Tauber-Odenwald. Fasten bedeutet Verzicht und innere Einkehr, dient der Gewinnung neuer Kraft und soll reinigende Wirkung haben. Nicht nur im Christentum wird gefastet, sondern in allen Weltreligionen. „Die besten aller Heilmittel sind die Ruhe und das Fasten“, hat Benjamin Franklin, Gründervater der Vereinigten Staaten, gesagt. Aus Hermann Hesses indischer Dichtung „Siddhartha“ stammt das Zitat „Jeder kann zaubern, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er denken kann, wenn er warten kann, wenn er fasten kann“. Ein Blick in die Weltreligionen zeigt, warum und wie dort gefastet wird.
Fasten im Christentum
Fastenzeit im Christentum bedeutet Buße zu tun und die Nähe zu Gott zu suchen. Sie beginnt am Aschermittwoch und endet in der Osternacht. Orientiert ist sie an Jesus Christus, der 40 Tage in der Wüste gefastet hat, bevor er sein öffentliches Leben begann. Geprägt ist sie durch Enthaltsamkeit. Es gilt nicht nur, sich auf Gott zu besinnen, sondern auch, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Demut zu üben.
Die frühere Fastenordnung in der katholischen Kirche war wesentlich strenger als die heutige. In der Fastenordnung für die Bistümer des Deutschen Reiches von 1930 wurde festgelegt, dass an Fastentagen nur einmal am Tag eine volle Mahlzeit eingenommen wird und am Morgen und Abend eine kleine Stärkung ausreichen sollten. An den Abstinenztagen galt, komplett auf Fleisch zu verzichten. Eier, Milch, Schmalz, Grieben und Margarine waren hingegen erlaubt. Auch Fleischbrühe durfte man – mit Ausnahme am Karfreitag – zu sich nehmen.
Als Fasten- und Abstinenztage wurden der Aschermittwoch, die Freitage der 40-tägigen Fastenzeit, der Karsamstag bis 12 Uhr am Mittag und die Freitage der vier jährlichen Quatemberwochen festgelegt. Die Quatemberwochen sind von den „Quatuor tempora“ – den vier Jahreszeiten – abgeleitet und liegen, entsprechend dem Beginn einer neuen Jahreszeit, im März, im Juni, im September und im Dezember.
Bloße Fasttage waren darüber hinaus die übrigen Wochentage der 40-tägigen Fastenzeit, die Mittwoche und Samstage der vier jährlichen Quatemberwochen, die Vigiltage vor Weihnachten, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen. Bloße Abstinenztage waren alle Freitage außerhalb der Fasten- und der Quatemberzeit.
Vom Fastgebot waren diejenigen ausgenommen, die jünger als 21 oder älter als 59 Jahre waren sowie alle, die schwere Arbeit leisten mussten oder eine schwache Gesundheit hatten. Vom Abstinenzgebot befreit waren Kinder, die jünger als sieben Jahre waren, Kranke oder Arme. Erlassen wurde die Abstinenz mit Ausnahme des Karfreitags auch für Wanderer, Reisende, Fahrpersonal von Verkehrsmitteln, Wirte, Gaststättenbesucher, Personen in nichtkatholischen Haushalten, Militärangehörige und deren Familien sowie Schwerarbeiter.
1966 wurde das Fasten- und Abstinenzgebot in der katholischen Kirche als Rahmenordnung neu geregelt. Heute schreibt die Kirche den Gläubigen nicht mehr detailliert vor, auf welche Weise sie während der Fastenzeit als Vorbereitung auf das Osterfest, an dem die Auferstehung Christi gefeiert wird, fasten oder büßen sollen. Allgemein heißt es: „Konsequenterweise bilden Gebet, Fasten und Verzicht sowie Freigebigkeit (Spenden) und Fürsorge (Nächstenliebe) drei ineinander verschränkte Elemente dieser Einstimmung.“
Es heißt allerdings, dass das Fasten „eine spürbare Reduktion von Nahrungs- und Genussmitteln“– Alkohol, Tabak und Fleisch – beinhaltet. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Menschen nach dem 59. Geburtstag, Kranke, Reisende, Schwerarbeiter und am fremden Tisch Eingeladene sind vom Fastengebot ausgenommen. An allen Freitagen der Fastenzeit gilt, wie auch sonst im Kirchenjahr, zusätzlich der Verzicht auf Fleischspeisen ab einem Alter von 14 Jahren. Dieser Verzicht soll regelmäßig an den Tod Jesu Christi am Kreuz erinnern.
In der orthodoxen Kirche sind die Regeln mit vier mehrwöchigen Fastenzeiten restriktiver. An allen Fastentagen sind Fleisch, Eier und Milchprodukte, an strengen Fastentagen auch Fisch, Öl und Wein verboten.
In der evangelischen Kirche gibt es keine Fastenregeln. Martin Luther schrieb 1520 in der Schrift „Von den guten Werken“: „Es sind leider viele blinde Menschen, die ihr Kasteien, es sei Fasten, Wachen oder Arbeiten, allein darum üben, weil sie meinen, es seien gute Werke, dass sie damit viel verdienen.“ Luther vertrat in seiner Rechtfertigungslehre die Auffassung, dass sich der Mensch die Gnade Gottes nicht erarbeiten könne, sondern sie, laut Botschaft des Evangeliums, geschenkt bekomme.
Die evangelische Kirche hat die Fastenaktion „7 Wochen ohne“ vor gut 40 Jahren für die Passionszeit ins Leben gerufen. 2024 steht sie unter dem Motto „Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge“. Das Projekt „Der Andere Advent“ gibt es seit 30 Jahren. Beide Aktionen sollen auf die zwei großen christlichen Feste, Ostern und Weihnachten, vorbereiten.
