiärbereich?

Schauder: Zu den Sekundärbereichen gehören beispielsweise Apotheke, Labor und Radiologie, zu den Tertiärbereichen beispielsweise Küche und Hauswirtschaft. Diese Unterstützungsleistungen wären geeignet, die wirtschaftliche Situation der Rotkreuzklinik wesentlich zu verbessern. Die eigentliche medizinische Versorgung, der primäre Bereich, muss durch den künftigen Klinikbetreiber sichergestellt werden. Diese Unterstützungsleistungen sind für das kleine Haus in Wertheim keinesfalls unerheblich und werden sicherlich noch bedeutender, wenn die Bettenanzahl verringert werden soll. Wenn jetzt Klarheit im Hinblick auf die weiteren Verhandlungen der Stadt mit dem Insolvenzverwalter herrscht, bietet die GHTF an, diese Gespräche aufzunehmen. Die Wertheimer Klinik muss eine große Logistik vorhalten, was auf das finanzielle Ergebnis drückt. In der Holding haben wir einen starken Verbund, der helfen könnte, die Kosten zu senken. Ich habe in den vergangenen Monaten zahlreiche, vertrauliche Gespräche mit OB Markus Herrera Torrez geführt. Die Stadt steht bei der Thematik Rotkreuzklinik enorm unter Handlungsdruck. Ohne die Vertraulichkeit zu verletzen, kann ich sagen, dass ich dem OB bereits frühzeitig signalisiert habe, eine Bitte der Stadt Wertheim im Hinblick auf eine finanzielle Unterstützung durch den Landkreis lösungsorientiert zu begleiten, was insbesondere auch heißt, in unseren Gremien – diese hätten darüber zu entscheiden – für einen praktikablen Ausgleich zu werben. Dies gehört für mich als Landrat zu den Grundpfeilern meines Amtsverständnisses. Es muss nun geklärt werden, was die 40 Prozent der Verluste konkret bedeuten. In diesem Kontext ist auch zu bedenken, dass die Auswirkungen etwaiger logistischer Unterstützung durch die GHTF noch nicht berücksichtigt sind und die Schwesternschaft sich am Verlustausgleich beteiligen soll. Es wird nun Aufgabe der Stadt Wertheim sein, hier nachvollziehbare Berechnungen vorzulegen.

Der Wertheimer Optimist vor dem Eingang der Rotkreuzklinik. © Gerd Weimer

Eine Pflichtträgerschaft des Landkreises lehnen Sie ab. Sie wollen dagegen sogar juristisch vorgehen. Ist es nicht zu einfach, dieses Thema auf juristischer Ebene zu behandeln? Die Menschen wollen ja Lösungen sehen und erwarten, dass die Verantwortlichen solche finden.

Schauder: Bei der Frage einer Pflichtträgerschaft geht es – vereinfacht ausgedrückt – um die Frage „Sind im Kreisgebiet insgesamt genug leistungsfähige Krankenhausstrukturen vorhanden?“ Entfernungen sind nicht die entscheidende Größe. Der Wegfall eines Hauses – egal wo es sich befindet – führt demnach nicht automatisch zu einer Pflichtträgerschaft. Im Main-Tauber-Kreis haben wir, was die Kliniklandschaft angeht, eine Sonderstellung. Das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim fungiert als Zentralversorger. Das hat bei weitem nicht jeder Landkreis. Das Tauberbischofsheimer Krankenhaus ist Pflichtversorger der Psychiatrie. Ohne eine starke Innere Abteilung funktioniert das nicht, so dass es zum Bereich Grund- und Regelversorgung gehört. Viele Kreise im Land beneiden uns um diese Struktur. Diese Sonderstellung führt dazu, dass eine Pflichtträgerschaft gar nicht ausgelöst werden kann. Diese Thematik ist in Stuttgart zu klären, und mir liegen keine Hinweise vor, dass die Frage einer Pflichtträgerschaft relevant ist. Um es klar zu sagen: Das heißt ausdrücklich nicht, dass der Weiterbetrieb der Rotkreuzklinik nicht sinnvoll ist. Ich fand diese Debatte stets unnötig, weil sie den Blick auf das Offensichtliche, nämlich die Rekommunalisierung in städtische Trägerschaft, vernebelt hat.

Entfernungen spielen bei der Pflichtträgerschaft Ihrer Ansicht nach keine Rolle. Für Patienten mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall spielen Entfernungen eine sehr wichtige Rolle. Ein Patient – beispielsweise aus Rauenberg – müsste Entfernungen von über 50 Minuten in Kauf nehmen.

Schauder: Mir ging es um die Frage der Pflichtträgerschaft. Dieses Thema ist nicht geeignet, die Sorgen der Menschen zu entkräften. Im Landkreis haben wir ein gut funktionierendes Hilfeleistungssystem. Egal welche Herausforderungen in den vergangenen Monaten zu bewältigen waren, wie zum Beispiel Abmeldungen von Kliniken: Es wurde immer eine Lösung gefunden. Der Integrierten Leitstelle in Bad Mergentheim ist es immer gelungen, Patienten sicher zum Ziel zu bekommen, sei es durch den bodengebundenen Rettungsdienst als auch durch luftgebundenen, also die Helikopter. Bei der Pflichtträgerschaft geht es um ein Gesetz. Gesetzestexte sind kalt. Die besorgten Menschen möchten verständlicherweise Wärme. Diese Ängste von Leuten aus Freudenberg und Wertheim lassen mich keineswegs kalt. Deswegen hat der Landkreis von Anfang an an einer Lösung mitgearbeitet. Er torpediert hier nichts.

Wertheim ist die wirtschaftsstärkste Gemeinde im Main-Tauber-Kreis, zahlt viel Geld in die Kreiskasse. Fällt die Klinik weg, müssten die Leute hier – ähnlich wie in abgelegenen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern – sehr lange Wege zur nächsten Klinik zurücklegen. Wie entgegnen Sie dem Vorwurf, Sie vernachlässigen die Interessen des Nordens?

Schauder: Es ist auch eine Tatsache, dass viel Geld aus der Kreiskasse nach Wertheim fließt, sei es über Sozialleistungen oder Investitionen des Landkreises. Ein Ausspielen der Regionen des Landkreises wird es bei mir jedoch nicht geben. An dem Vorwurf ist im Übrigen nichts dran. Wir stellen uns auch der Herausforderung im Zusammenhang mit der Rotkreuzklinik, indem die GHTF und damit auch der Landkreis – unabhängig von Zuständigkeitsfragen – für sinnvolle und werthaltige Kooperationen zur Verfügung steht.

Demonstrantin kritisiert Landrat Schauder und fordert OB Herrera Torrez zum Handeln auf.

Es gibt das Gerücht, Sie würden insgeheim mit Gesundheitsminister Manfred Lucha eine Stärkung des Notfallstandorts in Tauberbischofsheim planen. In Wertheim würde es dann nur eine Art Verteilstation geben. Was ist dran an dem Gerücht?

Schauder: Minister Lucha ist für mich ein geschätzter und wichtiger Gesprächspartner. Ich kann klar sagen, dass an diesem Gerücht nichts dran ist.

Wie könnte aus Ihrer Sicht Stand heute eine Lösung für die Menschen der Region aussehen, wenn das Wertheimer Krankenhaus doch schließen muss oder dort eine Fachklinik entsteht?

Schauder: Zunächst können sich die Menschen darauf verlassen, dass der Landkreis weiter mit Ruhe und Besonnenheit – zusammen mit seinen Partnern in der GHTF – zum Wohle der Menschen handeln wird. Das ist mir auch wichtig, dies gegenüber den 2100 Krankenhausmitarbeitern in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim zu betonen, gerade wenn man bedenkt, welch teilweise absurden Planspiele in den vergangenen Wochen auf dem Gerüchtebasar zu hören waren. Darüber hinaus kann man sich darauf verlassen, dass wir uns weiter lösungsorientiert bei einer Rettung der Rotkreuzklinik einbringen. Jeder, der mich kennt, weiß, wie werthaltig und belastbar diese Aussage ist. Ich sitze hier nicht in meinem Büro und hecke dunkle Pläne aus. Man kennt mich. Die Bevölkerung weiß, dass ich als Erster Landbeamter und als Landrat daran mitgearbeitet habe, mit Ruhe und Besonnenheit durch die dunklen Jahre der Pandemie zu kommen. Die Stadt Wertheim kann den Prozess hin zur Rettung der Rotkreuzklinik dadurch unterstützen, indem sie trotz des enormen Drucks, der auf ihr lastet, kommunikatives Fingerspitzengefühl an den Tag legt. Mit anderen Worten: Verbal abrüsten, Sachlichkeit bewahren und mit der öffentlichen Kommunikation von Zahlen zurückhaltend sein. Lasst uns keine Schärfe in die Debatte bringen, so dass keine alten Gräben aufgerissen werden, die in den letzten 50 Jahren zugeschüttet wurden. Die helfende Hand des Landkreises bleibt ausgestreckt!

Redaktion Reporter Wertheim

Redaktion FN-Chefredakteur

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke