Gesundheitswesen

Rotkreuzklinik Wertheim: Bürgerentscheid sorgt für Fragen

Sollen die Bürgerinnen und Bürger Wertheims darüber entscheiden, ob die Stadt das Ruder an der Rotkreuzklinik wieder selbst übernimmt? Vor allem die Frage, ob genügend Zeit zur Verfügung steht, erzeugt Sorgenfalten.

Von 
Gerd Weimer
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Nach dem Vorschlag des Oberbürgermeisters, einen Bürgerentscheid über die Zukunft der Rotkreuzklinik durchzuführen, gibt es viele Fragen. © FN/Active Art One

Wertheim. Grundsätzlich sind alle Fraktionen des Gemeinderats dafür offen, doch es gibt auch Bedenken und viele Fragezeichen, wie die Fränkischen Nachrichten erfuhren.

Ein Bürgerentscheid sei eine Option, meint Axel Wältz, Fraktionsvorsitzender der CDU. Der Gemeinderat müsse jedoch auch bereit sein, selbst eine Entscheidung zu treffen. Die Abstimmung könne frühestens im März durchgeführt werden und müsste im Dezember mit einer Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat beschlossen werden. Das Insolvenzverfahren sei allerdings „zeitkritisch und kann nicht ewig in die Länge gezogen werden“.

Bürger sollen abstimmen können

Letztlich müssten die Bürger über ein Verhandlungsergebnis abstimmen können, so Wältz. Gefühlt warte jeder auf den anderen. „Irgendjemand muss jetzt die Initiative ergreifen.“ Gespräche müssten jetzt geführt werden.

Wältz skizziert drei Szenarien. Die schlechteste Variante wäre, wenn das Krankenhaus ersatzlos schließt. „Das wollen wir auf keinen Fall.“ Er verweist auf „ein erhebliches finanzielles Risiko“ für die Stadt und spielt damit auf die Lasten der Altersversorgung für Mitarbeiter an, die noch in den Büchern der Klinik schlummern. Dem Vernehmen nach geht es hier um einen zweistelligen Millionenbetrag, der über Jahre den Haushalt der Stadt belasten würde.

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Lösung mit Gesundheitsholding Tauberfranken

Das günstigste Szenario ist für Wältz, wenn die Gesundheitsholding Tauberfranken, an denen der Main-Tauber-Kreis beteiligt ist, als Träger einspringt. Damit wären dann alle drei Kliniken im Landkreis unter einem Dach vereint. Vorteil dieser Lösung: Die Klinikstandorte könnten gegenseitig ergänzen und in Wertheim stünde die notwendige Fachkompetenz im Klinik-Management zur Verfügung. „Allerdings müsste die BBT-Gruppe mitspielen, da diese der Mehrheitsgesellschafter in der Holding ist und nicht der Main-Tauber-Kreis“, so Wältz.

Im dritten Szenario – die Stadt wird wieder Träger der Klinik – berge „ein finanzielles Risiko für die Stadt“. Zudem müsste ein Management aufgebaut werden. Vorteil einer kommunalen Trägerschaft wäre, dass kommunale Häuser in der Regel ein großes Vertrauen in der Bevölkerung haben und die Versorgung gesichert wäre, argumentiert Wältz.

Die Situation rund um die Zukunft der Rotkreuzklinik Wertheim stelle den Gemeinderat und auch seine Fraktion vor große Herausforderungen und sorge für „erhebliche Sorgenfalten“, berichtet SPD-Fraktionschef Patrick Schönig. Sollte die Stadt die Klinik ganz oder teilweise in ihre Trägerschaft zurücknehmen, werde dies weitreichende Konsequenzen für die Investitionen beziehungsweise „generellen Möglichkeiten unserer Stadt in den kommenden Jahren haben“. Projekte, die aktuell in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen sind, stünden möglicherweise zur Disposition. Auch im laufenden Ergebnishaushalt müsste man sparen.

Da eine erfolgreiche medizinische und somit auch finanzielle Zukunft der Klinik wesentlich von der Akzeptanz des Hauses in der Bevölkerung abhängte, „kann ich es durchaus nachvollziehen und unterstützen, dass im Rahmen eines Bürgerentscheides die Bevölkerung dazu befragt wird und somit auch den Weg für eine solch große Entscheidung mit ebnen würde“. Wichtig dabei sei, dass im Vorfeld eines solchen Entscheides die Bürgerinnen und Bürger der Stadt „umfassend über alle Eventualitäten und prognostizierbaren Folgen informiert werden“. Gleichzeitig müsse auch die Frage, über die abgestimmt werden soll, „eindeutig und klar“ formuliert werden.

