Tauberbischofsheim/Grünsfeld. Wanja Kurzyk weilte über den Jahreswechsel in Thailand im Urlaub, als ihn die Nachricht seines Werkstattleiters erreichte: „Hier ist alles kaputt, jemand wütet und zerstört gerade alles auf unserem Firmengelände.“ Er habe es zunächst nicht glauben wollen, so der Firmenchef im Gespräch mit den FN. Deshalb habe er sich sofort auf sein Videokamerasystem geschaltet – und sich so einen ersten Überblick von jenen Verwüstungen verschafft, für die ein 38-jähriger ehemaliger Mitarbeiter verantwortlich zeichnet. Dieser hatte einen 24 Tonnen schweren Bagger gekapert, auf dem Betriebsareal in Grünsfeld alles zerstört, was ihm vor die Schaufel kam, um sich dann auf den Weg nach Tauberbischofsheim zu machen – zum zweiten Firmensitz von Wanja Kurzyk.
„Der Schaden allein hier in Grünsfeld dürfte sich auf mindestens zehn Millionen Euro belaufen“, schätzt Kurzyk, der noch am Abend des Neujahrstags zurückgekehrt ist. Zwar laufe der Geschäftsbetrieb weiter – gut ein Dutzend Bagger sind draußen auf Baustellen der Bahn –, doch für den Chef des Dienstleisters heißt es jetzt zunächst einmal, vor Ort die Schäden aufzunehmen und diese schätzen und dann regulieren zu lassen.
Gut ein Dutzend hochwertige Zwei-Wege-Bagger, dazu neuwertige Radlader und mehrere Firmenwagen sind Opfer der Amokfahrt geworden. Die meisten der Baustellenfahrzeuge befänden sich gerade zur Inspektion auf dem Betriebsgelände. Denn es sei von der Bahn vorgeschrieben, dass jeder Bagger nach 500 Betriebsstunden detailliert gewartet und die Bahn anschließend darüber informiert wird.
Firmenchef: Bagger hätte mit Schuss gestoppt werden können
„Ich werfe der Polizei völliges Versagen dahingehend vor, dass sie die Baggerfahrt nicht schon in Grünsfeld oder kurz danach gestoppt hat“, übt Kurzyk gegenüber unserer Zeitung deutliche Kritik am – nach seiner Ansicht – zögerlichen Verhalten der Behörden. Die Polizei hätte den Bagger mit einem gezielten Schuss in den Reifen, der im Übrigen nicht ausgeschäumt sei, oder auf den Hydraulikschlauch anhalten können – etwa durch Schützen auf der Brücke bei Distelhausen, so Kurzyk.
Und weiter: „Wäre dabei die Hauptleitung getroffen worden, wäre der Tank in kürzester Zeit leer gewesen – der Koloss wäre zum Stillstand gekommen.“
Zudem wäre es nach seiner Meinung auch möglich gewesen, den Notaus-Schalter im Außenbereich des Baggers zu drücken – etwa noch auf dem Firmenareal, oder spätestens dann, als der Bagger mit lediglich 8 bis 10 km/h bergan in Richtung Tauberbischofsheim unterwegs war. Auch dann wäre die Fahrt zu Ende gewesen.
Bewegungsmelder löst Alarm aus: Eindringen über Nachbargrundstück
Der 38-Jährige, der später in Tauberbischofsheim von einer Polizeikugel tödlich getroffen wurde, sei bis 2022 in Grünsfeld beschäftigt gewesen, bevor er selbst gekündigt habe. Wanja Kurzyk bezeichnet den Mann als „schwierigen Charakter“. Er habe zuletzt immer wieder mal Probleme bereitet und den Firmenchef auch bedroht. So sei er vor längerer Zeit sogar in dessen Privathaus eingedrungen.
Deswegen habe es auch eine einstweilige Verfügung gegeben, wonach sich der Mann nicht mehr habe nähern dürfen. Diese habe allerdings für das Unternehmensgelände in Grünsfeld gegolten.
Trotz der ganzen Umstände habe er, so der Chef des Dienstleisters weiter, nie daran gedacht, den Mann zu entlassen – vor allem auch deshalb nicht, weil er vierfacher Familienvater gewesen sei.
Nach Auskunft von Wanja Kurzyk sei der 38-Jährige über ein Nachbargrundstück gekommen und über den Zaun geklettert. Dabei sei der Alarm via Bewegungsmelder ausgelöst worden, woraufhin die Polizei alarmiert wurde. Der Werkstattleiter sei zu diesem Zeitpunkt ebenfalls auf dem Grundstück gewesen, um noch etwas zu erledigen, als er plötzlich vernommen habe, „wie etwas laut schepperte und gerade einer der Lkw zerstört wurde“, beschreibt Kurzyk jenen Moment, als das Unheil seinen Lauf nahm.
Einheitliche Schlüssel erleichtern Bagger-Diebstahl
Doch wie war es denn dem ehemaligen Mitarbeiter überhaupt möglich, den Bagger zu starten? „Alle Schlüssel sind einheitlich. Mit einem Liebherr-Schlüssel kann ich jeden Bagger dieser Marke starten, mit einem CAT-Schlüssel alle CAT-Bagger“, erklärt der Unternehmer. Deswegen sei es nicht allzu schwierig gewesen, das spätere Tatfahrzeug zu entwenden.
Trotz aller gegenwärtigen Probleme soll der Betrieb auf allen Baustellen – planmäßig – weiterlaufen, ist abschließend zu erfahren. Derzeit sei Liebherr dabei, „alle freien Maschinen bundesweit für uns zu blocken“, bis die eigenen Bagger und Radlader wieder repariert sind, was einige Wochen in Anspruch nehmen dürfte. Aus diesem Grund würden derzeit erfahrene Monteure vorzeitig aus ihrem Urlaub geholt, um rasch aktiv werden zu können.
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