Fechten

Olympia: Wie Anne Sauer die letzten Tage vor dem Turnier in Paris gestaltet

Seit sie ein Kind ist, jagt sie diesem Traum nach: Einmal bei Olympia dabei zu sein. Mit 33 Jahren wurde dieser Traum nun wahr, doch Anne Sauer will als Weltranglisten-Sechste nicht nur dabei sein, sondern auch etwas erreichen.

Von 
Michael Fürst
Lesedauer: 
Voll fokussiert ist Anne Sauer vor dem ersten olympischen Wettkampf ihrer Karriere am Sonntag in Paris. Die aus Walldürn stammende Florettfechterin geht als Weltranglisten-Sechste ins Rennen. © dpa

Walldürn/Paris. Seit zwei Tagen weilt Anne Sauer in Paris. Die ehemalige Florettfechterin des FC Tauberbischofsheim, die aktuell für DFC Düsseldorf startet, bestreitet am Sonntag (ab etwa 10.15 Uhr) ihren ersten olympischen Wettkampf. Im FN-Interview spricht die 33-Jährige über die Vorbereitungen auf dieses Großereignis und über ihre Ambitionen. Dabei verrät die Weltranglisten-Sechste auch, wie sehr sie sich darüber freut, dass in ihrem kleinen Heimatort Reinhardsachsen bei Walldürn extra für ihren Wettkampf ein Public Viewing geplant ist.

Frau Sauer, es ist fast fünf Monate her, als sicher war, dass sie sich erstmals in Ihrer Karriere für Olympia qualifiziert haben. Wie haben Sie sich seit dem auf dieses Großereignis vorbereitet?

Anne Sauer: Nach der Saison haben wir einen genauen Vorbereitungsplan aufgestellt. Dabei haben wir uns auch für ein Höhentrainingslager in Colorado Spring entschieden. Hier habe ich eine Woche lang mit der amerikanischen Nationalmannschaft trainiert. Für mich war sehr spannend zu beobachten, wie mein Köper auf die Höhe reagiert. Den Rest der Vorbereitung haben wir in meinem derzeitigen Heimatstützpunkt Bonn absolviert, weil wir keine Experimente machen wollen. Hier haben wir alles, was wir brauchen – inklusive Physiotherapie.

Wie hat denn der Körper auf das Höhentrainingslager reagiert?

Sauer: Es war natürlich viel, viel anstrengender, als wenn ich in Deutschland trainiere (lacht). Ich habe danach eine Leistungsdiagnostik gemacht, und die war sehr, sehr gut. Ich habe das Gefühl, dass wir genau den Effekt erreicht haben, den wir erreichen wollten. Bei der Leistungsdiagnostik haben sie gesagt, dass sie bei einer Fechterin noch nie so gute Werte gesehen haben. Die Physis stimmt auf jeden Fall.

Gibt das einem nicht eine grenzenlose Sicherheit nach dem Motto: Da kann kommen, was will, ich kann stundenlang auf höchstem Niveau fechten?

Sauer: Ja, auf jeden Fall. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich weiß, mich auf meinen Körper verlassen zu können.

Was konkret machen Sie in den letzten Tagen vor dem Wettkampf am Sonntag? Worauf liegen die Trainingsschwerpunkte?

Sauer: Man zählt nur noch die Einheiten, bis es endlich losgeht. Ich trainiere vor allem meine Stärken noch weiter. Zudem schaue ich darauf, dass ich qualitativ sehr gute Trainingsgefechte abliefere. Dabei möchte ich immer eine hohe Intensität. Es ist viel Routine. Neu erfunden wird jetzt nichts mehr.

Wie definieren Sie denn Ihre Stärken?

Sauer: Aktivität und Angriff. Ich möchte der Gegnerin mein Fechten aufzwingen, das Gefecht bestimmen. Und dann zehre ich, wie eben schon thematisiert, von meiner Athletik.

Und an den Schwächen arbeitet man wirklich gar nicht mehr?

Sauer: Ein bisschen schon. Bei mir ist das der Nahkampf, wenngleich ich mich da auch schon verbessert habe. Aber ich finde es wichtiger, an den Dingen zu arbeiten, auf die ich mich jederzeit verlassen kann.

Welche Rolle spielte und spielt während der Vorbereitung ihr Lebensgefährte Benjamin Kleibrink. Er hat ja selbst nicht nur schon an drei Olympischen Spielen teilgenommen, sondern ist 2008 in Peking auch Olympiasieger geworden? Gibt es da Extra-Tipps?

Sauer: Es ist für mich natürlich ein enormer Vorteil. Da geht es um so Fragen: Gehe ich zur Eröffnungsfeier? Wie viel trainiere ich noch vor dem Wettkampf? Wie schaffe ich es, dass ich von den Eindrücken im Olympischen Dorf nicht komplett abgelenkt werde? Hier sind die Tipps aus erster Hand natürlich Gold wert.

