Man warf ihm „Rassenschande“ vor. Und deshalb wurde Boleslaw Galus erhängt. Ein politischer Mord ohne Urteil. Jetzt werden Stolpersteine für die Opfer verlegt. Ungewöhnlich: Es wird auch an einen noch lebenden Elpersheimer erinnert.
Weikersheim. Die Tat war in höchstem Maß menschenverachtend: In den Morgenstunden des 27. Juni 1941 findet in der Nähe des früheren Schützenhauses von Honsbronn oberhalb von Weikerheim eine öffentliche Hinrichtung statt. Der polnische „Zivilarbeiter“ Boleslaw Galus wird an einem am Bergwald aufgerichteten Galgen gehenkt. Die Zwangsarbeiter von den Landwirtschaften rund um Bronn/Honsbronn müssen der grausamen Hinrichtung zur Abschreckung zusehen.
Galus war schon ab dem Jahr 1939 als Kriegsgefangener auf einem Hof in Bronn beschäftigt gewesen. Der Grund für seine Ermordung zwei Jahre später: Eine Beziehung – wohl eher ein Techtelmechtel – mit zwei jungen Frauen im Ort. Eine wird schwanger.
Mit der Verlegung von vier so genannten Stolpersteinen erinnert Weikersheim jetzt an das furchtbare Verbrechen der Nazizeit: Am 30. Juni findet eine Gedenkveranstaltung statt, die in der Bronner Ortsmitte beginnt. Bürgermeister Nick Schuppert wird ebenso sprechen wie Ortsvorsteher Franz-Josef Dertinger. Hintergründe und Erläuterungen gibt es dabei von einer Weikersheimer Historikergruppe, die sich intensiv mit dem Fall-Komplex beschäftigt hat. Erwartet wird auch ein Vertreter der Stadt Montabaur – eines der weiblichen Opfer stammte aus dem Westerwald.
Nach der Geburt weggenommen
Mit einem öffentlichen Gedenken an jüdische Weikersheimer Mitbürger hat am 10. März 2022 bereits eine Stolperstein-Verlegung im Hauptort stattgefunden. Den Fall Galus hatte man damals bewusst ausgeklammert um ihn separat zu würdigen.
Im Einzelnen geht es um ein bleibendes Gedenken an Boleslaw Galus, Paula Nicklas, Maria Löwenguth und Heinz Paczkowski. Der Letztgenannte ist der Sohn aus der Verbindung zwischen Galus und Nicklas. Seine Mutter wurde damals ebenso wie Maria Löwenguth verhaftet, öffentlich durch das Scheren ihrer Haare gedemütigt und ins KZ eingeliefert.
Sohn Heinz wurde seiner Mutter weggenommen und an eine Pflegemutter in Creglingen übergeben. Heute lebt Heinz Paczkowski in Elpersheim. Er nahm bereits im November 2018 an der Einweihung einer Gedenktafel an der noch bestehenden Kugelfang-Mauer des ehemaligen Schützengeländes nördlich von Honsbronn teil. Initiiert hatte die Gedenkstätte am Platz der Hinrichtung von Boleslaw Galus der gebürtige Weikersheimer Rolf Mailänder.
Mailänder hatte den Mantel des Schweigens, der nach dem Krieg über den Ereignissen lag, durch Recherchen und mit großer Unterstützung durch den Historiker Hartwig Behr gelüftet und sich maßgeblich für eine Erinnerungskultur eingesetzt. Die furchtbaren Ereignisse und die vier Opfer dürften nicht in Vergessenheit geraten, sagte Mailänder damals. An dem Fallbeispiel könne man sehr deutlich sehen, „wozu Rassismus und Diktatur führen können“.
Info: An der Stolpersteinverlegung in Bronn (nahe innerörtlicher „Kreisverkehr“) kann jeder Interessierte teilnehmen: Am 30. Juni wird die Feier um 17 Uhr mit Musikstück und Begrüßungen eröffnet. Es folgen Gedenkreden zu den einzelnen Persönlichkeiten. Im Anschluss ist eine Fahrt zur Hinrichtungsstätte mit Kranzniederlegung vorgesehen
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