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Versorgungskatastrophe in Wertheim droht

„Wichtig ist es aktuell jedoch, dass wir als Stadt Wertheim mit Bund und Land, aber auch mit anderen Kommunen in Kontakt treten und von diesen auch nicht alleine gelassen werden.“ Das gelte sowohl für den Landkreis als auch für die Nachbargemeinden. Das Krankenhaus habe eine medizinische Bedeutung über die Stadtgrenzen hinaus. „Ein Wegfall der Klinik käme einer Versorgungskatastrophe gleich“, so Schönig.

Ein Bürgerentscheid zum Erhalt der Rotkreuzklinik sei grundsätzlich „ein sehr gutes demokratisches Instrument, die gesamte Bürgerschaft in die Entscheidungsfindung einzubeziehen“, so Songrit Breuninger, Fraktionschefin der Freien Bürger. Der Erhalt des Krankenhauses sei mit Sicherheit „in unser aller Interesse“. Dennoch gebe es noch sehr viele offene Fragen, die vor einem Bürgerentscheid beantwortet werden müssten: Beispielseise wie eine mögliche Trägerschaft künftig aussehen könnte, da verschiedene Konstellationen möglich sind. „Welche Hilfen sind seitens des Landes und Landkreises zu erwarten? Inwieweit sind unsere bayerischen Nachbarkommunen bereit, sich einzubringen? Wie geht es weiter mit dem MVZ in Kreuzwertheim? Was bedeutet das künftige Krankenhausreformgesetz für unser Krankenhaus?“, fragt Songrit Breuninger.

Sollte eine kommunale Trägerschaft erwünscht sein, müssten auch noch Details geklärt und erörtert werden, zum Beispiel wer die Geschäftsführung übernehmen soll oder wer damit beauftragt werden soll. Auch Songrit Breuninger verweist auf die finanziellen Konsequenzen für die Große Kreisstadt auf Jahre hinaus. Gebühren- und Steuererhöhungen, Streichungen bestimmter Leistungen im sozialen wie kulturellen Bereich, weitere Kürzungen von Investitionen müssten vermutlich folgen. Eine weitere Verschuldung des Haushaltes wäre die Konsequenz, so Songrit Breuninger.

Die Zeit drängt

Um die „genauen Informationen“ zu ermitteln, bräuchte es viel Zeit, „die wir eigentlich nicht haben“. „Als nächstes müsste dann eine umfangreiche Information an die Bürgerschaft erfolgen“, was enormen Zeitaufwand erfordere.

„Von daher sehen wir zunächst große Probleme bei der genauen Fragestellung zum Bürgerentscheid. Dies sollte aber zunächst erst der Gemeinderat in aller Ruhe und Ausführlichkeit diskutieren“, so die Fraktionsvorsitzende der Freien Bürger.

„Oberstes Ziel für uns ist der Erhalt des Wertheimer Krankenhauses“, meint Richard Diehm von der Grünen-Fraktion. Denn ohne Krankenhaus fehle in Wertheim ein wichtiger Teil der Infrastruktur und der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung. „Aufgrund der enormen Reich- und Tragweite, und wenn die Übernahme der Klinik durch die Stadt Wertheim die letzte Option ist, halten wir die Idee eines Bürgerentscheides für den richtigen Weg“, so Diehm.

Wissenswertes zum Bürgerentscheid

Bei einem Bürgerentscheid übernimmt die Bürgerschaft eine Entscheidung über eine Angelegenheit, mit der eigentlich der Gemeinderat betraut ist. Der Bürgerentscheid hat die gleiche Wirkung wie ein Gemeinderatsbeschluss.

Ein Bürgerentscheid kann entweder über ein Bürgerbegehren verlangt werden, oder der Gemeinderat beschließt mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Mitglieder, dass eine Abstimmung durchgeführt wird (Ratsreferendum).

Der Gemeinderat legt einen Termin für deb Bürgerentscheid an einem Sonntag fest. Die stimmberechtigten Bürger müssen bis zum 20. Tag vor dem Votum durch eine Veröffentlichung oder mit einer schriftlichen Information über die Auffassung von Gemeinderat und Bürgermeister zur Sache unterrichtet werden.

Die Frage auf Stimmzettel des Bürgerentscheids muss so formuliert sein, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann.

