FN-Serie „FitNess“

„Für eine gute Fitness reicht ein langsames Lauftempo völlig aus“

Für Olympiasieger Dieter Baumann ist „die einzige Qual, regelmäßig rauszugehen“, wie er im FN-Interview zugibt

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5000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann ist auch mit 59 noch regelmäßig laufend unterwegs: „Ich kann für eine Stunde nur für mich sein – einfach herrlich.“ © DPA

Odenwald-Tauber. Dieter Baumanns Passion ist bis in die Gegenwart das Laufen – jetzt natürlich weitaus gemächlicher als zu seiner aktiven Zeit. Im FN-Interview äußert sich der 59-Jährige rund um seine große Leidenschaft und gibt Freizeitsportlern Tipps, wie sie am besten ihrem Hobby frönen können.

Herr Baumann, zu Ihrer aktiven Zeit sollen Sie vor dem Start ein Stück Kuchen gegessen und einen Kaffee getrunken haben – ein Geheimnis Ihrer vielen Erfolge?

Dieter Baumann: Ob das das Erfolgsgeheimnis war, glaube ich eher nicht. Es müssen mehrere Puzzleteile zusammenpassen, damit es am Ende gut wird. Das Stück Kuchen war mehr für den Kopf und für das Ritual. Doch Rituale darf man nicht unterschätzen.

Würden Sie diesen Tipp auch Freizeitsportlern empfehlen, die sich laufend fit halten und etwas für ihre Gesundheit tun wollen?

Baumann: Das Schöne ist doch, wenn man sich regelmäßig bewegt, egal ob Walken, Radfahren, Schwimmen oder Laufen, dass man dann mit viel mehr Freude das Stück Kuchen genießen kann. Wer das nicht macht, sollte sich also bei der nächsten Kuchenschlacht an mich erinnern – mit schlechtem Gewissen natürlich . . .

Worin lag denn für Sie zu Ihrer Anfangszeit der Reiz, Laufen als Leistungssport zu auszuüben?

Baumann: Ich hatte große Freude am Wettkampf. Training war das eine, aber der Wettkampf das andere – darum ging es doch.

Wie hat sich der Laufsport in den letzten Jahren verändert und vor allem für all jene entwickelt, die an ihrer Fitness arbeiten möchten?

Baumann: Im Grunde gar nicht. Für uns Freizeitsportler geht es ja überhaupt nicht darum, ob wir uns jetzt um Sekunden oder Minuten verbessern. Vielmehr geht es darum, uns über viele Jahre den Spaß am sportlichen Treiben zu erhalten. Da spielt es keine Rolle, ob wir nun mit der neuesten Schuhtechnik zum Laufen gehen und mit Hilfe von Carbonfedern im Schuh schneller sind. Es muss eher darum gehen, ein Equipment zu finden, das für unsere Ansprüche ausreicht und dass wir uns nicht verletzen. Die neuen Laufschuhe sind etwas für die Elite, nicht für den Freizeitläufer.

Laufen, also Joggen am Stück, sei die Entdeckung der Langsamkeit – so sind Sie mal zitiert worden. Ist dies nicht ein Widerspruch in sich?

Baumann: Überhaupt nicht. Die meisten Läufer laufen zu schnell. Das ist natürlich nicht so schlimm und im Grunde stört es mich gar nicht.

Denn beim Laufen gibt es kein Richtig oder Falsch. Doch für eine gute Fitness und gesundheitliche Prophylaxe reicht ein langsames Lauftempo völlig aus. Und: Ganz nebenbei verbessern wir dadurch viel mehr unsere Ausdauer als durch immer zu schnelles Training. Am Ende dieses zugegeben langen Prozesses werden wir sogar besser. Ja, manchmal ist auch das Laufen – obwohl wir nur das linke vor das rechte Bein setzen – etwas kompliziert. Aber nochmal: Es gibt kein Richtig oder Falsch beim Laufen. Es gibt nur ein „Gar nicht“ – und das wäre dann der Fehler.

Der Trick beim Laufen ist, sein Wohlfühltempo auszuloten – wie lässt sich das finden?

Baumann: Ich sage immer: Für mich ist das Laufen eine Kraftquelle für den Tag. Wenn jemand vom Laufen nach Hause kommt und danach noch Bäume ausreißen kann, war das Tempo richtig.

Sie touren mittlerweile mit Kabarett-Programmen durch die Lande. Welche Rolle spielt für Sie persönlich inzwischen noch das Laufen?

Baumann: Laufen bringt mich in Ruhe. Es strengt mich selten an, und ich kann für eine Stunde nur für mich sein – einfach herrlich.

Wie halten Sie sich denn jetzt fit?

Baumann: Ich weiß, es klingt langweilig: durch Laufen und ein wenig Radfahren.

Was sind denn die Grundvoraussetzungen für Hobby- und Freizeitsportler, gerade jetzt in der warmen Jahreszeit, dass Laufen nicht zur Qual, sondern zum permanenten Genuss avanciert?

Baumann: Entweder früh am Tag laufen – oder später am Abend. Das Tempo sollte angepasst sein, langsam starten und langsam weiterlaufen.

