Main-Tauber-Kreis. Christoph Schauders Bilanz über das Corona-Jahr 2021 fiel alles andere als beschaulich aus. Gegenüber den FN warf er dem baden-württembergischen Sozialministerium Versäumnisse vor und gab den Verantwortlichen in der Landeshauptstadt die Schuld „am schleppenden Impffortschritt in einer dynamischen Phase der Pandemie“. Die Impfzentren zum 1. Oktober 2021 zu schließen, bezeichnete der Landrat als „krasse Fehlentscheidung“. Seine Kritik gipfelte in der Behauptung: „Gegenüber dem Sozialministerium ist jeder Hühnerhaufen ein straff organisiertes Garderegiment.“
Der Bericht, am 31. Dezember in den FN veröffentlicht, kam in Stuttgart naturgemäß nicht besonders gut an. Amtschef Prof. Dr. Uwe Lahl höchstpersönlich antwortete dem Landrat noch am selben Tag – sechseinhalb Stunden vor dem Jahreswechsel – und schickte sein Schreiben auch an die Fränkischen Nachrichten.
Ohne Umschweife kommt Uwe Lahl sofort zur Sache. „Ihre Angriffe in den heutigen Fränkischen Nachrichten sind polemisch. Allein der Vergleich mit einem Hühnerhaufen ist eine Beleidigung – insbesondere für all die Menschen, die bei mir im Ministerium seit zwei Jahren ihr Bestes geben, bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus. Was denken Sie eigentlich, was das mit den Menschen macht, wenn sie am 31. Dezember so etwas am Frühstückstisch lesen müssen?“, schreibt Lahl nach Tauberbischofsheim.
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Auch in der Sache selbst liege Schauder völlig falsch. Die Kritik, für den schleppenden Impffortschritt verantwortlich zu sein, lässt der Amtschef nicht auf sich sitzen: „Wir haben seit Mitte November über 4,7 Millionen Impfungen verabreicht. So viel wurde in so kurzer Zeit noch nie in Baden-Württemberg verimpft. Wir sind kurz davor, 40 Prozent der Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs geboostert zu haben – innerhalb von sechs Wochen.“ Uwe Lahl weiter: „Machen Sie sich eigentlich kundig, bevor Sie derartige Behauptungen wie die schleppender Impffortschritte aufstellen? Und im Januar geht es weiter, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht. Für dieses Durchstarten beim Impfen wird das Land über 300 Millionen Euro aufwenden müssen.“
Im FN-Bericht hatte Landrat Schauder außerdem gesagt, dass der Kreis in der Impfstatistik des Landes im oberen Drittel liege. „Mit unserem Konzept des Vier-Säulen-Modells bringen wir jetzt noch einmal deutlich mehr Impf-PS auf die Straße“, hatte er die Selbsthilfe des Main-Tauber-Kreises umschrieben. Uwe Lahls Reaktion aus Stuttgart darauf: „Hatte ich nicht auch Ihnen am 18. November einen Brief geschrieben, wonach wir die Landkreise um ergänzende Aktivitäten zum Impfen vor Ort gebeten und unsererseits die Kostenübernahme zugesichert haben? Wir zahlen also alles, was Sie dort gerade ins Schaufenster stellen. Die Mobilen Impfteams hat das Land organisiert, mit Hilfe der Krankenhäuser. Die Impfstützpunkte, die technische Infrastruktur, die Gehälter der Mitarbeiter und vieles mehr – das alles geht zulasten des Landes. Geht so ,in Stich lassen?’“, so seine Frage, der er gleich noch ein „Angebot“ hinterherschickt: „Wenn Sie unsere Finanzierung nicht in Anspruch nehmen möchten, hierfür reicht eine kurze Mail.“
Schauders Vorwurf, das Land hätte die Impfzentren zu früh geschlossen, bezeichnete Lahl in seinem Brief als „Mär“: „Alle Bundesländer haben die meisten ihrer Impfzentren im September geschlossen, weil dort kaum noch jemand zum Impfen kam. Die Mitarbeiter haben Däumchen gedreht. Wir wussten doch alle, dass Omikron kommt und die Boosterung nötig wird, so verstehe ich Ihre Kritik.“ Dies sei eine weitere Behauptung, die so nicht stimme. Lahl dazu: „Wir konnten es nicht weiter verantworten, dass die Mitarbeiter in den Impfzentren von uns fürs Nichtstun bezahlt werden. Aber wir haben Vorsorge getroffen und alle werthaltigen Gegenstände der Impfzentren abgeholt und eingelagert. Deshalb konnten wir in der zweiten Novemberhälfte so schnell alles wieder hochfahren. Und wir haben die großen Impfzentren nicht wieder eröffnet, weil alle Akteure vor Ort flexiblere Angebote mit Mobilen Impfteams und dezentralen Stützpunkten wollten – so auch in Ihrem Landkreis. Wir haben mit diesem Vorgehen dem Land zweistellige Millionenbeträge gespart und verfügen jetzt über eine Struktur, mit der wir den Bürgern niederschwellige Angebote machen – keine großen Kreisimpfzentren, sondern viele dezentrale Aktivitäten.“
Ebenfalls noch am Silvesterabend erhielt Uwe Lahl wiederum Post von Christoph Schauder. Darin wies der Landrat den Vorwurf, seine Aussagen in den FN seien „polemisch“ gewesen, zurück.
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