„Die gestellte Frage wird in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde. Diese Mehrheit muss mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten betragen“, wird auf dem Beteiligungsportal Baden-Württemberg erklärt. Wird dieses sogenannte Abstimmungsquorum nicht erreicht, muss der Gemeinderat über die Angelegenheit entscheiden. Beantworten gleich viele Bürger die Frage mit Ja oder Nein, gilt die Frage als mit Nein beantwortet.

Der Verein „Mehr Demokratie!“ veröffentlicht jährlich einen Bürgerbegehrenbericht. In der aktuellen Ausgabe von Juni 2023 werden seit 1956 bis 2022 insgesamt 8958 Verfahren auf kommunaler Ebene gelistet. Davon waren 7448 Bürgerbegehren (83,1 Prozent). Daraus folgten 4503 Bürgerentscheide.

1510 der 8958 Verfahren waren durch den jeweiligen Gemeinderat initiierte Ratsreferenden. Dies entspricht einem Anteil von knapp 17 Prozent. Dieser Wert ist für die letzten Jahre relativ konstant.

In den vergangenen fünf Jahren wurden laut dem Bericht durchschnittlich 300 neue Verfahren pro Jahr eingeleitet. Im Jahr 2022 waren es mit 245 etwas weniger als in den Jahren zuvor. In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 37 Verfahren eröffnet, davon waren 31 Bürgerbegehren und sechs Ratsreferenden. Aus den 37 Verfahren gingen neun Bürgerentscheide hervor.

Etwa die Hälfte aller Verfahren seit 1956 konzentrieren sich auf zwei Bundesländer. Dabei setzt sich Bayern mit etwa 40 Prozent aller Verfahren deutlich vor Baden-Württemberg mit etwa zwölf Prozent ab.

Die durchschnittliche Abstimmungsbeteiligung bei Bürgerentscheiden betrug 50,9 Prozent. Die Beteiligung in kleinen Gemeinden liegt dabei deutlich über der in größeren Städten und Landkreisen.

Deutschlandweit erreichte seit 1956 jeder achte Bürgerentscheid das Zustimmungsquorum nicht. Ein solches Zustimmungsquorum gilt in den meisten Bundesländern.

Betrachtet man nur die Bürgerentscheide, so waren 52 Prozent von ihnen erfolgreich im Sinne der Abstimmungsvorlage.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide wurden überwiegend in den 1990erJahren eingeführt. kabu

Bürger benötigen Informationen

Wenn der Gemeinderat die Entscheidung in die Hand der Bürger und Bürgerinnen Wertheims lege, sei es jedoch „selbstredend, dass jede und jeder, der zur Wahlurne schreitet, über alle notwendigen Informationen verfügt, um eine rationale Entscheidung treffen zu können“. Der Gemeinderat müsse sich auch im Klaren sein, dass ein Bürgerentscheid „immer ein Risiko ist und ganz egal wie dieser ausfällt, die Entscheidung der Wertheimer Bürgerschaft dann zu akzeptieren ist“.

Gleichwohl hoffe man, dass es dem Generalhandlungsbevollmächtigten Boddenberg und seinem Team gelinge, einen anderen Träger zu finden, ganz egal ob das der Landkreis oder das Land Baden-Württemberg sein wird und somit ein Bürgerentscheid nicht notwendig werde.

„Wir finden den Vorschlag sehr gut und begrüßen eine echte Beteiligung der Bürgerschaft mit diesem geplanten Bürgerentscheid“, so Stefan Kempf, Fraktionsvorsitzender der Bürgerliste. Die Bevölkerung müsse sich wieder mehr mit dem Krankenhaus identifizieren und es wertschätzen.

„Aber so sehr wir auch alle an dem Krankenhaus hängen, den Gesundheitsstandort halten und es natürlich retten möchten, muss doch jeder auch genau wissen, was das unter Umständen insgesamt für Wertheim bedeutet, falls wir die Trägerschaft und den Betrieb wirklich alleine übernehmen sollten“, fordert Stefan Kempf. Die finanziellen Spielräume im Haushalt seien dann sehr eingeschränkt.

Es müssten Ausgaben drastisch verringert und Einnahmen deutlich erhöht werden, um das jährliche Defizit, welches eine solche Klinik bisher mit sich bringt, ausgleichen zu können. „Schließlich wurde damals das städtische Krankenhaus nicht ohne Grund abgegeben“, so Kempf, der auch auf den aktuellen Ärzte- und Fachkräftemangel verweist. „Sollte es zu einem Bürgerentscheid kommen, würden wir dies sehr begrüßen und positiv begleiten“, verspricht Kempf.

Redaktion Reporter Wertheim

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