Bronn/Honsbronn. Aus dem Dunkel der Geschichte und der Verdrängung ans Tageslicht: Mit der Verlegung von Stolpersteinen wird in Bronn vier Menschen gedacht, die unter dem Terror des Nazi-Regimes gelitten haben. Boleslaw Galus wurde erhängt.
Es war eine würdige und wichtige Gedenkfeier über acht Jahrzehnte nach dem Tod von Boleslaw Galus: Zahlreiche Einwohner der Weikersheimer Dörfer Bronn und Honsbronn, aber auch aus Weikersheim und Umgebung nahmen an der feierlichen Verlegung von vier Stolpersteinen teil. Die Bodendenkmale gelten den Mitbürgern Boleslaw Galus, Paula Nicklas, Heinz Paczkowski und der aus Montabaur stammenden Maria Löwenguth. Sie verbrachte 1940 einige Zeit bei Bekannten in der kleinen Ortschaft – und geriet in den furchtbaren Strudel der Denunziation. Löwenguth wurde Anfang 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Der polnische Zwangsarbeiter Boleslaw Galus wurde wegen seiner Beziehung zu den beiden Frauen 1941 an einem Waldstück nördlich von Honsbronn öffentlich gehenkt. Die schwangere Paula Nicklas kam in Haft und nach der Geburt ihres Sohnes Heinz bis 1944 ins KZ. Eine Entschädigung erhielt sie nie. Der Sohn wurde seiner Mutter weggenommen und zunächst in Creglingen aufgezogen. Heinz (Nicklas) Paczkowski lebt heute 82-jährig in Elpersheim.
Weikersheims Bürgermeister Nick Schuppert erinnerte in einem Leitwort unter großer Anteilnahme der Bevölkerung an den Hintergrund der Aktion „Stolpersteine“. Das Projekt wurde von dem deutschen Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Mittlerweile erinnern über 100 000 Tafeln als größtes dezentrales Mahnmal der Welt an das Schicksal von Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.
Durch das Gedenken, so Schuppert, „setzen wir ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Hass und Intoleranz. Wir verpflichten uns, diese schrecklichen Ereignisse niemals zu vergessen und uns dafür einzusetzen, dass sich so etwas nie wiederholt.“ Es gehe auch darum, „unseren Respekt und unsere Anerkennung für die Menschen zum Ausdruck zu bringen, die unter solch unsäglichen Bedingungen gelitten haben“, so Schuppert.
Der Bürgermeister würdigte insbesondere die sorgfältigen Recherchen und die historische Forschungsarbeit von Hartwig Behr, Günter Breitenbacher und Rolf Mailänder.
„Ein furchtbares Verbrechen“
Ortsvorsteher Franz-Josef Dertinger führte in die geschichtliche Dimension der Ereignisse ein: Vor über 80 Jahren „wurde hier während des Zweiten Weltkrieges vom damaligen nationalsozialistischen Terrorregime ein furchtbares Verbrechen begangen.“ Der polnische Kriegsgefangene Boleslaw Galus, der als Zwangsarbeiter in Bronn eingesetzt war, wurde wegen „Rassenschande“ ohne ein Gerichtsverfahren mit dem Tod am Galgen bestraft. Über die näheren Umstände lag lange Zeit der Mantel des Schweigens. In der Bevölkerung „war und ist vieles bis heute nicht genauer bekannt“. Viele Jahre später beschäftigten sich Claus Peter Mühleck als Chefredakteur der Tauber-Zeitung und der Historiker Hartwig Behr mit dem Nationalsozialismus, mit den Kriegswirren, mit den Ereignissen und Schicksalen aus dieser Zeit. 1995 – zum 50. Jahrestag des Kriegsendes – berichteten beide im Gewehrhaus von Schloss Weikersheim über das Schicksal von Galus.
23 Jahre später wurde auf Initiative von Rolf Mailänder am Hinrichtungsort hinter dem Kugelfang des ehemaligen Honsbronner Schützengeländes eine Gedenktafel für Boleslaw Galus angebracht. Es folgte die Anregung zu Stolpersteinen durch einen Gemeinderatsvorschlag von Christiane Geier und eine erste Verlegung an den Wohnhäusern jüdischer Mitbürger im März 2022.
Dertinger: „Der Ortschaftsrat Honsbronn/Bronn begrüßt ausdrücklich die Verlegung der Stolpersteine – als ein Zeichen einer dauerhaften Erinnerung an die Zeit der NS-Gewaltherrschaft, als eine Mahnung für uns Alle, wozu Rassismus und Diktatur führen können.“ Umrahmt wurde die Feier vom Posaunenchor Elpersheim mit Weisen, die Versöhnung und das Aufeinander-Zugehen in den Mittelpunkt stellten. Im Anschluss an die Feier in Bronn wurde am Hinrichtungsort bei Honsbronn ein Kranz angebracht.
Info: Die Gedenkreden (Auszüge unten) wurden vorgetragen von Christa Behr in Vertretung ihres Mannes Hartwig, Eberhard Ehrmann (Bronn), Dennis Röhrig (Stadtarchiv Montabaur) und Heinz Paczkowski (Elpersheim).
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