Präsenzkultur ist out. Es lebe das Homeoffice! So oder so ähnlich hat Corona die Arbeitswelt verändert. Wie die Firmen in der Region betroffen sind und was sie für die Zukunft erwarten, haben die FN nachgefragt.
Die Firma AZO in Osterburken ist ein familiengeführtes Unternehmen, das vor 72 Jahren von Adolf und Marianne Zimmermann gegründet wurde. In Deutschland gibt es vier Standorte: Osterburken, Neckarsulm, Laatzen und Neuenburg am Rhein, weltweit weitere sieben. AZO ist rund um den Globus auf dem Gebiet der Rohstoff Automation und -Logistik in Produktionsprozessen der Branchen Nahrung, Pharma, Kosmetik, Chemie und Kunststoff tätig.
Der Name Bleichert ist Markenzeichen für Fabrikautomation, Fördertechnik, Logistik- und Lagertechnik, Montage- und Verkettungstechnik. . Die Osterburkener Firma bietet Produkte für die unterschiedlichsten Anwendungszwecke und Montageprozesse. Als Generalunternehmer verbindet das Unternehmen flexible Einzelmodule zu individuellen Gesamtlösungen. Kurze Wege gehören zum Erfolgsrezept des Unternehmens.
Die Rüdinger Spedition in Krautheim mit ihren Lagern in der gesamten Region ist ein regionaler Logistikdienstleiter mit Verkehren weltweit. Als Spezialist für die Branche Maschinen- und Anlagenbau lagert und transportiert die Spedition Maschinen, gerne auch in Übergrößen, in alle Welt. In der Region ist das Unternehmen mit 500 Mitarbeitern als führender Lagerlogistiker und Stückgutspediteur bekannt.
Wie hat Ihr Unternehmen die Krise durch Corona bewältigt?
AZO: Wir haben frühzeitig zu Beginn der Pandemie 2020 einen Planungsstab eingerichtet, bestehend aus der Geschäftsführung, BR-Vorsitz, Leitung von Personalwesen und Führungskräfte anderer systemrelevanter Bereiche. Dieser Planungsstab hat sich täglich um alles Notwendige im Kontext der Pandemie gekümmert beziehungsweise tut dies immer noch mit derselben Intensität. Kundenbesuche bei AZO und auch Reisen zu Kunden waren und sind zum Teil immer noch eingeschränkt, aber dennoch möglich. Rasch wurden Testkapazitäten im Haus aufgebaut, sodass Besucher und Mitarbeiter getestet werden können.
Bleichert: Bleichert setzt sich dafür ein, auf betriebswirtschaftlicher, operativer sowie kommunikativer Ebene die Krise durch Corona zu bewältigen. Auf diese Weise konnten wir bis zum jetzigen Zeitpunkt Liquiditätsengpässe überbrücken und Arbeitsplätze erhalten. Neben dem flexiblen Arbeitszeitmodell wird den Mitarbeitenden alles an Hardware geboten, um gut und ohne technische Probleme arbeiten zu können. Homeoffice gehört zur neuen Normalität und wurde vor allem zu Beginn bereitwillig von den Mitarbeitern angenommen. Via Telefon, E-Mail und Videochat blieb man ständig in Kontakt, sodass auch persönliche Beziehungen nicht zu kurz kommen. Für Mitarbeiter, die bevorzugt vor Ort arbeiten wollen, haben wir die Büros so umorganisiert, um die Hygieneregeln einzuhalten.
Rüdinger: Die Corona-Krise war für uns eine Achterbahn! Zuerst herrschte ein völliger Einbruch, dann waren wir systemrelevant und voll ausgebucht. Zum Jahreswechsel hatten wir wieder eine Flaute und aktuell kämpfen wir mit massiver Überlastung.
Wo ist es in Ihrem Haus gelungen, aus der Not eine Tugend zu machen? Bitte nennen Sie ein Beispiel!
AZO: Wie viele andere Unternehmen hat sich auch bei AZO die Art und Weise der Meetings von Präsentz auf Online-Meetings geändert. Darüber hinaus haben wir auch – wo möglich – auf mobiles Arbeiten umgestellt und sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Natürlich können nicht alle Meetings online durchgeführt werden, insbesondere strategische oder kreative Workshops sind deutlich effektiver, wenn sie in Präsenz stattfinden. Viele Meetings sind durch die Umstellung auf online nun häufig effizienter gestaltet, als das vor der Pandemie der Fall war.
Bleichert: Neue Kommunikationstools gehören jetzt zu unserem alltäglichen Arbeitsleben und gestalten den Austausch schneller und flexibler. Gemeinsam haben wir Lösungen erarbeitet und uns im Bereich der Digitalisierung stark verbessert.
