„Politisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis“

Nesers Buch zur Kreispolitik im NOK ist umfassende Chronik und Anekdotensammlung zugleich

Gut 16 Jahre nach der ersten Ausgabe wurde im Mosbacher Landratsamt eine überarbeitete und erweiterte zweite Auflage des Standardwerks „Politisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis“ von Karl Heinz Neser vorgestellt.

Von 
Sabine Braun
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Neckar-Odenwald-Kreis. „Das Buch soll ein Beitrag zur Identifikation unseres Landkreises sein“, brachte Autor Karl Heinz Neser bei der Präsentation am Freitagabend die Zielsetzung und Bedeutung seiner Arbeit auf den Punkt. Der Neckar-Odenwald-Kreis bestehe seit bereits fast 50 Jahren, länger als seine Vorgänger. Das Werk „Politisches Leben im Neckar-Odenwald – gestern und heute“ beschreibt allerdings den wesentlich längeren Zeitraum von 175 Jahren politischer Geschichte. „So etwas gibt es in Baden-Württemberg nur einmal – bei uns im NOK“, so Neser nicht ohne Stolz. Dass er ohne Honorar arbeite, sei ein Geschenk an die Bürger und den Kreis, der ihm so am Herzen liege. Das Buch erscheint als Band 2 der Reihe „Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises“ beim Verlag Regionalkultur, herausgegeben vom Kreisarchiv.

Keine Liebesheirat

„Der Neckar-Odenwald-Kreis ist kein historisch gewachsenes Gebilde“, betonte Landrat Dr. Achim Brötel in seiner Einführung im Beisein von Nesers Familie und wenigen geladenen Gästen aus der Kreispolitik. Dass weite Teile der alten Landkreise Buchen und Mosbach 1973 zusammengeführt wurden, sei sicher keine Liebesheirat gewesen. „So mancher wollte darin nicht einmal eine Vernunftehe sehen“, erinnerte Brötel mit einigen Anekdoten, über die man heute schmunzeln könne. So manches Vorurteil sei inzwischen besserer Einsicht gewichen.

Der Kreis sei zusammengewachsen und habe ein eigenes Profil entwickelt. Da heben auch die BCH-Wunschkennzeichen „die Welt nicht aus den Angeln“, so Brötel. Trotzdem bleibe die Vollendung der inneren Einheit auch weiter eine Daueraufgabe. In dieser Hinsicht und auch mit Blick auf die bald anstehende „Goldene Hochzeit“ komme das Buch von Karl Heinz Neser absolut zur rechten Zeit. Als Autor sei der Historiker geradezu prädestiniert: Er sei Zeitzeuge und habe die Entwicklung des Neckar-Odenwald-Kreises von den ersten Anfängen bis jetzt miterlebt. Als ehemaliger Kreisrat habe er „sagenhafte 46 Jahre die positive Entwicklung ganz entscheidend selbst gestaltet“, so Brötel. Neser sei „einaufmerksamer Beobachter, ein konstruktiver Geist, ein kritischer Begleiter, ein messerscharfer Analyst und beinahe so etwas wie ein personifiziertes Kreisarchiv“, würdigte er den Autor. „Wer den Landkreis verstehen will, kommt an dieser Arbeit definitiv nicht vorbei.“

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Politik nicht in die Wiege gelegt

In der Vorstellung seines Buches erklärte Neser zunächst, dass ihm weder die Politik, noch das Schreiben in die Wiege gelegt worden sei. Mitte der 1960er Jahre, in der Zeit der Hochschulunruhen, wurde er als Lehramtsstudent in die Politik „geworfen“. Als Mitglied und Vorsitzender des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) trug er so manchen Streit mit „den Linken“ aus, erzählte der pensionierte Pädagoge am Freitagabend. Das sei eine höchst lehrreiche Phase gewesen, in der er gelernt habe, Position zu beziehen und sich nicht unterkriegen zu lassen. 1969 in Obrigheim als Lehrer angekommen, habe er in der CDU sofort Freunde gewonnen und entdeckte „sein Thema“: Den ländlichen Raum und seine Chancen. Hautnah erlebte er die Geburtsstunde des Kreises und die erste Kreistagswahl mit.

