Hintergründe zum Thema Euthanasie
Das bedeutet Euthanasie:
Das ist NS-„Euthanasie“: Mit den anthropologischen, genetischen und eugenischen Forschungen der „Rassenhygieniker“ wurde ab Herbst 1939 der als „Euthanasie“ bezeichnete Mord an den Menschen gerechtfertigt, deren Leben nach NS-Ideologie „nicht lebenswert“ war.
Der Ort: Die Opfer der Region wurde vor allem nach Grafeneck (gelegen auf der Schwäbischen Alb) gebracht. Dort wurden über 10 000 Euthanasie-Opfer ermordet. In den Totenscheinen wurden die Todesursachen frei erfunden und den Angehörigen in einem standardisierten Schreiben mitgeteilt. red/mf
Buchen. Im Büro des Stadtarchivars Tobias-Jan Kohler riecht es nach Frischgedrucktem. Die 500 Exemplare des von der Stadt Buchen herausgegebenen Buchs sind eingetroffen. Es trägt den auf den ersten Blick etwas ungewöhnlichen Titel „Im Sammeltransport nach unbekannter Anstalt verlegt“. Dahinter steckt Bedrückendes: Für die Stadt Buchen und ihre heutigen Stadtteile sind mindestens 18 Personen bekannt, die im Zuge der NS-Euthanasie ermordet wurden. Sie wurden geboren oder lebten in Buchen, Götzingen, Hainstadt, Hettingen, Hollerbach, Rinschheim und Waldhausen. Deren Schicksale gehen die Autoren nach.
Erster Impuls von Ingrid Landwehr
Angesichts „der Schwere“ des Themas hält sich die Freude von Tobias-Jan Kohler über das Gelingen des Werkes ein wenig in Grenzen: „Es fällt schwer zu lächeln“, sagt er beim Fototermin. Doch dann, wenn er über die Arbeiten an dem Buch erzählt, merkt man, wie viel Herzblut für dieses Werk vergossen wurde, wie viel Zeit und Leidenschaft darin steckt. „Der erste Impuls kam von Ingrid Landwehr“, berichtet er. 2019 wurde ein Arbeitskreis gegründet, „und spätestens dann war klar, dass die Recherchen auch in einer Publikation münden sollen“. Es ist das erste Buchprojekt von Kohler in seiner Funktion als Stadtarchivar. Dieses Amt bekleidet er erst seit 2018.
Eine große Aufgabe der acht Arbeitskreismitglieder war es, Angehörige der Opfer aufzuspüren. Sechs wurden tatsächlich gefunden. „Allerdings waren die Reaktionen unterschiedlich“, berichtet Tobias-Jan Kohler. Nicht alle wollten über die Schicksale ihrer Familie reden oder zitiert werden. Eine namentliche Nennung für die Äußerungen der Angehörigen findet Kohler indes wichtig: „Sie geben den Schicksalen eine Würdigung“, meint er.
Natürlich sei man bei den Recherchen immer wieder in Sackgassen gelandet. Allerdings habe es nie solch einen Tiefpunkt gegeben, an dem man das Projekt hätte canceln wollen. Ende Juli waren die Texte fertig, dann wurde layoutet; gedruckt wurde bei „HennBauer Medien“ in Limbach. Das Buch kostet 24 Euro und ist über das Tourismusbüro erhältlich.
Diverse Autoren
Nach den Vorworten von Buchens Bürgermeister Roland Burger und Dr. Achim Brötel, dem Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, haben sich folgende Autoren des Themas angenommen und Beiträge geschrieben: Tobias-Jan Kohler, Dr. Hans-Werner Scheuing, Bernd Fischer, Isabelle Semma, Gerlinde Trunk, Peter Biller, Willi Biemer, Peter Bechtold und Herbert Albrecht. Ein Kapitel geht in eine etwas andere Richtung: Es handelt von der „Zwangssterilisation im Dritten Reich am Beispiel von Buchen“.
Flankierend zum Buch ist am Sonntag, 19. September, ein Stadtrundgang unter der Führung von Tobias-Jan Kohler geplant. Vom 21. September bis 17. Oktober wird im Foyer des Rathauses eine Wanderausstellung der Gedenkstätte Grafeneck zu sehen sein.
Das Buch „Im Sammeltransport nach unbekannter Anstalt verlegt“ wird am Montag, 20. September, um 19.30 Uhr in der Stadthalle Buchen öffentlich präsentiert.
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