Fachkräftemangel in fast allen Branchen

Unternehmen im Neckar-Odenwald-Kreis zeigen Zuversicht trotz einiger Mängel

Unternehmen im Neckar-Odenwald-Kreis freuen sich über volle Auftragsbücher. Die Suche nach Fachkräften beschäftigt jedoch fast alle Firmen

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Ralf Scherer
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Auch der Eisengießerei Dossmann in Rippberg fehlen Fachkräfte. Die Auftragslage ist dagegen gut. © dpa

Der Großteil der Unternehmen im Neckar-Odenwald-Kreis ist gut durch die Corona-Krise gekommen. Die Auftragsbücher füllen sich wieder. Die Freude in den Chefetagen bleibt dennoch vielerorts getrübt. Kaum haben die Verantwortlichen das akute Krisenmanagement hinter sich, treten wieder alte Probleme zu Tage, die das Wachstum hemmen.

Während in den vergangenen 30 Jahren Rohstoffmangel und Lieferengpässe nur einzelne Sektoren der Wirtschaft betroffen haben, klagen aktuell in Deutschland 45 Prozent der Unternehmen über eine verminderte Produktion wegen Lücken bei der Materialversorgung. Eine völlig neue Erfahrung für viele Unternehmen – und typisch auch für die Betriebe im Neckar-Odenwald-Kreis. Viele Firmen kommen mit der Produktion kaum noch hinterher.

Über mangelnde Nachfrage kann sich auch die Eisengießerei Dossmann im Walldürner Stadtteil Rippberg nicht beklagen. „Mitbewerber sind aus dem Markt verschwunden. Wir sind voll ausgelastet“, sagt Geschäftsführer Jörg Dossmann. Nach einer Corona-bedingt ruhigen Phase ist das Jahr 2021 für das Traditionsunternehmen gut an- und die Kurzarbeit längst wieder ausgelaufen. Die Krise ist weitgehend abgehakt. Doch an Herausforderungen mangelt es den geschäftsführenden Gesellschaftern auch in Zukunft nicht. Qualifizierte Arbeitskräfte in der Industrie sind rar. „Mitarbeiter zu finden, ist ein Problem“, so Dossmann. „Das ist richtig Arbeit.“ Hinzu kommt dieser Engpass: Ob Roheisen, Schrotte oder für den Gießprozess notwendige Alkohole – der Markt ist teils wie leergefegt. „Das ist ein Verteilungskampf, der mit Geld entschieden wird“, betont er.

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Vor 20 Jahren sei es noch leichter gewesen, einen Industriebetrieb zu führen. „Die Generationen vor uns hatten andere Sorgen“, sagt Dossmann. Dass Deutschland als reiner Dienstleistungsstandort ohne Industrie funktionieren würde, kann sich Dossmann nicht vorstellen. Deshalb soll die Eisengießerei ökologischer und effizienter werden – und im Bereich der Digitalisierung führend bleiben. Innerbetrieblich gehört virtuelles Arbeiten schon seit 15 Jahren ganz selbstverständlich zum Alltag. „Hier sind wir in unserer Branche äußerst weit“, so Dossmann. Der größte limitierende Faktor ist derzeit noch die Vernetzung mit Kunden. Wegen fehlender Glasfaserverbindungen müssen große Datenmengen mit Speichermedien statt über schnelle Internetverbindungen ausgetauscht werden.

Wolfram Fitz hat sich deshalb die für die Zukunft so wichtige Glasfaserleitung schon beim Bau des Möbelhauses „Wohnfitz“ in Walldürn vor acht Jahren auf eigene Kosten legen lassen. „Ohne würde es heute nicht mehr gehen“, betont der Geschäftsführer eines der größten Einzelhandelsunternehmen in der Region. Einen stetig steigenden Anteil am Umsatz erwirtschaftet er inzwischen über den Online-Shop des Möbelhauses. Bei der Realisierung von Einrichtungswünschen für die Kunden und beim Austausch mit Architekten sind schnelle Datenleitungen längst unerlässlich. „Viel hat sich ins Internet verschoben“, weiß Fitz.

„Krise gar nicht getroffen“

Zukunftssorgen zu Beginn der Pandemie hat der 53-jährige Unternehmer schnell hinter sich lassen können. „Letztlich hat uns die Krise gar nicht getroffen“, blickt er zufrieden auf die zurückliegenden eineinhalb Jahre zurück. Durch die Corona-Pandemie hat das Zuhause an Bedeutung gewonnen. Die Küche hat sich zum Mittelpunkt der Wohnung entwickelt. „Der Boom hält bei den Küchen an. Das ist ein riesiger Markt“, betont der Geschäftsführer.

Den Blick in die Zukunft beschreibt Wolfram Fitz dennoch als Blick in die Glaskugel. Ein Grund dafür sind auch im Einzelhandel zunehmende Probleme bei der Beschaffung. „Oft fehlen nur Kleinigkeiten. Aber wir haben größte Probleme, Teile zu bekommen“, sagt Fitz. „Vieles ist nicht mehr planbar.“ Was im Lager vorrätig war, ist nahezu aufgebraucht. Große eigene Bestellmengen 2021 treffen auf eine insgesamt hohe Nachfrage. „Uns sind die Hände total gebunden“, fasst Fitz die Situation zusammen. Ein noch größeres Problem sieht er jedoch im wachsenden Mangel an Fachkräften. „Es gibt noch junge Leute, die zu uns wollen“, so der Geschäftsführer. Damit dies so bleibt, setzt er auf Faktoren wie ein gutes Betriebsklima, attraktive Bezahlung und Ausbildung des Nachwuchses im eigenen Unternehmen.

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Wie schwierig es inzwischen ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, weiß auch Jürgen Kuhn, Geschäftsführer der Firma Kuhn Technische Anlagen in Höpfingen, aus der täglichen Arbeit. „Wir haben in diesem Bereich wirklich Probleme und fühlen uns direkt ausgebremst“, betont der Ingenieur. Offene Stellen bleiben mitunter monatelang unbesetzt. Denn auch andere Firmen werben um die wenigen auf dem Markt verfügbaren Fachkräfte und Auszubildenden. „Das bedeutet, dass wir die Mitarbeiter, die wir haben, möglichst pflegen müssen“, so Kuhn.

Zumal die Auftragsbücher des Höpfinger Unternehmens im Bereich der Haustechnik und des Anlagenbaus langfristig voll sind. „Viel mehr wäre aktuell gar nicht machbar“, sagt der Geschäftsführer. Auch die Sparte Elektrotechnik brummt, weil in diesem Segment die Zahl der am Markt agierenden Fachfirmen sinkt. Allein bei den Maschinen und beim Auslandsgeschäft ist noch nicht absehbar, wie es weitergeht.

Wie viele andere Unternehmen, muss sich auch die Firma Kuhn mit immer längeren Lieferzeiten selbst bei Standardartikeln auseinandersetzen. „Schlimm ist, wenn man etwas überhaupt nicht mehr bekommt“, skizziert Kuhn die derzeitige Situation. „Oder viel mehr bezahlt als kalkuliert ist.“ Viele Aufträge wurden bereits im vergangenen Jahr auf der Grundlage der damaligen Kosten kalkuliert, müssen nun aber auf der Basis aktuell stark gestiegener Preise ausgeführt werden. „Das ist ein richtiges Problem für uns.“

Um zukünftig im Markt bestehen zu können, wünscht sich der Unternehmer von der Politik Investitionen in die Infrastruktur. Angefangen vom Ausbau der Breitbandversorgung, der Bundesstraße und des Schienenverkehrs im Kreis. „Hier sollte sich die Politik entsprechend bemühen“, betont Kuhn.

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