Wie sieht denn der Plan für die letzten Tage bis Sonntag aus?

Sauer: Wir sind am Dienstag angereist und haben uns erst einmal das Dorf der Athleten in Ruhe angeschaut. Am Mittwoch war noch eine Fecht-Einheit, und heute auch. Am Freitag mache ich eine athletische Aktivierung und dann ist die Eröffnungsfeier. Am Samstag ist frei und am Sonntag geht es los. Und am Wettkampftag selbst vertraut man den Routinen, die man sich über all die Jahre aufgebaut hat.

Die Wettkämpfe finden im ehrwürdigen Grand Palais statt. Schauen Sie da vorher auch mal vorbei?

Sauer: Da müssen wir sowieso hin, weil dort die Waffenkontrolle stattfindet. Aber man sollte eh mal vorher hin, damit man die Wege und Abläufe dort kennt.

Mal abgesehen vom Wettkampf: Auf was freuen Sie sich am meisten bei den Olympischen Spielen?

Sauer: Auf die Eröffnungsfeier und darauf, im Olympischen Dorf vielen Athleten zu begegnen. Nach meinem Wettkampf möchte ich mir noch ein paar andere Sportarten anschauen.

Mehr zum Thema

FN-Interview

Wie das Fechten Leipzig mit Tauberbischofsheim verbindet

Veröffentlicht
Von
Stefanie Čabraja und Simon Retzbach
Mehr erfahren
FN-Serie „FitNess“

„Für eine gute Fitness reicht ein langsames Lauftempo völlig aus“

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Fechten

Anne Sauer sicher für Olympia in Paris qualifiziert

Veröffentlicht
Von
ssm
Mehr erfahren

Welche?

Sauer: Beachvolleyball, Leichtathletik und zum Bahnradsport möchten wir noch.

Planen Sie und Benjamin Kleibrink das alles individuell oder ist der Deutsche Fechter-Bund da noch irgendwie involviert? Es ist ja neben Ihnen nur noch Matyas Szabo als deutscher Fechter am Start?

Sauer: Jeder von uns arbeitet individuell mit seinem Trainer. Dazu haben wir einen gemeinsamen Physiotherapeuten. Sportdirektor Tobias Kirch ist auch vor Ort. Er kümmert sich um alles Organisatorische. Wir sind ein kleines, aber feines Team.

Anne Sauer kennt man auf der Tour schon lange. Aber in den vergangenen beiden Jahren haben Sie leistungsmäßig noch einmal richtig zugelegt und Turniere gewonnen. Merken Sie, dass Sie von der Konkurrenz genauer beäugt werden oder dass Ihnen mit mehr Respekt begegnet wird?

Sauer: Respekt spielt bei uns eh eine sehr große Rolle. Da ist es egal, wie gut man ist. Ich glaube aber schon, dass ich genauer beobachtet werde. Wie wärme ich mich auf, wie sieht eine Lektion mit Benny aus? Ob mehr Videos über mich geschaut werden, das weiß ich nicht (lacht).

Welche Rolle spielt bei Ihnen die Nervosität? Jahrelang hat man auf diesen einen Tag hingearbeitet. Dann ist er da. Das muss doch wahnsinnig sein.

Sauer: Man versucht natürlich, sich irgendwie darauf vorzubereiten. Aber letztlich kann man es sich sicher nicht so vorstellen, wie es dann wirklich sein wird. Ich habe mit meinem Mentaltrainer ein paar Strategien erarbeitet, und wir haben versucht, uns da gedanklich schon hinzubeamen und uns darauf einzustellen. Da wird der Herzschlag bei den Übungen schon deutlich schneller. Ich rechne einfach damit, dass sich der Stress und der Druck, den ich vor einem Weltcup habe, noch einmal verdoppeln. Aber manchmal ist man unter Druck auch besser. Deshalb gehe ich davon aus, dass es mir hilft.

Ist die Familie auch vor Ort?

Sauer: Meine Eltern und meine beste Freundin sind da und ein paar bekannte Fechterinnen und Fechter. Ein bisschen unwirklich ist es, dass in meinem Heimatort Reinhardsachsen ein Public Viewing für mich veranstaltet wird. Das finde ich total schön.

Ist für Sie „dabei sein alles“ oder haben Sie für sich konkret Ziele für den olympischen Wettkampf formuliert?

Sauer: Wenn ich jetzt Lee Kiefer wäre, würde ich sagen, ich möchte meinen Titel verteidigen. Aber ich bin Anne Sauer, Nummer sechs der Welt und habe in der vergangenen Saison bei Weltcups schon die vorderen drei Plätze erreicht. Aber bei Olympia spielen so viele Faktoren noch mit hinein, deshalb möchte ich da keine Aussage treffen. Wenn ich so gut fechte, wie bei den Weltcups, bei denen ich erfolgreich war, dann ist alles drin.

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke