FN-Serie „Fitness“

Tauberbischofsheim: Karate schult Körper und Geist

FN-Volontär Rainer Schulz versucht sich zum ersten Mal im Karate beim TSV Tauberbischofsheim. Was bei der Sportart besonders ist

Von 
Rainer Schulz
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Die Schüler trainieren durch mehrmaliges wiederholen Fauststoßübungen. Dabei ist wichtig, dass man einen festen Stand hat. Cheftrainer Schlatt korrigiert die Bewegungsabläufe. © Rainer Schulz

Tauberbischofsheim. „Rainer, du musst deine Faust richtig anlegen – nicht hinten am Rücken, sondern seitlich an deinem Körper“, ruft Cheftrainer Schlatt mir zu. Er wird von allen nur Schlatt genannt. Dies wird nicht der letzter solcher Rufe an diesem Dienstagabend sein. Die ersten Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn. Man merkt mir an, dass ich neu in dieser Sportart bin. Ich stehe mit nackten Füßen in der Sporthalle der Grundschule am Schloss in Tauberbischofsheim. Mein rechtes Bein ist nach hinten ausgestreckt, mein Linkes nach vorne angewinkelt. Mein linker Arm ist ausgestreckt und meine Finger ballen sich zu einer Faust. Meine rechte Faust ist seitlich angelegt. Ich nehme an einem Karatetraining des TSV Tauberbischofsheim teil.

Beim Training wird mir bewusst, dass ich eine falsche Vorstellung vom Karate hatte. Es gibt hier kaum Körperkontakt, nicht wie beim Judo oder Ringen. Auch das Kämpfen und Kraft stehen nicht im Vordergrund, sondern unter anderem die Körper- und Selbstbeherrschung. Das macht sich gleich zu Anfang des einstündigen Trainings bemerkbar. Die Schüler stehen in einer Reihe. Beim Kommando „seiza“ wird sich hingekniet, beim Kommando „mokuso“ schließen wir die Augen zum Meditieren. „Atmet tief ein und ganz lange aus“, sagt Schlatt. Mit Entspannungstechniken, Atemübungen und Meditation steigere der Karateka seine Konzentrationsfähigkeit und Körperwahrnehmung, erklärt er mir.

Im Karate ist der Respekt füreinander besonders wichtig

Bevor wir zum Aufwärmen übergehen, verneigen sich Schüler und Trainer voreinander. „Was hat es sich mit dem Verbeugen auf sich?“, werde ich Schlatt später fragen. Rituale seien im Karate wichtig. Es gebe einen besonders wichtigen Spruch, der Karate treffend beschreibe. „Karate beginnt und endet mit Respekt“,sagt der Meister. Wir zollen unserer Kunst und dem Trainer Respekt. Aber auch der Trainer verbeuge sich vor seinen Schülern. „Ein Trainer ohne Schüler ist auch nichts wert. Im Training zollen wir auch unserem Partner Respekt.“ Dies drücke Dankbarkeit dafür aus, dass er mit einem trainiere. Höflichkeit und Respekt sei ein großes Element. Das spiegele sich auch im Alltag wider. Ein richtiger Karateka sei ein höflicher Mensch.

Rund um Karate

„Karate-Do“ bedeutet „der Weg zur leeren Hand“. Man ist unbewaffnet. Sieg oder Niederlage sind im Karate nicht ausschlaggebend, sondern die Selbstbeherrschung.

Karate gilt als Weg zur Selbstfindung und Selbsterfahrung.

Es entsteht kaum Körperkontakt beim Trainieren.

Karate ist ein guter Ausgleichssport. Es werden Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Körperbeherrschung und der Geist geschult.

Kraft und körperliche Statur spielen in der Karate-Selbstverteidigung eine untergeordnete Rolle.

Karate ist für junge, ältere und körperlich eingeschränkte Menschen geeignet.

Die weiße Kleidung steht für Reinheit. Farbige Gürtel zeigen das Schülerniveau.

Weitere Informationen zu Karate in Tauberbischofsheim findet man unter ryozanpaku.de und in Walldürn unter sportkarate-wallduern.de. ra

Im Laufe des Abends werden meine Muskeln auf jede erdenkliche Weise beansprucht. Von Balanceübungen beim Aufwärmen, zur Plank-Übung bis hin zu schnellen Fuß- und Fauststoßübungen. Wichtig dabei: Fuß- und Fauststöße werden im Training und im Wettkampf vor dem Auftreffen abgestoppt. Karate lehre Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein, sagt Schlatt.

Bei den Übungen wechseln wir nach einer Einheit unseren Partner. Dadurch trainieren verschiedene Leistungsgrade miteinander und können voneinander lernen. Für mich als Anfänger ist dies besonders hilfreich. Mein Körper fühlt sich von Minute zu Minute lockerer an. Durch das harte Training spüre ich, wie sich die Anspannung des Tages langsam löst. „Für diesen Effekt kommen viele zum Training“, sagt Schlatt.

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Nach Übungen mit Fuß- und Fauststößen gehen wir als Nächstes zu Abwehrtechniken über. Die richtige Laufbewegung muss bei all diesen gezeigten Übungen erstmal gelernt sein. Am Anfang sieht bei mir noch alles etwas linkisch und krumm aus, stellt der Trainer fest. Schlatt hat für mich den richtigen Tipp. „Mache deinen Schritt etwas breiter und bewege dich wie in einem Halbkreis nach vorne. So hast du einen festen Stand und du kommst gerade nach vorne.“ Langsam habe ich den Dreh raus. Mit jeder Übung werden meine Bewegungen geschmeidiger. Ich bin überrascht, wie viel Spaß mit das Ganze macht.

Der weiße „Dogi“ symbolisiert die Reinheit

Im Karate stecke eine große Philosophie. Das fange schon bei der Kleidung an. Diese heiße „Dogi“, sagt Schlatt. Er symbolisiere die Reinheit und die Unabhängigkeit vom sozialen Rang. Nur bei den Gürteln gebe es Unterschiede. So werden verschiedene Farben verwendet, die den Fortschrittsgrad zeigen: Weiß stehe für den Beginn des Trainings, die Farbe Schwarz ist der Meistergrad. „Je länger jemand Meister ist, desto weißer wird der Gürtel durch Abnutzung vom Training. Man geht zum Ursprung zurück und schließt damit den Kreislauf“, erklärt der Schwarzgurt-Meister.

Bei dieser Partnerübung werden Fußstöße geübt. Nach einem Übungsablauf werden die Partner gewechselt. © Rainer Schulz

Das Ziel bei Karate sei es, über körperliche Ertüchtigung geistige Reife zu erlangen. Man versuche, wieder leer zu werden. Das heiße, den Alltag hinter sich zu lassen, sich von negativen Gedanken und Gefühlen zu befreien. Nur wer leer sei, könne auch wieder gefüllt werden. „Der Zauber von Karate ist, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen diesen Sport ausüben können“, sagt Schlatt. Karate sei ein sozialer aber auch ein individueller Sport.

Das Training neigt sich dem Ende zu. Ich spüre, dass ich langsam aus der Puste komme. Ich weiß jetzt schon, dass ich heute sehr gut schlafen werde. Vielleicht erwartet mich morgen früh Muskelkater. Das nehme ich aber in Kauf. Ich bin vom Karatetraining begeistert. Für jemanden, der einen Ganzkörpersport sucht, der Beweglichkeit, Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Selbstverteidigung schult und den Kopf frei macht, lohnt es sich, Karate auszuprobieren.

Volontariat

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