Gesundheitswesen

Wertheim kämpft um sein Krankenhaus

Rotkreuzklinik befindet sich im Schutzschirmverfahren. Politik macht sich stark für neue Lösung. Bundesweit Probleme

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Der Generalhandlungsbevollmächtigte Mark Boddenberg sprach über die Zukunft des Wertheimer Krankenhauses. © Buchholz

Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Ganz Wertheim bangt um die Existenz der Rotkreuzklinik. Die Hiobsbotschaft über das Insolvenzverfahren Anfang September machte klar, dass die Bürger der Main-Tauber-Stadt und der Umgebung die Krise der deutschen Krankenhäuser deutlich zu spüren bekommen.

Die Kommunalpolitik wurde von der Entwicklung überrascht, obwohl das Krankenhaus seit Jahren tiefrote Zahlen schreibt. Jetzt greifen die Parteien das Thema auf. Wie der Wertheimer CDU-Stadtverband, der vor einigen Tagen im „Zorbas“ eine Forumsveranstaltung anbot, bei dem das ursprüngliche Thema, das soziale Pflichtjahr, beinahe zur Nebensache geriet.

Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Jochen Wältz machte klar, dass die Bemühungen für den Erhalt der Klinik eine überparteiliche Angelegenheit seien. Bei der Veranstaltung waren mit Brigitte Kohout (SPD), Thomas Wettengel (Bürgerliste) und Richard Diehm (Grüne) Vertreter anderer Fraktion unter den etwa 50 Anwesenden. Auch Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez war gekommen.

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Axel Wältz, Fraktionsvorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion, bedauerte, dass das Schutzschirmverfahren „zur ungünstigsten Zeit“ begonnen habe, weil unklar sei, wann die Krankenhausreform wirkt. „Als Kommunalpolitiker kann ich mir Wertheim ohne ein Krankenhaus nicht vorstellen“, sagte er. Man müsse alles versuchen, um es zu erhalten. Es sei wichtig für den Wirtschaftsstandort und besonders für die Mitarbeiter, die dem Haus „auch in schwersten Zeiten die Treue gehalten haben“.

Kommunale Beteiligung?

Auf jeden Fall werde es ohne Trägerwechsel nicht funktionieren. Es sei wahrscheinlich ein Modell mit kommunaler Beteiligung notwendig. Sowohl auf Stadt- als auch auf Kreisebene müsse eine „fraktionsübergreifende Lösung“ gefunden werden. Brigitte Kohout pflichtete bei und sagte: „Es wäre Wahnsinn, wenn das tolle Haus geschlossen werden müsste.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nina Warken sagte, es sei wichtig, für die Häuser im ländlichen Bereich mit einem Vorschaltgesetz finanzielle Mittel bereitzustellen, damit sie die Zeit überbrücken können. Das verschaffe den Kliniken Zeit, sich neu aufzustellen. Gebe es diese Gelder nicht, laufe es für viele Häuser auf eine „kalte Sanierung“ hinaus. „Wir brauchen dieses Krankenhaus, weil rund 50 000 Menschen durch die Klinik versorgt werden“, sagte OB Herrera Torrez.

Sanierer äußern sich

Bei einer SPD-Veranstaltung sprachen dann vor kurzem auch die Sanierer der Rotkreuzklinik. Die Konzentration auf Fachbereiche, weniger Betten und externe Partner, die Räumlichkeiten übernehmen – dieses Konzept soll das Wertheimer Krankenhaus aus der Krise führen.

Ein Treffen mit den niedergelassenen Ärzten, eine Betriebsversammlung im Krankenhaus und dann noch eine Veranstaltung mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Florian Wahl vor Wertheimer Publikum: Die Terminpläne des Generalhandlungsbevollmächtigten Mark Boddenberg und des Krankenhaus-Beraters Christian Höftberger sind dieser Tage voll.

Ihre Mission: Das Krankenhaus auf dem Reinhardshof retten und in eine erfolgreiche Zukunft führen. Neben schlüssigen Konzepten und vielen Gesprächen mit potenziellen Trägern und Geldgebern braucht es dazu eine gute Portion Optimismus. Diesen strahlt Boddenberg, der seit 20 Jahren Krankenhäuser durch Insolvenzen begleitet, aus. Er glaube fest daran, dass die Klinik nicht geschlossen werden muss, betont er.

