Ländlicher Raum als Gewinner der Coronakrise

Achim Brötel verspürt Lust auf die Zukunft im Neckar-Odenwald-Kreis

Der ländliche Raum wird der Gewinner der Situation sein. Wir können aus der Pandemie gestärkt hervorgehen – wenn wir aus dieser Chance etwas machen. Davon ist Landrat Dr. Achim Brötel überzeugt. Er hat viele Ideen, wie der Neckar-Odenwald-Kreis sein Potenzial ausschöpfen könnte.

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Sabine Braun
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ASCII © Ralf Marker

Die Menschen werden „nach Corona“ neu nachdenken, glaubt Dr. Achim Brötel, der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises.

Das gebe dem ländlichen Raum die Chance, gestärkt aus der Situation hervorzugehen – „wenn man die entscheidenden Punkte erkennt und dann vor allem auch etwas daraus macht.“

Es werde Regionen geben, die den Effekt nutzen, andere werden ihn verschlafen. Dr. Brötel, gerade erst für eine dritte Amtsperiode vom Kreistag bestätigt, will mit dem Neckar-Odenwald-Kreis natürlich zur ersten Gruppe gehören. „Wir haben Lust auf die eigene Zukunft und wollen das auch anderen so vermitteln.“

Breitband ist Thema Nr. 1

Damit kommt der 57-Jährige im Gespräch mit den FN zu dem Thema, das aus seiner Sicht über die Zukunft entscheidet und das den Kreis daher schon seit Jahren umtreibt, zum Breitbandausbau. „Wenn unser Ausbauplan klappt, werden wir spätestens Ende 2024 flächendeckend Glasfaser in jeder Straße, in jedem Gebäude haben, gleichmäßig und für alle, das war uns immer wichtig“, betont Brötel. Die Glasfaser sei deshalb so bedeutend, weil sie ganz neue Arbeits- und Produktionsformen ermögliche.

Die „Werkbank“ werde auf diese Weise an den Wohnstandort heranrücken. Und dann „werden viele Menschen sich im Zweifel doch lieber für ein Leben im ländlichen Raum entscheiden, wo hinter dem Haus die Natur anfängt, wo Kinder ganz anders aufwachsen können als in einer großen Stadt, wo die Umwelt intakt ist, wo es einen großen sozialen Zusammenhalt und ein beispielhaftes ehrenamtliches Engagement gibt und wo die Miete oder das Grundstück noch bezahlbar sind“.

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Brötel ist überzeugt: „Wenn wir die jetzt noch vorhandene Wegstrecke zwischen Werkbank und Wohnort digital überwinden, haben wir einen klaren Vorteil gegenüber dem Ballungsraum.“

Stolz ist der Landrat darauf, dass das Unternehmen BBV den Glasfaserausbau eigenwirtschaftlich macht, also ganz ohne Kreiszuschuss.

Besonders wichtig ist den Menschen im Landkreis – denen, die schon da sind, genauso wie denen, die man erst anlocken will – eine wohnortnahe und gute Gesundheitsversorgung. Von der Geburtshilfe über eine gute und schnelle Notfallversorgung, die Innere Medizin und die chirurgischen Disziplinen bis hin zur Geriatrie und Palliativmedizin sieht der Landrat den Neckar-Odenwald-Kreis aktuell gut aufgestellt.

Die Neckar-Odenwald-Kliniken seien auch wirtschaftlich erstaunlich gut durch die Pandemie gekommen. Sie halten zusammen mit dem Krankenhaus in Hardheim knapp über 400 Planbetten vor – das liege deutlich unter dem Bundesschnitt von acht Betten pro 1000 Einwohner. Aber Brötel sagt auch ganz klar: „Kleine Kliniken im ländlichen Raum werden ohne eine Änderung der Finanzierungsstruktur auf Bundesebene nicht dauerhaft überleben können.“ Der Grundfehler im System sei, dass durch die Fallpauschalen nur Leistungen, aber keine Vorhaltekosten bezahlt werden. Zumindest hier müsse sich etwas ändern. „Ich habe aber immer noch die Hoffnung, dass unser permanentes Bohren langsam Gehör findet und dass man nach der Bundestagswahl endlich in unserem Sinne umdenkt.“

