Geschäftsführer Andreas Hildenbrand im Gespräch

IHK Mosbach: Transformation ist kein einfacher Spagat

Gespräch mit Dr. Andreas Hildenbrand, Geschäftsführer des IHK-Standorts Mosbach.

Von 
Ralf Marker
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Die Digitalisierung ist eine der großen Aufgaben der Zukunft. © dpa

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Es gibt kaum Betriebe in der Region, die nicht direkt oder indirekt betroffen sind. Das hatte und hat auch Auswirkungen auf die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, die den Unternehmen in schwierigen Zeiten viele Tipps und Hilfestellungen gegeben hat. Die FN haben sich mit Dr. Andreas Hildenbrand unterhalten, dem Geschäftsführer des IHK-Standortes Mosbach. Der Blick richtet sich aber nicht nur auf die Krise, sondern geht auch in die Zukunft.

„Die Corona-Pandemie hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft der Region: vom Lockdown und den damit verbundenen Unternehmensschließungen über Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb bis hin zur Störung der internationalen Lieferketten“, sagt Dr. Hildenbrand.

Und die Zahl der Beratungen bei der IHK hat schlagartig zugenommen. Am Anfang gab es ein Sofort-Hilfeprogramm des Landes, „Baden-Württemberg war hier schnell am Start“. Abgewickelt wurde das auch über die Industrie- und Handelskammern. „In unserem IHK- Bezirk gab es über 40 000 Anträge auf die Soforthilfe 1, bei rund 70 000 Mitgliedsunternehmen“, so der Geschäftsführer. „Und das kam alles geballt, schnell, innerhalb kurzer Zeit.“ Die IHK hat Personal für die Beratung der Unternehmen und die Bearbeitung von Anträgen abgestellt. „70 Personen haben sich nur um diesen Bereich gekümmert, das ist etwa die Hälfte der Kräfte, die der ganze IHK-Bezirk hat“, verdeutlicht Dr. Hildenbrand die Dimensionen. Das Portfolio reichte dabei von der Erstberatung über die Prüfung des Antrags bis zu eventuell nötigen weiteren Beratungen. „Wenn alles rund gelaufen ist, war pro Antrag etwa eine Stunde Arbeit nötig. Da das alles Neuland war, ist aber nicht alles sofort rundgelaufen. Das war ein Kraftakt.“

Bei der Ausbildung ist die Überbetriebliche Ausbildungsstätte in Buchen ein wichtiger Standort. © ÜAB

Engpässe bei der An- und Auslieferung von Waren sind schwerwiegende Folgen der Krise, die vor allem den Händlern und Industrieunternehmen zu schaffen machen. Die Dienstleister in der Region leiden besonders unter Liquiditätsengpässen durch ausbleibende Umsätze, insbesondere betroffen sind die Veranstaltungsbranche sowie Hotellerie und Gastronomie. Zugleich gebe es Unternehmen, die kaum betroffen sind. Dazu gehören beispielsweise Industrieunternehmen, die medizinische Produkte herstellen. Auch die Geschäfte von Verpackungsherstellern laufen weiterhin gut.

Unverständnis bei Einzelhandel

„Am Anfang gab es viel Verständnis für das freiheitseinschränkende Handeln der Politik. Doch dieses Verständnis nahm über die Zeit ab. Viele Unternehmen hatten das Gefühl, dass die Lernkurve bei Politik und Verwaltung nicht steil genug verlief.“ Als Beispiel führt er das Infektionsrisiko an: „Auch nachdem klar war, dass vom Einzelhandel ein nur geringes Risiko ausgeht, blieben weite Teile des Handels noch lange geschlossen. Mit einem kuriosen Effekt: Vor den Angebotstischen bei den Discountern drängelten sich die Kunden, während Textileinzelhändler oder Elektrofachgeschäfte geschlossen bleiben mussten.“

Zum Thema Ausbildung sagt Dr. Hildenbrand, junge Menschen, insbesondere die aktuellen Schulabgänger, hätten eine schwierige Zeit hinter sich. Übliche Informationen und Maßnahmen der Berufsorientierung sowie Praktika haben nicht stattfinden können. Digitale Ersatzformate haben die jungen Menschen nicht im gleichen Maß erreichen können, noch nicht. Deshalb sind viele Ausbildungsplätze noch offen. In einem gemeinsamen Endspurt „Ausbildung 2021“ wollen Arbeitsagentur, IHK und Handwerk die Kräfte bündeln und Schulabgänger, die einen Ausbildungsplatz suchen, mit Ausbildungsbetrieben passgenau zusammenbringen. „Für junge Menschen sind die Chancen, vor Ort einen Ausbildungsplatz zu finden, heuer ausgezeichnet.“ Eine der großen Aufgaben im ländlichen Raum für die Zukunft sei die Fachkräftesicherung.

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Besonders hart getroffen hat die Corona-Pandemie das Gastgewerbe, die Event-, Kultur- und Tagungswirtschaft sowie die Touristikunternehmen, kommt das Gespräch auf das alles beherrschende Thema der vergangenen Monate zurück. Diese Unternehmen leiden teils noch bis heute unter den Beschränkungen, der fehlenden Planbarkeit und Perspektive sowie der Verunsicherung der Kunden. Viele andere Bereiche seien schon raus aus dem Tal oder könnten sich Hoffnung machen auf Konsum, der aufgeschoben wurde. In der Pandemie haben die Menschen so viel Geld gespart wie nie. Ein Teil davon wird voraussichtlich in den Konsum und in Dienstleistungen fließen. „Das würde dann wie ein riesiges Konjunkturprogramm wirken.“

Viele Unternehmen sahen sich schon gezwungen, ihren Geschäftsbetrieb einzustellen. „Dieses leise Sterben von Unternehmen liegt unter der Wahrnehmungsschwelle. Im Fokus stehen immer die Insolvenzen, doch die zeichnen nur ein Teilbild der Lage.“ Insgesamt könne man sagen, dass die Wirtschaft extrem gespalten ist. „Wir haben es mit keinem normalen Auf und Ab innerhalb eines Konjunkturzyklus zu tun, sondern mit einer Pandemie und der Politik zu ihrer Bekämpfung, die in weiten Teilen die Wirtschaft hat erstarren lassen.“

Völlig unabhängig von Corona erlebe man zwei gewaltige Transformationen: die digitale und die ökologische Transformation. Für Letztere wird entscheidend sein, inwieweit es gelinge, die Wirtschaft nachhaltiger und weiterhin erfolgreich zu machen. „Denn wir wollen ein wettbewerbsstarkes Industrieland bleiben“, so Dr. Hildenbrand. Das ist kein einfacher Spagat, den die Politik zu leisten hat, denn die Abwanderung beispielsweise energieintensiver Produktion ist eine reale Gefahr. „Damit ist dem Klima aber nicht gedient, wenn unser Beton oder Stahl von weither transportiert werden muss aus Ländern, die im Zweifel auch noch eine weniger energieeffiziente Industrie besitzen. Damit wäre dem Klima dann doppelt geschadet.“

Info: www.rhein-neckar.ihk24.de

Redaktion Redakteur bei den FN

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