Was raten Sie als ehemaliger Weltklasseathlet Anfängern, die Lust haben, künftig regelmäßig dem Laufsport zu frönen?

Baumann: Ich rate allen, die mit dem Laufen beginnen möchten, in kleinen Etappen zu beginnen. Auf meiner Homepage (dieterbaumann.de) finden alle, die das möchten, einen Trainingsplan für Einsteiger. Die ersten Einheiten sind zehn mal eine Minute Laufen mit einer Minute Gehpause. Das kann jede und jeder schaffen. Dann wird das Pensum langsam gesteigert. Mit Geduld schaffen fast alle, eine Stunden am Stück laufen – in nur zwei Monaten.

Wie wichtig ist es, sich quälen zu können, ohne dabei einen falschen Ehrgeiz an den Tag zu legen, um sich trotzdem im Training überwinden zu können?

Baumann: Die einzige Qual ist es, regelmäßig rauszugehen – vor allem dann, wenn das jemand schon seit Jahren nicht mehr gemacht hat. Die alten Gewohnheiten müssen zuerst durchbrochen werden. Die sportliche Bewegung muss also erst einmal in einen Tagesablauf Einzug halten. Das ist für die meisten Menschen eine große Anstrengung, eben nicht von der Arbeit nach Hause kommen und gemütlich aufs Sofa zu sitzen. Ja, das ist die Qual. Doch wenn man erst einmal laufend unterwegs ist, dann ist es ein Kinderspiel.

Ist es Ihnen leicht gefallen, sich zu quälen?

Baumann: Ich habe mich selten gequält – und wenn, habe ich es nicht als solches empfunden.

Was sind denn die größten Fehler beim Laufen, die Aktiven den Spaß und die Motivation rauben?

Baumann: Das sind falsche Erwartungen: Sich zu viel vornehmen – zum Beispiel zu schnell abnehmen, zu lange Strecken in kurzer Zeit oder eine zu schnelle Zeit über zehn Kilometer. All das raubt Motivation.

Wie lässt sich Laufen effektiv mit Gesundheitsprophylaxe kombinieren?

Baumann: Ich würde nicht nur laufen. Das beste Rezept für gute Gesundheit ist Bewegung – alle möglichen Sportarten – und gute Ernährung: ausgewogen, von allem etwas. Und: kein Nikotin und wenig bis keinen Alkohol. Ja, ich muss es ansprechen. Manchmal bin ich schon entsetzt, wie viel Alkohol in Deutschland konsumiert wird – eine Volksdroge. Das kann ja nicht gut sein.

Durch Regelmäßigkeit soll eine Selbstverständlichkeit rund ums Laufen an den Tag gelegt werden. Welche Rolle spielt dabei eine gewisse Kontinuität?

Baumann: Kontinuität ist der Schlüssel. Dreimal pro Woche sollte sportliche Bewegung stattfinden. Es reichen oft nur 20 bis 30 Minuten.

Sie vertreten die Auffassung, in Sachen Ernährung bei allem, was in Extreme geht, skeptisch zu werden. Können Sie das näher definieren?

Baumann: Wenn wir sehen, was in Fertigprodukten drin ist beziehungsweise nicht mehr drin ist, dann ist es nicht sehr schwer, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das für unseren Körper nicht gut ist: zu viele versteckte Fette, zu viel Zucker. Die Rate der übergewichtigen Kinder steigt, die Rate an Altersdiabetes ebenso.

Durch falsche Ernährung, Alkoholkonsum und keine Bewegung entsteht ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden. Durch eine ausgewogene Ernährung und Bewegung kann ich vielen krankheitsbedingten Einschränkungen vorbeugen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ich kann genauso schwer erkranken. Das kann man nun einmal nicht vorhersehen. Man nennt so etwas auch Schicksal.

Ihr Credo lautet „Laufen ohne zu Schnaufen“. Wie schwer ist dies Ihnen in Ihren Anfangsjahren gefallen und welchen Tipp können Sie heute Freizeitläufern geben, um dahin zu kommen?

Baumann: Ich weiß, das klingt jetzt etwas komisch und ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass mein Läuferleben ja schon lange anhält und ich mich nicht an jedes Details vor 40 Jahren erinnere. Doch sage ich jetzt mal so: Beim Laufen habe ich immer wenig geatmet – bis zum Schnaufen bin ich nie gekommen.

Infos zu Dieter Baumann

Dieter Baumann (59) gilt bis in die Gegenwart als einer der erfolgreichsten Langstreckenläufer der deutschen Sportgeschichte.

Auf nationaler Ebene errang der gebürtige Schwabe 40 Meistertitel von 1500 bis 10 000 Meter und im Crosslauf.

1988 in Seoul holte der Blausteiner Olympia-Silber über 5000 Meter, 1992 gewann Dieter Baumann in Barcelona Gold.

Seine 5000-Meter-Bestzeit vom 13. August 1997 in Zürich (Europarekord) war bis 10. Juni 2021, als Jakob Ingebrigtsen einen neuen Europarekord lief, die schnellste Zeit eines Läufers nichtafrikanischer Abstammung über diese Strecke.

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