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Auch wenn das Homeoffice stärker wird: Viele Neckar-Odenwälder müssen weiterhin zur Arbeit fahren. Dabei bleibe das Auto auch künftig das wichtigste Transportmittel – „trotz Verkehrswende“, sagt der Landrat. Ziel müsse deshalb eine sinnvolle Ertüchtigung und ein Ausbau des bestehenden Verkehrssystems sein. Dazu gehöre der weitere dreispurige Ausbau der Hauptverkehrsadern B 27 und B 292, wo immer es geht. „Nicht, um schneller als 100 zu fahren, sondern um gefahrlos überholen und zügig, zugleich aber sicher fahren zu können.“

Auf der B 27 sei da eine ganze Menge passiert, zuletzt zwischen Buchen-Süd und dem Abzweig Richtung Mudau. Vor allem auf der Strecke Mosbach-Sinsheim liege aber noch vieles im Argen.

Stetes Bohren hilft

Von früheren Träumen wie der Odenwald-Autobahn müsse man sich aber verabschieden, so wie der Kreis letztlich auch auf die Transversale verzichten musste, weil die rechtlichen Hürden und die Kosten einfach zu hoch wurden. Gut sei aber, dass das Land die Anforderungen für eine Förderung beim Ausbau von Straßen im ländlichen Raum deutlich gesenkt habe.

Brötel führt das mit auf den „Verkehrsgipfel“ mit Minister Hermann im Jahr 2018 in Mosbach zurück. „Es tut sich schon was, wenn man immer wieder bohrt.“

Getan hat sich etwas – auch auf der Schiene, verweist Brötel auf den vertakteten Probebetrieb auf der Frankenbahn zwischen Osterburken und Lauda. Er verstehe aber nicht, warum das Land auf dieser zweigleisigen und voll elektrifizierten Hauptstrecke, die zwei ICE-Knoten verbinde, seinen eigenen Standard nicht erfüllt und trotzdem noch eine kommunale Kostenbeteiligung verlangt, um überhaupt einen Probebetrieb zu starten. „Anspruch und Wirklichkeit beim Land liegen da schon sehr weit auseinander.“ Wichtig sei, dass mit dem Pilotprojekt vier Bahnhöfe wieder regelmäßig angefahren werden.

Den gewünschten Sprinter Osterburken-Mannheim werde man aber wohl nicht bekommen, auch wegen des Engpasses zwischen Heidelberg und Mannheim. „Durchaus hinkriegen würden wir aber den Halbstundentakt auf der Strecke Mosbach-Osterburken durch die Verlängerung der S 2. Das würden wir uns auch dringend wünschen, weil wir damit in Seckach wesentlich bessere Anschlusszeiten bei der Madonnenlandbahn hätten“, so Brötel. Doch damit wären die aktuellen Standards nach der Lesart des Landes „übererfüllt“ – es passiert also nicht oder muss von der Region bezahlt werden. Das letzte Wort könne da aber noch nicht gesprochen sein.

Ist der Odenwald sexy genug?

Große Chancen hat der Kreis im Bereich Tourismus, findet Brötel. „Wir haben alles, was ein Tourist sucht: eine tolle Landschaft, ausgebaute Radwege und attraktive Wanderrouten wie den prämierten Neckarsteig, das Weltkulturerbe Limes und den Odenwald-Limes, Burgen und Schlösser, das Römermuseum, das Freilandmuseum, die Eberstadter Tropfsteinhöhle und vieles mehr.“

Es fehle allerdings im heute so wichtigen Wellnessbereich. „In den 1960er Jahren haben die Urlauber im Odenwald nicht nur eine schöne Landschaft, ein sauberes Zimmer und große Schnitzel bekommen, sondern oft auch ein eigenes kleines Schwimmbad bei ihrem Gastgeber gehabt. Das waren die historischen Vorläufer der heutigen Wellnessbereiche.“ Diese Bäder gebe es heute größtenteils aber nicht mehr.

„Da ist der Odenwald leider stehengeblieben, das muss man selbstkritisch sagen.“ Deshalb prüfe man gerade die Möglichkeit, einen Hotel- und Ferienpark anzusiedeln. Im nächsten Frühjahr, nach der Pandemie, wäre dafür der richtige Zeitpunkt.

Denn: „Die Menschen werden künftig wieder verstärkt Ziele im Inland suchen, da bin ich sicher. Es ist nur die Frage, ob der Odenwald dann sexy genug ist. Dafür müssen wir unbedingt etwas tun.“

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