Wertheim. Der Weg steht offen. Doch in der Angelegenheit sind noch viele Fragen zu klären. Wie Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez bei einer Pressekonferenz am Dienstagmittag sagte, wird die Stadt in konkrete Verhandlungen mit der Schwesternschaft München und dem Insolvenzverwalter zu einer Übernahme der Rotkreuzklinik einsteigen. Zuvor werde man eine entsprechende Absichtserklärung vereinbaren. Die Klinik soll weiterhin für die Grund- und Regelversorgung zuständig sein und eine Notfallaufnahme betreiben. Dies habe der Gemeinderat bei seiner nichtöffentlichen Sitzung am Montagabend einstimmig beschlossen.
Über fünf Stunden habe das Kommunalparlament getagt, berichtete der OB. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Klinik hätte man aber nicht treffen können. Dafür sei das Thema zu komplex. „Aber der Gemeinderat hat die klare Richtung vorgegeben“, betonte Herrera Torrez. Die Verwaltung sei nun beauftragt, eine baldige Grundsatzentscheidung vorzubereiten. Ziel sei es, diese „im Laufe des März“ zu treffen, so der OB auf Nachfrage.
Übernahme zum 1. Juli?
Ob dies gelinge, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Auf jeden Fall solle der amtierende Gemeinderat die erforderlichen Beschlüsse fassen, weil es bedingt durch die Wahl im Juni zu Verzögerungen kommen könnte. Sollten alle Voraussetzungen erfüllt sein, könne die Übernahme zum 1. Juli vonstattengehen. Insolvenzverwalter Boddenberg habe versichert, dass es „keine Frist“ gebe, innerhalb derer alles erledigt sein muss. So lange Verhandlungen erfolgen und Hoffnung besteht, gebe es keinen Termin zur Schließung des Hauses.
Wie schon bei mehreren Gelegenheiten betonte Herrera Torrez, dass die Stadt vom Landkreis, der eigentlich für die stationäre medizinische Versorgung zuständig ist, finanzielle Unterstützung benötigt. „Das würde die Leistungsfähigkeit der Stadt übersteigen“, sagte der OB. Deswegen erwarte man, dass der Kreis 40 Prozent des Defizits trägt. Die Entscheidung für eine Übernahme mache man davon abhängig, so Herrera Torrez. Bei der Finanzierung der Übernahme solle sich auch die Schwesternschaft beteiligen.
"Echte Einschnitte" für Wertheimer Bürgerschaft
Die verbliebenen 60 Prozent – gerechnet wird laut einem Gutachten mit insgesamt bis zu 49 Millionen Euro bis 2030 – würden allein schon eine sehr hohe Belastung für den Haushalt bedeuten. Die Bürgerschaft müsse sich auf „echte Einschnitte“ im laufenden Betrieb, aber auch den Investitionen einrichten. Deswegen brauche es die Unterstützung aus der Bevölkerung.
Auch in einer städtischen Trägerschaft werde sich das Krankenhaus verändern. Grund- und Regelversorgung sollen erhalten bleiben wie auch die Notfallversorgung, die Versorgungsschwerpunkte für Herzinfarkte und Schlaganfälle ebenso. Die Anzahl der Betten werde sich allerdings reduzieren müssen, von derzeit rund 170 zunächst auf 96 und mittelfristig auf 82.
Für die kommenden Wochen benötige man „Klarheit aus Stuttgart“, so der OB. Die Forderung der Stadt, die Bedarfsnotwendigkeit unmissverständlich festzustellen, bleibt aufrechterhalten“, sagte der OB. Zudem stelle sich die Frage, was die Landesregierung vorhabe, wenn die Übernahme doch nicht gelingt. Der Gemeinderat habe einstimmig beschlossen, Gesundheitsminister Manfred Lucha zu einer Sitzung einzuladen, damit er die Fragen beantworten könne.
Vor einer finalen Entscheidung im Gemeinderat werde es eine „große Bürgerversammlung geben“, um über die Auswirkungen zu informieren. In Anbetracht der zeitlichen Anforderungen sei es „schwer vorstellbar“, wie von ihm ursprünglich favorisiert, einen Bürgerentscheid abzuhalten.
Unbequeme Maßnahmen
Axel Wältz (CDU) machte klar, dass der Bedarf für das Krankenhaus gegeben sei. 70 Prozent der 11 500 in der Klinik behandelten Notfälle seien „zeitkritisch“. Andere Häuser in mehr als einer halben Autostunde Entfernung seien „zu weit weg“ – unzumutbar für die Bevölkerung. Neben der Unterstützung von Landkreis und Land benötige man dringend Fortschritte bei der Krankenhausreform.
„Ohne einen Systemwechsel wird es ein großes Krankenhaussterben geben“, prognostizierte Wältz. Die Bundesregierung müsse sich bewegen. Bis die Reform greife, „müssen wir einspringen“.
Patrick Schönig (SPD) meinte, die Datenlage lasse keine Interpretationsspielräume zu, was die Notwendigkeit der Klinik angeht. „Allerdings müssen wir bis an den Rand der Leistungsfähigkeit der Stadt herangehen“, gab Schönig zu bedenken. Es werde wegen der Belastung zu „unbequemen Maßnahmen“ kommen.
Harte Nuss
„So eine harte Nuss hatten wir noch nicht zu knacken“, sagte Songrit Breuninger (Freie Bürger), die schon einige Zeit im Gemeinderat sitzt. Sie lobte das Personal der Klinik für den Durchhaltewillen. „Es gibt nun Licht am Ende des Tunnels.“
Richard Diehm (Grüne) sagte, man könne die Bevölkerung nicht im Regen stehen lassen. Auch wenn es zu finanziellen Belastungen kommen könne, werde die Bevölkerung hinter der Rekommunalisierung stehen. In Richtung Belegschaft sagte er: „Wir stehen an Ihrer Seite.“
„Wir werden den Prozess positiv begleiten“, versprach Stefan Kempf (Bürgerliste). Seine Fraktion wolle das Krankenhaus erhalten, „allerdings nicht um jeden Preis“. Die Bürger müssten sich auf Verzicht von Leistungen und auf Abgabenerhöhungen einstellen, „wie sie es sich wahrscheinlich heute nicht vorstellen können“. „Schickt Geld“, forderte er Bund, Land, Landkreis und auch die Nachbargemeinden auf.
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