Mannheim. Event-Unternehmer Kevin Kardol aus Frankenthal hat den Glauben an den Staat verloren. „Da hilft nur noch beten“, sagt er. 50 Mitarbeiter beschäftigt der 36-Jährige. „Die muss ich bezahlen, damit sie jeden Tag etwas zu Essen auf dem Tisch und ein Dach über dem Kopf haben. Es geht ja nicht nur um meine Kohle“, ärgert sich Kardol. Wie viele andere Unternehmer ist er durch Corona in eine unverschuldete wirtschaftliche Schieflage geraten.
Der gebürtige Nürnberger weiß natürlich, dass er nicht der Einzige ist, der wegen der Pandemie schließen musste. Dass der Staat aber, anders als versprochen, die diversen Corona-Hilfen nicht schnell und unbürokratisch ausgezahlt hat - das nervt ihn kolossal. Kardol wartet noch immer auf knapp 600 000 Euro. „Ich konnte die Insolvenz nur deshalb abwenden, weil ich viel von meinem Privatvermögen in die Unternehmen gesteckt habe. Diejenigen, die keine Rücklagen haben, überleben Corona nicht.“
Bei „verbundenen Unternehmen“ prüft die L-Bank besonders genau und hat viele Rückfragen.
600 000 Euro stehen noch aus
Kevin Kardol betreibt eine Sport- und Freizeitanlagen-Kette in mehreren Bundesländern - mit Standorten in Mainz, Mannheim, Eppelheim, Kaiserslautern sowie Frankenthal. Der Event-Unternehmer bietet in seinen Hallen Live-Action-Spiele wie Lasertag an, das ähnlich wie Paintball, aber ohne Kugeln mit Lichteffekten funktioniert. Außerdem gibt es Gleamgolf, also Minigolf mit speziellen 3D-Effekten.
„Normalerweise bauen wir unser Polster im Winter auf, aber da hat Corona uns erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Sommer wird deshalb knackig, und wenn jetzt nicht bald das Geld fließt, wird es sehr schwer für uns“, sagt der Unternehmer, der mit seinen Betrieben früher einen mittleren sechsstelligen Betrag im Jahr umsetzte. Die Geschäfte seien vor Corona immer gut gelaufen. „Wir sind deshalb kontinuierlich gewachsen.“
ein Team hat Kevin Kardol wieder zusammen, obwohl es schwierig ist, gute Leute zu bekommen.
Insgesamt hat Kardol nach eigenen Angaben Corona-Hilfen in Höhe von 2,5 Millionen Euro beantragt, die baden-württembergische L-Bank hat einen Teil dieser Summe gekürzt und bisher rund 1,5 Millionen Euro ausbezahlt. Knapp 600 000 Euro sind nach Kardols Angaben offen. Sein Steuerberater geht davon aus, dass er diesen Betrag auch bekommen wird, wie einem Schreiben zu entnehmen ist, das dieser Redaktion vorliegt. Warum dauert es bei Kardol aber so lange? Der Steuerberater begründet dies damit, dass die Kette von der L-Bank als „verbundene Unternehmen“ eingestuft wird. In diesem Fall prüfe das Landesförderinstitut besonders genau. Johannes Hurst, Präsident der Steuerberatungskammer Nordbaden, kann zum Fall Kardol nichts sagen, bestätigt allerdings, dass der Hauptgrund der schleppenden Auszahlung der Gelder an einige Betriebe „die Thematik ,verbundene Unternehmen’“ sei. „Die L-Bank hat dann immer sehr viele Rückfragen, die dazu führen, dass die Bescheide nicht erlassen werden, solange nicht alles geklärt ist“, sagt Hurst und nennt als Beispiel einen ähnlichen Fall. „Da hat mir ein Steuerberater aus dem Odenwald gemailt, dass es allein im Dezember zum Beispiel neun Rückfragen gab, davon achtmal von einer anderen Person. Fast immer ging es um dieselbe Thematik“, sagt Hurst. Er sieht auch in den „wechselnden Sachbearbeitern“ bei der L-Bank ein Problem.
Diese Probleme hatte auch Kardol: „Ich musste einen Haufen Unterlagen losschicken, teilweise kamen die doppelt. Miet- und Leasing-Verträge, Investitionskosten, die Aufwendungen für das Hygienekonzept, das war ein großer Aufwand. Das Problem war, dass die Rückfragen nur häppchenweise erfolgten, das ging teilweise über sechs Monate. Wenn alle Rückfragen auf einen Schlag gekommen wären, hätte ich die alle zusammen beantworten können.“
Hilfe nicht ausreichend
Kardol hat „Verständnis dafür, dass die Anträge geprüft werden, denn es gab ja auch Betrugsfälle. Aber sechs Monate für einen einzigen Antrag, das ist existenzgefährdend“. Die lange Bearbeitungsdauer bezeichnet er als Schlag ins Gesicht. Hurst von der Steuerberatungskammer betont, dass der überwiegende Teil der Gelder schnell ausbezahlt wurde. „Wir spüren aber auch das Geknirsche im Gebälk der L-Bank.“
Der Mannheimer Landtagsabgeordnete Boris Weirauch ärgert sich in diesem Zusammenhang, dass das Land Baden-Württemberg Corona-Soforthilfen in Höhe von 600 Millionen Euro zurückfordert. „Das ist angesichts der aktuellen Krise eine bittere Nachricht aus Stuttgart. Ein Teil der Rückzahlungen ist dem Unvermögen der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und der starren Festlegung des Betrachtungszeitraums durch die Landesregierung geschuldet“, kritisiert er.
Die L-Bank erwartet von jedem Unternehmen oder Selbstständigen eine Rückmeldung. Stand Ende Juni liegen laut Wirtschaftsministerium der L-Bank 177 909 abgeschlossene Rückmeldungen vor. Davon wurde bei 90 969 - also mehr als der Hälfte - Rückzahlungsbedarf festgestellt.
Kardol betont allerdings, dass er keinen einzigen Cent zurückzahlen musste. Den Umfang der Soforthilfe stuft er als zu niedrig ein. „Im ersten Monat habe ich 15 000 Euro bekommen, im zweiten 30 000 Euro, da war mein Verlust schon sechsstellig“, sagt der Unternehmer und beklagt sich, dass danach ja nur 90 Prozent der Fixkosten ausgezahlt wurden. „Wer deckt die anderen zehn Prozent ab?“, fragt Kardol. „Und wovon soll ich leben, von 1200 Euro Unternehmerlohn?“ Unterkriegen lassen will sich Kardol dennoch nicht. Sein Team hat er wieder zusammen. Das war gar nicht so einfach. „Es ist schwierig, gute Leute zu bekommen.“ Aber das ist ja inzwischen in vielen Branchen so.
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