Landesweites Pilotprojekt

Main-Tauber-Kreis: „Ausbildung plus 1“ sagt Fachkräftemangel Kampf an

Das Pilotprojekt „Ausbildung plus 1“ zielt darauf ab, Flüchtlinge und Migranten mit geringen Deutschkenntnissen durch eine verlängerte Berufsausbildung in den Arbeitsmarkt zu integrieren und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Von 
Klaus T. Mende
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© Gewerbliche Berufsschule

Main-Tauber-Kreis. „Ausbildung plus 1“ lautet der Titel eines Pilotprojekts in Baden-Württemberg für Flüchtlinge und Migranten, das schlussendlich das Ziel hat, freie Ausbildungsstellen zu besetzen und somit dem Fachkräftemangel in vielen Branchen erfolgreich ein Schnippchen zu schlagen. Als „Spiritus Rector“ managt Minouche Sonnekalb, Leiterin Dual Education & Studies bei der Wittenstein SE in Igersheim-Harthausen, die Maßnahme, die im September an der Gewerblichen Berufsschule Bad Mergentheim startet und durchaus künftig auch auf ähnliche Bildungseinrichtungen in Tauberbischofsheim und Wertheim ausgeweitet werden kann.

Großer Bedarf

Wie groß der Bedarf an Fachpersonal ist, zeigt der Umstand, dass bereits rund ein Dutzend namhafte Unternehmen und Einrichtungen (Bass in Niederstetten, ebm-papst in Mulfingen, Hainbuch in Marbach, MHZ in Niederstetten, Ruck Ventilatoren in Boxberg, Saint-Gobain in Wertheim, Wirthwein in Creglingen, Wittenstein SE in Harthausen, Würth in Bad Mergentheim) mit im Boot sitzen – Tendenz steigend. „Es gibt bereits weitere interessierte Unternehmen, die gerne mitmachen wollen“, so Sonnekalb im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Sie haben die Möglichkeit, sich in den Bereichen Industriemechaniker, Maschinen- und Anlagenführer, Elektroniker für Betriebstechnik, Mechatroniker, Fachkraft für Metalltechnik und Werkzeugmacher ausbilden zu lassen. Und auch die Zahl der Jobs könnte ausgeweitet werden.

Bei einer Infoveranstaltung an der Gewerblichen Schule in der Badestadt seien die Verantwortlichen "überrannt" worden, so die Mitarbeiterin des Maschinenbauunternehmens. Neben Unternehmensvertretern hätten 70 Personen aus unterschiedlichen Ländern durch ihre Teilnahme Interesse bekundet und die Zeit danach genutzt für einen äußerst regen Austausch.

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„Der gute Austausch mit dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit im Voraus half dabei die in Frage kommenden Zielgruppe zu identifizieren und zu einer Teilnahme zu motivieren“, freut sich Minouche Sonnekalb. Nun bleibe zu hoffen, dass bei den teilnehmenden Betrieben genügend Bewerbungen eingehen, damit im September eine Klasse mit mindestens 16 Personen an den Start gehen kann.

Erfreulich: Die ersten Bewerbungen seien bereits eingegangen und mittlerweile auch positiv beschieden worden.

Mit guten Bleibeperspektiven

Und was verbirgt sich jetzt unter „Ausbildung plus 1“? „Dies ist ein Angebot für Flüchtlinge und Migranten mit geringen Deutschkenntnissen und guten Bleibeperspektiven“, klärt Minouche Sonnekalb auf. Mit den Modellen ‚1+2‘ und ‚1+3‘ böten IHK, Gewerbliche Schule Bad Mergentheim und mehrere Unternehmen aus der Region eine ganz speziell gestaltete Berufsausbildung. „Die Verlängerung der regulären Lehrzeit um ein Jahr ermöglicht intensiven fachspezifischen Sprachunterricht und die Aufarbeitung von unterschiedlichen Schulbildungsinhalten. Dies erfolgt hauptsächlich an der Gewerblichen Schule in Bad Mergentheim.“

Azubis seien aber auch von Beginn an in die praktische Ausbildung der Betriebe integriert. Auch an der Gewerblichen Schule erhielten sie während der gesamten Lehre berufsorientierten, praktischen Unterricht. Die Ausbildung erfolge im üblichen Dualen System – lediglich über einen verlängerten Zeitraum hinweg.

„Ziel des Modells ist der erfolgreiche Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung mit Zeugnis der IHK“, erklärt die Wittenstein-Mitarbeiterin weiter. Die Intention des Modellprojekts „Ausbildung plus 1“, das vom Regierungspräsidium Stuttgart und dem baden-württembergischen Kultusministerium unterstützt wird, auf einen Nenner gebracht: Flüchtlingen und Migranten Sprachbarrieren ebnen, ihnen eine erfolgreiche Ausbildung in sieben verschieden Berufen bei vollständiger Bezahlung während der gesamten Zeit ermöglichen, die Integration in Gesellschaft/Arbeitswelt erleichtern und somit etwas aktiv gegen den Mangel an Fachkräften tun.

In anderen Bundesländern sei solch eine Maßnahme bereits mit großem Erfolg durchgeführt worden. „Seit 2016 zum Beispiel im Zuständigkeitsbereich der IHK Coburg mit Merouane Qsiyer als Projektleiter“, teilt Minouche Sonnekalb mit. Von dort habe sie es übernehmen dürfen, schmunzelt sie, und auf die hiesigen Rahmenbedingungen übertragen.

Sehr zufrieden

In Oberfranken sei man sehr damit zufrieden und habe in den vergangenen acht Jahren 192 Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund in den Ausbildungsprozess des Kombimodells in Metall- und Logistikberufen vermittelt. Die Absolventen seien aus nahezu zwei Dutzend Ländern gekommen, darunter Eritrea, Äthiopien, Armenien, Pakistan, Argentinien, Marokko, Kolumbien, Equador oder Botswana. Es habe sich bezahlt gemacht, die Lehrzeit zu verlängern, um unter anderem die (fachspezifischen) Deutschkenntnisse der Menschen deutlich zu steigern. Das Kombimodell in Oberfranken sei bereits mit dem dortigen Integrationspreis ausgezeichnet worden. Die Zahl der beteiligten Firmen gehe stetig nach oben, ebenso deren Zufriedenheit mit jenem großen Mehrwert, den dieses Vorhaben mit sich bringe.

Potenzial vorhanden

Wenn sämtliche Protagonisten an einem Strang zögen, so Managerin Minouche Sonnekalb, solle dieses Pilotprojekt auch im Main-Tauber-Kreis auf fruchtbaren Boden fallen, um dann im Ländle Schritt für Schritt weitere Nachahmer zu animieren. Das Potenzial sei in jedem Fall vorhanden, es müsse lediglich "herausgekitzelt" werden.

Infos rund um das Pilotprojekt gibt es bei Minouche Sonnekalb, E-Mail: minouche.sonnekalb@wittenstein.de

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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