Boxberg/Bobstadt. Wie groß ist das Problem mit den „Reichsbürgern“ und der rechten Szene im Main-Tauber-Kreis? Welche Konsequenzen sind aus dem Polizeieinsatz in Bobstadt, den Schüssen auf Polizeibeamte und den bislang erlangten Kenntnissen zu ziehen? Diese und viele weitere Fragen beschäftigen die Öffentlichkeit. Grund genug bei Boxbergs Bürgermeisterin, beim Landratsamt und auch bei Vertretern des DGB, der sich bereits vor Jahren gegen Rechtsrock-Konzerte in Bobstadt engagierte, nachzufragen.
„Gut eine Woche nach dem Polizeieinsatz kommt es einem selbst noch unwirklicher vor was im beschaulichen Bobstadt passierte“, beschreibt Bürgermeisterin Heidrun Beck ihre momentane Gefühlswelt zu den Ereignissen: „Ich bin vor allem dankbar, dass es keine weiteren Verletzten gab.“
Als positiv bei diesem schrecklichen Vorfall hebt sie „die Hilfsbereitschaft vieler unserer Bürger“, unter anderem bei der Unterstützung der Hilfskräfte, hervor. „Die erste Fassungslosigkeit ist inzwischen gewichen“, fährt Beck fort und fügt an: „Es wird sicherlich noch weiter ein Gesprächsthema bleiben, das die Bürger noch länger beschäftigen wird.“ Doch das Problem mit der rechten Szene und den „Reichsbürgern“ könne man nicht, so Beck, auf einen Ortsteil oder nur die Stadt Boxberg beziehen. „Dies ist mit Sicherheit ein deutschlandweites Problem, welches in der Pandemie stark zugenommen hat. Soweit es mir bekannt ist, sind die Zahlen der bekannten Reichsbürger in Boxberg nicht höher als in anderen Gemeinden“, erklärt die Bürgermeisterin und sagt dann auf Nachfrage, wie es jetzt weitergeht: „Wir als Kommune haben fürs erste keine Handhabe gegen Reichsbürger, außer die bekannten Fälle weiter zu melden, wie es bislang auch geschehen ist. Dennoch werden wir uns als Stadt auch nochmal eingehend mit der Thematik befassen, um unsere Möglichkeiten auszuloten.“
Aus dem „Großherzogtum Baden“
Als konstantes Problem nimmt das Landratsamt die „Reichsbürger“-Thematik im Kreis wahr. Pressesprecher Markus Moll teilt auf Anfrage mit: „Im Landratsamt treffen immer wieder Schreiben ein, bei denen die Absender erkennen lassen, dass sie mit der Reichsbürger-Bewegung sympathisieren. Beispielsweise sind diese Schreiben an die ,Firma Landratsamt’ adressiert oder die Absenderadresse liegt vermeintlich im ,Deutschen Reich’, im ,Großherzogtum Baden’ oder im ,Königreich Württemberg’.
In den Schreiben wird dann beispielsweise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer geleugnet und die Legitimation ihrer Repräsentanten und Behörden negiert.
Solche Schreiben werden innerhalb des Landratsamtes an das Rechts- und Ordnungsamt weitergegeben, das dann das Landesamt für Verfassungsschutz hierüber informiert, gegebenenfalls ergänzt um vorliegende Hintergrundinformationen zum jeweiligen Fall. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden jeweils rund 15 Personen gemeldet, 2021 vier und 2022 bis zum heutigen Tag ebenfalls vier. Das Ausmaß des Phänomens wird von uns daher als eher konstant denn zu- oder abnehmend eingeschätzt“, so Moll
Dass es bislang vor Ort in Boxberg zu wenig Sensibilität für die Problematik gegeben habe, beklagt Silke Ortwein. Sie ist die Regionsgeschäftsführerin von Heilbronn-Franken im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Seit Jahren fänden immer wieder Rechtsrock-Konzerte im Raum Bobstadt statt. 2016 trat die als rechtsextrem eingestufte Band „Permafrost“ auf, 2020 „Eishammer“ und der Organisator sei der stellvertretende Ortsvorsteher gewesen. „Das geht gar nicht!“, wird Ortwein deutlich und übt Kritik am ehemaligen Boxberger Bürgermeister Christian Kremer, der 2016 nicht bereit gewesen sei, das breite Bündnis aus DGB, Kirchen und Parteien bei einer Gegenveranstaltung zu unterstützen. Es sollte nicht noch mehr Öffentlichkeit für die problematischen Konzerte geschaffen werden, hieß es damals laut Ortwein.
„Flagge zeigen“
Zum Polizeieinsatz und seinen Folgen sagt die DGB-Vertreterin, dass die Bürger nach ihren Informationen „sehr erschreckt sind“. „Spätestens jetzt muss es Klarheit geben – von der Stadt, allen Bürgervertretern und aus dem Landratsamt“, meint Ortwein und fordert alle auf, sich unmissverständlich gegen rechtsextreme Haltungen zu positionieren. Darüber müsse gesprochen, beraten und Flagge gezeigt werden. „Es gilt ganz genau hinzuschauen und nicht zur Tagesordnung überzugehen.“ Man müsse sich Fragen, welche Abgründe es noch gebe und die Hintergründe aufdecken.
„Die Meinungsfreiheit deckt keinen Rassismus, keinen Faschismus und keinen Antisemitismus!“ Ortwein weiter: „Es gibt da ein Problem, dem müssen wir uns gemeinsam stellen, denn die allermeisten Bürger tragen das nicht mit, dass sich Rechtsextremisten und Reichsbürger hier breit machen!“
Zehn Tage nach dem Polizeieinsatz steht nun fest, dass nicht der Besitzer des Anwesens in Bobstadt in Untersuchungshaft genommen wurde, sondern ein Mieter, der bereits vorbestraft ist. Wie der SWR berichtete, soll der 54-Jährige erst Anfang des Jahres in den Boxberger Stadtteil gezogen sein. Er gab gegenüber der Polizei die Schüsse auf die Beamten zu. 15-facher Mordversuch wird ihm aktuell vorgeworfen.
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