„Glückliche Umstände“, konkret der Kontakt zur Landeszentrale für politische Bildung und die Mitarbeit an Forschungsprojekten, hätten ihn schließlich ab 1977 zum Schreiben gebracht. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kreispolitik begann – und hält bis heute an. Mehrere Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, aber auch in der offiziellen Kreisbeschreibung von 1992 folgten.

„Rivalität gibt es kaum noch“

Herr Neser, wie gut ist der Neckar-Odenwald-Kreis in den vergangenen knapp 50 Jahren zusammengewachsen?

Karl Heinz Neser: Der Landrat hat mit seiner Bemerkung „Noch nie war so viel Einigkeit“ recht. Rivalität zwischen den beiden Altkreisen Mosbach und Buchen gibt es eigentlich kaum noch. Die handelnden Personen gehen Probleme wie zum Beispiel die Krankenhausstruktur nicht emotional, sondern rational an.

Wo „hapert“ es noch, was schadet dem Zusammenwachsen des Landkreises vielleicht sogar?

Neser: Dass in das jeweils andere Krankenhaus im anderen Teil des Kreises immer noch zu wenige Kreisbürger gehen; das schadet dem Landkreis. Da würde ich mir mehr „Kreis-Bewusstsein“ wünschen!

Was muss für eine noch besseres Wir-Gefühl passieren?

Neser: Nicht nur der normale Kreisbürger erfährt zu wenig, was im anderen Kreisteil passiert. Ich könnte mir da ein Veranstaltungsportal wünschen, dass man zumindest von Veranstaltungen und Festen im anderen Teil des Kreises informiert wird. sab

Damals habe es sogar eine Anfrage im Landtag gegeben, ob der CDU-Politiker Neser objektiv schreiben werde, schmunzelte der Autor. Doch er habe stets klar getrennt zwischen wissenschaftlicher Beschäftigung und politischer Tätigkeit. Statt der 128 Seiten der Ausgangsfassung umfasst das Werk nun 176 Seiten: Das ist vor allem auf Kapitel 7 und 8 zurückzuführen. Zuvor geht es um die territoriale Zugehörigkeit der Region, die Presselandschaft, die Revolution von 1948/49, Kaiserreich, Revolution 1918/19 und Weimarer Republik. Kapitel 7 ist dem Nationalsozialismus gewidmet und durch neue eigene Forschung ausgeweitet, so Neser. Das mit 40 Seiten längste, achte und letzte Kapitel beschreibt die Nachkriegsentwicklung bis heute. Wobei „heute“ fast wörtlich zu nehmen ist: Die beiden Wahlen von 2021 mussten noch mit rein, so Neser, weshalb die Veröffentlichung nun später als geplant erfolgte. Für die Neuauflage in größerem Umfang dankte er dem Landrat ausdrücklich.

Vier Landräte im Porträt

Viele Seiten über ausgewählte Wahlen machen das Buch informativ, zahlreiche Porträts machen es anschaulich. Mit dabei nicht nur die vier Landräte, sondern auch Minister Peter Hauk, dem die Vorstellung, bereits in einem historisch ausgerichteten Buch zu stehen, am Freitagabend fast ein wenig unheimlich war. Sein Lob galt dem Autor. Als Zugezogener habe er den Kreis bereichert. Die dargestellten 175 Jahre Geschichte machten deutlich, dass man immer besser gefahren sei mit demokratischen Regierungen – auch wenn die langwierige Suche nach einem Kompromiss schwierig sei.

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„Moderner Klassiker“

Mosbachs Bürgermeister Michael Keilbach freute sich ebenfalls über die druckfrische Ausgabe des „modernen Klassikers“ und über ein „buntes, vielfältiges Mosaik an Themenfeldern und Anekdoten aus dem politischen Leben im Kreis“. Sein Lob galt dem Autor: Sein jahrzehntelanges Engagement sei „Ausdruck gelebter Bürgerschaft“. Die Frage nach einem sinnvollen Weihnachtsgeschenk sei damit beantwortet.

Nicht nur Keilbach wünschte dem Buch gute Nachfrage und den Lesern der Kreis-Chronik eine erkenntnisreiche, spannende Lektüre.

Ein Dank galt auch Kreisarchivar Alexander Rantasa für die Betreuung und Reiner Schmid vom Verlag Regionalkultur, der das Buch offiziell übergab, für die professionelle Erstellung.

Freie Autorin Freie Autorin für die Lokalausgabe Buchen

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