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Tauber-Odenwald: „Wir brauchen eine Katzenschutzverordnung“

Obwohl Tierschutzorganisationen seit Jahren Alarm schlagen, bleibt die Umsetzung von Katzenschutzverordnungen mit Kastrations- und Registrierungspflicht gerade in dünn besiedelten Regionen ein Problem. Warum ist das so?

Von 
Sabine Holroyd
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Ein Platz auf ihren Schultern ist sehr begehrt: Jasmin Paul. © Sabine Holroyd

Tauber-Odenwald. Der Deutsche Tierschutzbund beobachtet diese Entwicklung mit wachsender Sorge. „Allein in Deutschland leben schätzungsweise zwei Millionen Straßenkatzen – viele davon stammen ursprünglich aus unkastrierten Hauskatzenbeständen, die unkontrolliert Nachwuchs in die Welt setzen.“

Die Forderung des Verbandes ist klar: eine flächendeckende Kastrationspflicht für Freigängerkatzen – und zwar gesetzlich verankert und kontrolliert. Vor allem in ländlichen Regionen stoßen von Tierschutzvereinen betriebene Tierheime und Ehrenamtliche längst an ihre Grenzen.

Jasmin Paul ist die „Katzenfrau“ des Bad Mergentheimer Tierheims. Während des Gesprächs mit den FN in einem der Katzenzimmer sitzt eine Katze bei ihr auf der Schulter, eine andere reibt schnurrend ihr Köpfchen an Jasmin Pauls Beinen, eine dritte – offensichtlich die abenteuerlustigste - will unbedingt spielen. Jasmin Paul kümmert sich als zweite Tierschutzvereinsvorsitzende auch um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Tierheims, ist neben den Katzen für Kleintiere sowie die Mittelbeschaffung zuständig. Das alles macht sie ehrenamtlich neben ihrem Vollzeitjob.

„Über kostendeckendes Arbeiten brauchen wir nicht zu reden“

2022 verzeichnete der Tierschutzverein Bad Mergentheim 223 Fundkatzen, im Jahr 2023 285 und im vergangenen Jahr 325 Katzen – ein neuer Höchststand. Elf Gemeinden haben mit dem Tierheim einen Vertrag abgeschlossen und können bestimmte Fundtiere dort abgeben. Die Pauschale dafür beläuft sich pro Einwohner auf rund 90 Cent plus Mehrwertsteuer.

„Das“, sagt Jasmin Paul, „ist gut gemeint. Nur reicht es hinten und vorne nicht aus. Um die Tiere halbwegs kostendeckend versorgen zu können, wären laut Landestierschutzbund etwa 2,50 Euro nötig.“ Sie erklärt: „2023 ließen wir etwa 85 verwilderte Katzen auf Vereinskosten kastrieren und tätowieren, 2024 waren es um die 125. Die Kosten für eine Kätzin belaufen sich auf bis zu 200 Euro, für einen Kater bis 140 Euro. Vom Land gibt es aus einem Förderprogramm pro Katze 80 Euro, für einen Kater 40 Euro Zuschuss. Bei 10.000 Euro ist Schluss. Danach übernimmt das Tierheim alle Kosten. Bei acht Tierpflegerinnen, die wir beschäftigen und die aus dem Vereinsmitteln bezahlt werden, brauchen wir über kostendeckendes Arbeiten nicht zu reden.“

Die kleine Akima ist nur eine von vielen kranken Katzen. © Tierheim Bad Mergentheim

Seit 2002 ist Tierschutz ein Staatsziel in Deutschland. Artikel 20a des Grundgesetzes besagt, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung schützt. Jasmin Paul meint dazu: „Papier ist geduldig. Dieses Thema ist auf die Kommunen mit ihren ohnehin schmalen Budgets abgeschoben worden, die noch viele weitere ,Baustellen‘ haben. Also zahlen sie im Rahmen des Fundtiervertrags ihren Obolus und haben damit ihre Schuldigkeit getan. Und die Bundesrepublik ist fein raus.“

Bayern und Baden-Württemberg gehören zu jenen Bundesländern, die mit einer Zuständigkeitsverordnung den Landkreisen und Kommunen die Regelung der Kastrationspflicht überlassen haben. Für einige Orte bestehen Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten sowohl über das kommunale Ordnungsrecht als auch über den Paragraf 13b des Tierschutzgesetzes, wenn der jeweilige Landkreis eine entsprechende Verordnung erlassen hat. Laut Deutschem Tierschutzbund haben in der Region Tauber-Odenwald Adelsheim, Aglasterhausen, Buchen (ab Oktober), Hardheim, Höpfingen, Möckmühl, Mosbach, Osterburken, Ravenstein, Rosenberg, Schefflenz, Seckach, Walldürn (ab September) sowie Wittighausen eine Verordnung auf Basis dieses Paragrafens in der Katzenschutzverordnung erlassen.