Dass der Insolvenzverwalter auch andere von jenem Glauben an die Wertheimer Klinik überzeugen kann, bewies Boddenberg bei der Informations- und Diskussions-Veranstaltung im Haus der Begegnung auf dem Wartberg. Etwa die Hälfte der rund 70 Zuhörer – unter ihnen Angestellte des Krankenhauses, Gemeinderäte und Kommunalpolitiker – hatten zu Beginn der Veranstaltung die Hand gehoben auf die Frage vom SPD-Kreisvorsitzenden Thomas Kraft, ob sie sich Sorgen um die Zukunft des Wertheimer Krankenhauses machen.

Nach fast zwei Stunden geballter Informationsflut zeigten die meisten auf, dass sie nun optimistischer in die Zukunft des Krankenhauses blicken würden.

Wie stellt sich die Situation an der Rotkreuzklinik dar? Das Wertheimer Krankenhaus schreibt tiefrote Zahlen: Für dieses Jahr werde das Defizit bei sechs Millionen Euro liegen, sagte Boddenberg. Für das nächste Jahr rechnet Berater Christian Höftberger aufgrund verschiedener Ursachen, wie etwa der Entwicklung der Lohnkosten bei nur leicht steigender staatlichen Förderung, mit einem deutlich höheren Verlust.

Attraktiv für neue Träger macht die Klinik ihr „flammneues“ Gebäude und die „erstklassige Ausstattung“. Ein Haus ohne Sanierungsstau, das gebe es in seiner Welt sonst nicht, betonte Boddenberg.

Eine wichtige Ressource ist zudem das vorhandene, angestellte Personal: „Ich wurde bei der Personalversammlung gefragt, ob Leute entlassen werden. Meine Antwort war: ,Nein’“, sagt der Insolvenzverwalter. Allerdings sei es möglich, dass Arbeitskräfte künftig an anderer Stelle eingesetzt werden.

Sparen wird die Klinik jedoch beim „zugekauften“ Fremdpersonal: Die über Zeitarbeitsfirmen zum Ausgleich von Personalmangel eingestellten Fachkräfte kosten der Klinik das 2,5-Fache bei gleicher Arbeit.

Wie geht der Insolvenzverwalter vor? „Unsere Aufgabe ist es in den kommenden Wochen, ein neues Konstrukt zu bilden und eine neue Trägerschaft zu finden. Wenn mir das nicht gelingt, wird ihr Krankenhaus schließen müssen“, verdeutlichte Boddenberg die ernste Lage. Das Vorgehen richte sich dabei nach den starren Vorgaben des Gesetzes.

Bis zum 1. Dezember befindet sich das Krankenhaus in der Antragsphase des Schutzschirmverfahrens.

Rote Zahlen vielerorts

In einer weiteren SPD-Veranstaltung dieser Tage, diesmal in Tauberbischofsheim, ging es um das Thema „Unser Krankenhaus und die Reform“. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl skizzierte hier die allgemeine Lage der Krankenhäuser im Land, die deutlich schlechter sei als die in anderen Bundesländern: „Fast 50 Prozent der 297 Kliniken schreiben rote Zahlen“, betonte der Politiker vor dem Hintergrund, dass das Land seit 2008 schon einen Konsolidierungsweg eingeschlagen habe. Fast 50 Häuser wurden bis heute geschlossen.

Thomas Wigant, der Regionalleiter der BBT-Gruppe für Tauberfranken-Hohenlohe, ergänzte später seine Erfahrungen und Einschätzungen. Ein Grundproblem sei, dass Kliniken mit zwei Wirtschaftssystemen arbeiten müssten.

Auf der Einnahmeseite seien die Preise für Leistungen festgesetzt, wie in einer Planwirtschaft. Bei den Ausgaben herrschten aber die Bedingungen des Marktes. Sachkosten, Energie und Personal steigen durch Inflation oder Tarifverhandlungen. Diese Steigerungen würden aber bei den Leistungsvergütungen nicht, nicht vollständig oder erst später berücksichtigt. Es entstehe eine Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben. kabu/wei/kab/sabix

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