Fasten im Islam
Das Fasten ist die dritte von fünf Säulen im Islam. Die Grundlage findet sich in Sure 2,183 bis 187. 185 lautet: „Der Monat Ramadan ist es, in dem der Koran herabgesandt wurde als Rechtleitung für die Menschen und als deutliches Zeichen der Rechtleitung und der Unterscheidungsnorm. Wer von euch nun in dem Monat anwesend ist, der soll in ihm fasten.“
Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondjahres und verschiebt sich jährlich um zwei Wochen. 30 Tage lang sollen Muslime in dieser Zeit zwischen Sonnen-auf- und Sonnenuntergang nicht essen, trinken und keinen Sex haben. Seele und Körper sollen gereinigt, die Beziehung zu Gott und den Mitmenschen gefestigt werden. Auch Almosen haben eine besondere Bedeutung im Ramadan, der 2024 am Sonntag, 10. März, begann und am Dienstag, 9. April, endet.
Durch die Pflichtgabe Zekat reinigen gut betuchte Menschen während des Ramadan ihr Vermögen. 2,5 Prozent werden an Bedürftige gespendet. Vom Fasten ausgenommen sind diejenigen, die krank, schwanger, gebrechlich, auf Reisen oder als Soldaten im Krieg sind. Auch jüngere Kinder müssen nicht fasten.
Abends, nach Sonnenuntergang, findet das Fastenbrechen in größeren Gruppen statt, was den familiären Zusammenhalt und die Gemeinschaft fördert. Als erstes wird eine Dattel gegessen, Wasser oder Milch getrunken. Am letzten Fastentag beendet das Id Al-Fitr den Ramadan.
Fasten im Judentum
Der höchste und wichtigste Festtag im Judentum ist der Versöhnungs- und Fastentag Jom Kippur. Er wird zehn Tage nach dem Neujahrsfest Rosch ha-Schana gefeiert und ist ein strenger Fastentag, an dem nicht einmal das Trinken von Wasser erlaubt ist. Auch die Körperpflege und Sex sind untersagt. Voraussetzung für die Versöhnung mit Gott ist an diesem Tag die Versöhnung mit den Mitmenschen. Juden müssen sich bei allen Menschen entschuldigen, die sie schlecht behandelt haben.
Am Tag selbst finden fünf Gottesdienste statt: das Kol Nidrei-Gebet am Vorabend, das Schacharit-Gebet am Morgen, das Mussaf-Gebet im heiligen Tempel, das Minche-Gebet, in dem das Buch Jona gelesen wird, und das Ne’ila Gebet, das den Höhepunkt darstellt. Mit dem Blasen des Schofarhorns wird Jom Kippur offiziell beendet. 2024 fällt Jom Kippur auf den 12. Oktober.
Daneben gibt es weitere Fastentage, an denen an traurige Ereignisse in der jüdischen Geschichte gedacht wird: der 9. Aw, an dem zwei Mal die Tempel in Jerusalem zerstört wurden – einmal durch die Babylonier, das zweite Mal durch die Römer. 24 Stunden wird auf Essen und Trinken verzichtet. Weitere Fastentage sind der Bar-Kochba-Aufstand, den die Römer 135 nach Christus blutig niedergeschlagen haben, und der Beginn der Inquisition in Spanien, in dessen Folge alle Juden Spanien verlassen mussten.
Fasten im Hinduismus
Der Hinduismus ist eine Religion, die dem Einzelnen große Freiräume lässt. Feste Fastenzeiten oder -rituale existieren im Hinduismus nicht. Viele Hindus fasten, um die Seele zu reinigen, oder der Gottheit, die sie verehren, nahe zu sein. Jeder Hindu kann sich seinen Gott individuell selbst aussuchen. Anhänger von Shiva fasten dann an seinem Ehrentag Shivaratri, Jünger Krishnas an seinem Geburtstag Janmasthami. Für Gurus und Mönche hat die Askese einen hohen Stellenwert. Sie verzichten zum Teil über einen längeren Zeitraum auf alles, was nicht überlebenswichtig ist.
Mahatma Gandhi, der vielen Hindus als Vorbild gilt, fastete regelmäßig und sagte: „Die Fastenzeiten sind Teil meines Wesens. Ich kann auf sie ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, das ist das Fasten für die innere.“ Mit dem Fasten und seinem 388 Kilometer langen Salzmarsch verfolgte er das politische Ziel der Unabhängigkeit Indiens von der Kolonialmacht England. Auch heute gibt es in hinduistisch geprägten Ländern Idealisten, die durch ihren Verzicht auf Nahrung auf Unterdrückung, Ungerechtigkeiten oder Korruption aufmerksam machen wollen.
Fasten im Buddhismus
Wie im Hinduismus fehlen auch im Buddhismus verbindliche Fastenregeln. Buddha lehnte die Selbstkasteiung ab, wandte sich aber sowohl gegen die Völlerei als auch gegen den Hunger. Er präferierte den Weg der Mitte. Um zur Erleuchtung zu kommen, müsse jedes Individuum seinen eigenen Weg aus der von Leid geprägten Gesellschaft finden, lautet ein Prinzip. Wie es das tut, ist jedem selbst überlassen. Ein Ritual, um dem Weg aus dem immerwährenden Kreislauf der Wiedergeburt zu entrinnen, kann das Fasten sein.
Da der Buddhismus unterschiedliche Glaubensrichtungen in verschiedenen Ländern aufweist, unterscheiden sich die Traditionen. Teilweise wird zum Fest der Geburt, der Erleuchtung oder des Tods Buddhas gefastet. Verankert ist das Fasten in der monastischen Kultur. Buddhistische Mönche und Nonnen verzichten ab 12 Uhr mittags auf Nahrung, um sich auf ihre Meditation konzentrieren zu können.
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