Rüdinger: Im Stückgutbereich machen wir nun mehr Privatkundenzustellung für die im Internet bestellten Dinge für den Vorgarten.
Wie hat sich die Arbeit in Ihrer Firma durch Corona verändert? In welchen Bereichen ist es positiv? Wo sehen Sie die Nachteile?
AZO: Online-Meetings und das mobile Arbeiten hätten sicher nicht in dem kurzen Zeitraum und mit der Intensität Einzug gehalten. Abnahmen mit unseren Kunden im Hause, Versuche bei AZO mit Kunden und so mancher Kundenservice finden nun häufig Remote oder unter Nutzung von Technologien mit sogenannten Head Ounted Displays statt, sodass Reisen reduziert wurden und dadurch der Kunde schneller Unterstützung bekommen kann. Es gibt also viele Fortschritte in diesem Zusammenhang. Jedoch lässt sich das persönliche Gespräch nicht immer dadurch ersetzen. Auch fehlen Gespräche unter den Mitarbeitern, das „Schwätzchen am Kaffeeautomaten“ sowie der persönliche Kontakt der Mitarbeiter untereinander. In den Bereichen, in denen kein mobiles Arbeiten möglich ist, wie zum Beispiel in den vielen Produktionsbereichen, hat sich nichts verändert. In der Akquise von Neu-Kunden, aber auch in der Pflege der Bestandskunden hat die Notwendigkeit, digitale Plattformen und die bekannten relevanten Social Media Kanäle zum Netzwerken mit den Zielgruppen zu nutzen, deutlich zugenommen. Letztlich war das auch vor der Corona-Pandemie klar, hat aber hier einen deutlichen Schub erfahren.
Bleichert: Es wäre schlicht gelogen, wenn wir behaupten würden, dass bei Bleichert alles rund lief und keine Probleme aufkamen. Genau wie viele andere Unternehmen wurden wir von der Wucht dieser Pandemie überrascht und waren in manchen Bereichen im ersten Moment überfordert. Es war unklar, wie genau mit der Situation umgegangen werden soll. Dennoch stellt Corona eine große Chance für uns dar, um vieles zu überdenken und vor allem Punkte anzugehen, die schon länger auf unserer To-Do-Liste standen. Die größte positive Veränderung ist, dass Homeoffice in Wirklichkeit eine kleinere Hürde für die Zusammenarbeit darstellt als vor Corona gedacht.
Rüdinger: Das Auf und Ab ist noch schneller und stärker als vorher. In der Pandemie wurde sichtbar, wie wichtig die Logistik ist. Leider wird die Bedeutung unserer Branche unterschätzt. Erst wenn zum Beispiel die Container nicht aus China kommen, bemerkt die Bevölkerung, dass es nicht selbstverständlich ist, dass alles funktioniert.
Was wird sich in Ihrem Unternehmen durch die Krise verändern?
AZO: In Zukunft wird es neue Formen der Zusammenarbeit geben, bestimmt durch das mobile Arbeiten, aber auch durch die Transformation in den Unternehmen. Das gilt für die interne und externe Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Kunden. Außerdem ändern sich die Formen der Kommunikation. Die Arbeitszeiten werden sich flexibler gestalten müssen. Außerdem hat die Krise einen Effekt bezüglich der Lieferketten. Der Beschaffungsmarkt für Rohstoffe ist aktuell sehr angespannt. Auch hier muss deutlich flexibler agiert werden, sowohl auf der Seite der Lieferanten, aber auch auf der Seite der Kunden. Die genannten Veränderungen haben eigentlich schon Einzug gehalten. Ein Großteil davon wird sich etablieren und zur Normalität werden. Wir werden diese Chance nutzen, beziehungsweise haben das schon getan, den Wandel und die damit einhergehende Transformation des Unternehmens anzunehmen und alle Mitarbeiter dabei mitzunehmen.
Bleichert: Wir haben erkannt, dass vieles möglich ist. Homeoffice funktioniert, Besprechungen mit Kunden und Lieferanten können virtuell erfolgen. Der größte Einzelauftrag unserer Firmengeschichte wurde auf virtuellem Wege geplant, besprochen und verhandelt. Prinzipiell hat die Pandemie gezeigt, dass alte Strukturen geändert werden, wenn der Druck für Veränderungen hoch genug ist. Es ist davon auszugehen, dass Geschäftsreisen in Zukunft weniger häufig stattfinden und dass Arbeit und Familie enger ineinander verzahnt werden. Es liegt an uns allen, wie wir mit dieser Erfahrung umgehen, was wir uns zutrauen und inwiefern wir uns auf Veränderungen einlassen.
Rüdinger: Wir werden öfter mit Bild telefonieren, also eine Videokonferenz durchführen, und wir werden mehr Privatkundenzustellung im Sammelgutbereich machen.
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