„Wir müssen uns die fragwürdigsten Sachen anhören“

Für Jasmin Paul steht fest: „Wir brauchen diese Katzenschutzverordnung, denn so wie bisher können wir nicht mehr weitermachen. Schließlich vermehren sich die wilden Katzen auch mit nicht kastrierten Freigängerkatzen. Da müssen wir uns die fragwürdigsten Sachen anhören nach dem Motto: ,Wenn der Kater sich drei, vier Jahre ausgetobt hat, dann lasse ich ihn wahrscheinlich kastrieren.` Bis dahin hat der Kater statistisch gesehen jedoch rund 1000 Nachkommen produziert. Es gibt auch Leute, die eine Kastration aus religiösen Gründen ablehnen. Ein weiteres Problem komme noch hinzu: „Einige Menschen lassen ihre Katzen nicht aus Böswilligkeit unkastriert, sondern weil sie sich die tierärztliche Behandlung schlichtweg aufgrund der Wirtschaftslage nicht leisten können. Auch dafür müssen Lösungen gefunden werden – wie beispielsweise städtische Zuschüsse, wie sie seit 2024 Bad Mergentheim anbietet.“

Immer wieder werden Tiere auch irgendwo ausgesetzt oder in einer Box vor dem Heim abgestellt. Jasmin Paul erzählt: „Wir hatten schon den Fall, dass Leute uns ihr eigenes Tier als Fundtier ,verkaufen‘ wollten. Und einmal wurde uns eine Hündin gemeldet, der irgendwo angebunden worden war. Das Tier war hochgradig krank und muss dort tagelang Höllenqualen ausgestanden haben. Wir ließen sie umgehend tierärztlich behandeln, aber sie hat es leider nicht geschafft.“

Umgeben von mittlerweile fünf verspielten Katzen, räumt Jasmin Paul auch mit einem weit verbreiteten Argument gegen die Katzenschutzverordnung auf: „Sie führt nicht dazu, dass Gemeinde-Mitarbeitende von Tür zu Tür laufen und kontrollieren, ob die Katzen alle kastriert sind.“ Vielmehr müsse auch jetzt schon Hinweisen auf Katzen-Hotspots nachgegangen werden.

Mehr Sicherheit und Handlungsspielraum

Sie erläutert: „Tierschutzvereine dürfen Katzen auf Privatgrundstücken oder in Wohnräumen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Eigentümer oder Mieter sichern – auch in Gemeinden mit Katzenschutzverordnung. Die Verordnung selbst erlaubt keinen automatischen Zugang zu privaten Flächen. Wenn jedoch unkastrierte Katzen gemeldet werden, können Ordnungs- oder Veterinäramt viel einfacher unterstützend hinzugezogen werden. Das erleichtert das rechtliche Vorgehen für Tierschutzvereine erheblich. Zudem dürfen Fundkatzen sowie draußen aufgegriffene beziehungsweise gesicherte Katzen nach wenigen Tagen rechtssicher kastriert werden. Das schafft für Tierschutzvereine mehr Sicherheit und Handlungsspielraum – zum Wohl der Tiere. Ohne eine Katzenschutzverordnung können wir uns leider noch nicht so einbringen, wie wir das als Verein gerne möchten. Doch wir haben überall tolle Leute, die sich ehrenamtlich kümmern. Dafür sind wir sehr dankbar.“

Für Jasmin Paul steht fest: „Obwohl der Tierschutzverein Bad Mergentheim jedes Jahr auf eigene Kosten mehr Katzen kastrieren lässt, haben wir im Tierheim nicht weniger Katzen. Das heißt, es werden mehr Katzen ausgesetzt, und es gibt mehr unkastrierte Hauskatzen als Freigänger, die sich mit unkastrierten verwilderten Tieren paaren. Wenn Kommunen behaupten, kein Katzenproblem zu haben, liegt es meistens daran, dass die wilden Tiere scheu und nachtaktiv sind. Wenn man verwilderte Katzen im Pulk zu sehen bekommt, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“, weiß sie und erklärt: „75 Prozent unserer Tierheim-Tiere sind Katzen. Wenn wir eine gesunde Katze bekommen, ist das fast wie ein Sechser im Lotto. Die allermeisten haben jedoch Schnupfen, Parasiten oder sind verletzt. Chronisch kranke Katzen geben bei der Paarung oder über die Muttermilch ihre Krankheit von Generation zu Generation weiter. Unendliches Katzenleid ist die Folge.“

