Boxberg/Bobstadt/Heilbronn. Ein riesiges Waffenarsenal und jede Menge Munition deckte der Großeinsatz der Polizei im Boxberger Stadtteil Bobstadt am Mittwoch auf. Nachdem die Beamten, die eigentlich nur eine Handfeuerwaffe beschlagnahmen sollten, in den frühen Morgenstunden mit einem Maschinengewehr beschossen wurden und ein SEK-Mann Schussverletzungen an beiden Beinen erlitt, wurde umfangreiche Verstärkung angefordert. Bis zu 230 Polizisten wurden in der Spitze rund um das kleine Dorf zusammengezogen. Dem mutmaßlichen Schützen, einem 54-Jährigen, werden nun versuchter Mord und andere schwere Straftaten vorgeworfen.
„Unsere Beamten wurden durch den geschlossenen Rollladen beschossen, nachdem zuvor mit lauten Durchsagen, Blaulicht und Martinshorn der Polizeieinsatz angekündigt worden war“, schilderte Hans Becker, der Präsident des Polizeipräsidiums Heilbronn, die Anfänge des Einsatzes am Mittwoch, 20. April, kurz nach 6 Uhr in Bobstadt. „Es lag ein Durchsuchungsbeschluss wegen illegalem Waffenbesitz vor und diesen wollten unsere Beamten vollziehen“, erklärte Becker im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag. Auf ein erhöhtes Gewalt- und Aggressionspotenzial sei man eingestellt gewesen und deshalb auch das Spezialeinsatzkommando (SEK) von Anfang an mit zum Einsatz gekommen.
Nachdem eine bislang unbekannte, aber große Zahl an Schüssen auf die Polizei abgegeben worden war, zogen sich die Beamten mit ihrem verletzten Kollegen wieder zurück und sicherten das Anwesen, so Becker, der mit Bildern von Einschusslöchern in Einsatzfahrzeugen und SEK-Schutzausrüstung deutlich machte, dass man sehr froh sei, dass es nicht noch mehr Verletzte gab. Einige Schüsse trafen auch das Haus der unbeteiligten Nachbarn.
Brand griff aufs Wohnhaus über
In der Garage neben dem Wohnhaus sei ein Brand ausgebrochen, berichtete Becker weiter, über dessen Entstehung er noch nichts sagen könne. Das Feuer habe dann auf das Wohnhaus übergegriffen, doch Löscharbeiten der Feuerwehr seien aufgrund der hohen Gefahrenlage nicht möglich gewesen.
Nach und nach hätten sich die sieben Bewohner, zwei Frauen und fünf Männer im Alter zwischen 23 und 54 Jahren, der Polizei ergeben, so Becker. Bis gegen 10 Uhr waren alle festgenommen. Die Belagerung des Areals habe danach noch knapp drei Stunden weiter angedauert, weil man ganz auf Nummer sicher gehen wollte, dass sich dort niemand mehr aufhält und auch keine sonstigen Gefahren für die eingesetzten Beamten drohen.
Andreas Stenger, der Präsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, betonte noch einmal, dass „vollautomatische Waffen gegen die Polizei zum Einsatz kamen" und er sagte zudem, dass man bislang zwei begehbare Waffenkammern in den Wohnhäusern entdeckt habe, dazu „überall Munition“ und „griffbereite Waffen in vielen Räumen“. Spezialisten des LKA würden nun das gesamte Anwesen genau untersuchen. Stenger erwähnte auch noch eine große Indoor-Cannabis-Plantage, die entdeckt wurde.
Die Beamten hätten ihr Leben riskiert, um den Auftrag der Staatsanwaltschaft Mosbach zur Hausdurchsuchung zu vollstrecken, betonte Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Florian Kienle und zeigte sich entsetzt über die Schüsse auf die Polizei. Zunächst sei es schließlich nur um eine Handfeuerwaffe gegangen.
Versuchter Mord
Der 54-jährige Hauptverdächtige habe die Schüsse in ersten Vernehmungen eingeräumt und deshalb habe man auch Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Kriegswaffenbesitz gegen ihn beantragt, der vom Amtsgericht Tauberbischofsheim in Vollzug gesetzt wurde. Weitere sechs Personen seien am Mittwoch vorläufig festgenommen worden, bestätigte Dr. Kienle. Sie seien am Donnerstag aber zunächst wieder frei gekommen. Hier müsse nun durch die Spurensicherung geklärt werden, ob es möglicherweise weitere Schützen gab. Aufgrund der Vielzahl an Schüssen sei es durchaus denkbar, so Kienle. Dringende Gründe für eine Untersuchungshaft hätten jedoch nur bei dem 54-Jährigen bestanden.
Da Beweismittel, die einen Bezug zur so genannten „Reichsbürger“-Szene zulassen, auf dem Anwesen gefunden wurden und die Frage nach der Herkunft der Kriegswaffen eine wichtige Rolle bei den weiteren Ermittlungen spielt, sei man auch in Kontakt mit dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe, führte Dr. Kienle noch aus.
Eine konkrete Anschlagsplanung mit den Waffen konnte LKA-Präsident Andreas Stenger auf Nachfrage aber nicht bestätigen.
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