Taucht man ganz tief ins Archiv und schaut sich einmal die Sportseiten „alter“ Tageszeitungen an, so wird man im Vergleich zu den aktuellen Ausgaben schnell einen Unterschied bemerken: Die Art der Berichterstattung über sportliche Ereignisse hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert.
Nehmen wir als Beispiel des Deutschen liebstes Kind – oder anders ausgedrückt: Die wichtigste Nebensache der Welt. Gerade in den sogenannten Fußball-Spielberichten wird der Unterschied zwischen „früher“ und „jetzt“ deutlich. In der Vergangenheit wurden spielentscheidende Szenen meist bis ins kleinste Detail geradezu „seziert“.
Nehmen wir als Beispiel einmal das EM-Endspiel zwischen Italien und England, das vor einigen Wochen stattfand. Die Anfangsphase dieser Partie wäre zum Beispiel vor 50 Jahren wie folgt geschildert worden; „Vor 60 000 erwartungsfrohen Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion erwischten die Gastgeber auf regennassem Untergrund einen Traumstart: Nach einem schnellen Angriff über ihren Kapitän Harry Kane flankte in der zweiten Spielminute Englands Kieran Trippier von der rechten Seite präzise auf den zweiten Pfosten, wo Verteidiger Luke Shaw von hinten eingelaufen ist und das Leder per sehenswerter Direktabnahme unhaltbar für Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma zur frühen britischen Führung ins Netz drosch. Es war das erste Länderspieltor des 30-jährigen Defensivspezialisten von Manchester United.“ Heutzutage hat ein Zeitungsleser in aller Regel weder die Zeit noch die Lust, eine einzige Spielszene am nächsten Tag in derart blumigen Worten präsentiert zu bekommen. Deshalb heißt es 2021 kurz und knapp etwa so: „Die frühe Führung der Engländer durch Shaw in der zweiten Minute mussten die Italiener erst einmal verdauen. Erst nach etwa 30 Minuten bestimmten die Azzuri mehr und mehr das Spielgeschehen.“
Die Geschichte dahinter
Diese Information reicht für den Leser aus. Wer mehr wissen möchte, hat sich schon längst anderweitig informiert, entweder bei der Live-Übertragung im TV oder über so genannte „Ticker“ im Internet.
Wichtiger als die Schilderung einer einzigen Spielszene sind die Geschichten hinter dem Geschehenen. Warum haben die Engländer im Finale von einer Viererkette auf eine Dreierkette, die in Wirklichkeit eine Fünferkette war, umgestellt? Warum hat der Trainer eigens für das notwendige Elfmeterschießen zwei Spieler eingewechselt? Wie bewerten die „Protagonisten“ selbst die situation oder Aktion“ Wie sahen Außenstehende die Partie?
Es gibt häufig viel zu erzählen – egal, ob es sich um ein EM-Endspiel oder um eine Partie in einer der unteren Ligen auf Kreisebene handelt. Das Ergebnis sowie die Torfolge und Torschützen sind die wichtigste Information überhaupt.
In vermutlich keinem anderen Zeitungsressort ist der Wandel der Zeit spürbarer als innerhalb einer Sportredaktion. Dafür gibt es unzählige Beispiele. „Früher“ war zum Beispiel an jedem Sonntags-Spieltag für drei oder vier Stunden ein Mitarbeiter damit beschäftigt, telefonische Anfragen unserer Leser zu beantworten. „Könnte ich bitte einmal alle Ergebnisse der Kreisklasse B haben?“ – „Wie hat denn der TSV in der Landesliga gespielt?“ – „Wie sieht’s denn jetzt aus? Ist der FC noch Tabellenführer oder ist der SV nun vorne.“ – „Weiß man schon, wann und wo das Relegationsspiel am kommenden Wochenende stattfindet?“ – Geduldig wurden diese Fragen, die sich ständig wiederholten, beantwortet. Es war ein beliebter Service für unsere Leser, der damals sehr geschätzt wurde.
Stark verändert
Heutzutage wird dieser Service nicht mehr benötigt. denn solche Telefonanrufe in der Redaktion gibt es sonntags nicht mehr. Jeder, der Sport-Ergebnisse wissen möchte, informiert sich ganz aktuell mit dem Smartphone über das Internet. Da spielt es keine Rolle, ob die Flanke, die zum Siegtor geführt hat, von der rechten oder der linken Seite gekommen ist. Wichtig ist, dass das Tor überhaupt gefallen ist.
Die Art der Berichterstattung hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, nicht aber die breite Palette an Sportarten, für die die Sportredakteure der FN stets ein offenes Ohr haben. Es gibt im regionalen Umfeld mehrere Profi-Mannschaften, zu deren Spielen es die Menschen zieht. Umfragen aus Vor–Corona-Zeiten haben zum Beispiel ergeben, dass bei Partien der Würzburger Kickers oder der Bundesliga-Basketballer von s.Oliver Würzburg rund 25 Prozent der Zuschauer im Stadion beziehungsweise in der Halle aus dem Main-Tauber- oder Neckar-Odenwald-Kreis kommen. Auch die Handballer der DJK Rimpar Wölfe, die Basketballer der Hakro Merlins Crailsheim oder die American Footballer der Schwäbisch Hall Unicorns begrüßten immer häufiger Zuschauer aus dem Verbreitungsgebiet der FN – zumindest vor Beginn der Pandemie.
Herzstück unserer täglichen Arbeit in der FN-Sportredaktion sind allerdings nach wie vor die Amateursportler aus unserem Verbreitungsgebiet, die von Corona deutlich mehr betroffen waren als die Profis. Über sie werden wir auch in Zukunft berichten, egal ob sie dem vielzitierten „runden Leder“ (das heutzutage allerdings aus einem ganz anderen Material ist) hinterherjagen oder ob sie als zehnjähriges Mädchen beim örtlichen Sportverein in die Weitsprunggrube hüpfen. Sie alle haben es absolut verdient, dass sie bald wieder ihren geliebten Sport ausüben können.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/deutschland-welt_artikel,-seite-1-sportjournalismus-ist-deutlich-mehr-als-ein-10-_arid,1828382.html