Eine Katzenkastrationspflicht führe mit der Zeit zu einer gesünderen Katzenpopulation und einer geringeren Zahl wildlebender Tiere. „Dann könnten wir uns endlich auch mal umfassender Tierschutzarbeit widmen und müssen nicht immer nur Schadensbegrenzung bei den Katzen leisten.“

Die Zahl der Straßenkatzen steigt

Der Deutsche Tierschutzbund fordert darüber hinaus eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang. „Das Elend der Tiere, das bei unkontrollierter Vermehrung nicht in den Griff zu bekommen ist, sowie überfüllte Tierheime durch unerwünschten Katzennachwuchs sind schon lange keine lokalen, sondern deutschlandweite Tierschutzprobleme. Laut einer Umfrage des Tierschutzbundes verzeichnen bereits die Mehrheit, nämlich 71 Prozent der befragten Tierschutzvereine, steigende Straßenkatzen-Populationen. Wir wollen, dass Politik und Gesellschaft hinschauen und das Leid der Straßenkatzen als das wahrnehmen, was es ist: eines der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland.“

Das Katzenleid und die wachsende Population der Straßenkatzen hätten eine Dimension erreicht, die den praktischen Katzenschutz deutschlandweit zum Kollabieren gebracht habe: Straßenkatzen seien die Nachkommen nicht kastrierter Freigänger-Hauskatzen oder auch ausgesetzter oder zurückgelassener Tiere. „Darum“, so der Tierschutzbund, „sind sie auf die Hilfe von Menschen angewiesen: Als domestizierte Tierart jagen sie nicht so geschickt wie ihre wilden Vorfahren. Ohnehin finden sie meist nur wenig Beute und können sich selbst und ihren Nachwuchs nicht dauerhaft ausreichend versorgen. Ein regelrechter Teufelskreis beginnt: Mangelhaft ernährte Straßenkatzen erkranken schneller. So geschwächt haben die Tiere wiederum noch weniger Erfolg bei der Jagd. Zwangsläufig sind viele Straßenkatzen unterernährt und können Krankheiten kaum noch etwas entgegensetzen.“

„Wir stoßen auf viel Unverständnis und Ignoranz“

Jasmin Paul hat viele Bilder mitgebracht von Kätzchen, die verletzt und krank im Tierheim abgegeben wurde. Fotos, die nichts mit den Postkartenidyllen niedlicher Kätzchen gemein haben. Einigen davon konnte nicht mehr geholfen werden, sie mussten eingeschläfert werden. Das Thema macht sie traurig. „Über das Wütendsein“, sagt sie, „bin ich schon lange hinaus. Ich verstehe die Probleme der Städte und Gemeinden, aber so wie jetzt können wir Tierschützer unseren Job nicht mehr machen. Wir stoßen auf so viel Unverständnis und auch Ignoranz. Außerdem haben wir ja den Ruf als tierliebe Menschen, die die Tiere da draußen schon nicht eingehen lassen und sich statt wegzusehen dann doch kümmern.“ Dabei mache eine Katzenschutzverordnung den Kommunen nicht mehr Arbeit und koste auch nicht mehr Geld. „Uns ist es als Verein wichtig, dass sie erst einmal erlassen wird – zum Wohl der Tiere.“

Eine Umfrage der hessischen Landestierschutzbeauftragten unter Gemeinden mit Katzenschutzverordnung hat ergeben, dass 29 von 40 Kommunen durch diese Verordnung keinerlei Kosten entstanden seien. Sechs gaben an, dass Personalkosten anfielen – diese wären jedoch ohnehin entstanden, da die behördlichen Maßnahmen nur bei Bekanntwerden konkreter Umstände erfolgten, die ein Tätigwerden auch ohne eine Verordnung nach sich ziehen würden. Eine Kommune teilte mit, die Kosten für die Kastrationen zu tragen, drei übernähmen die Kosten für die Unterstützung von Tierheimen, die die Verordnung faktisch umsetzen.

32 Gemeinden gaben an, keinen oder nur sehr geringen Aufwand durch die Anwendung der Katzenschutzverordnung zu haben.

Mehr Informationen gibt es unter www.landestierschutzverband-bw.de und www.tierschutzbund.de. Das Tierheim Bad Mergentheim ist unter www.tierschutzverein-mergentheim.de erreichbar. Wer in Sachen Katzenschutzverordnung Fragen hat, kann sich per E-Mail an Jasmin Paul unter jasmin.paul@tierheim-mergentheim.de wenden.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim

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