Bad Mergentheim. Leises Maunzen und Wimmern ist an einem frühen Freitagmorgen vor kurzem in der Nähe des Tierheims Bad Mergentheim zu hören. Als die Tierpflegerin den seltsamen Geräuschen auf den Grund geht, traut sie ihren Augen nicht. Etwas versetzt vom Hoftor steht schräg in der Böschung eine Katzentransportbox. Darin: eine total verschmuste Katzenmutter mit ihren sechs frisch geborenen Babys. Ein echtes Wunder, dass sich keine Wildtiere daran zu schaffen gemacht haben oder ein Auto auf dem engen Weg zur Burg Neuhaus dort hineingefahren ist. Und das ist nur ein Beispiel – aktuell ist das Tierheim Bad Mergentheim mit herrenlosen Katzenkindern und Mutterkatzen randvoll.
„Wir sind an der Belastungs- und Belegungsgrenze angekommen“, berichtet die zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Mergentheim und Umgebung, Jasmin Paul: „Vor Penelope hatten wir nur zwei Katzen mit Jungen, das war überschaubar. Mittlerweile sind es neun, einen Teil davon konnten wir auf unsere zwei Pflegestellen verteilen. Die restlichen Boxen in der Quarantäne- und Krankenstation sind mit teilweise schwerkranken Katzenkindern belegt, die jede Menge Pflege benötigen.“
Jasmin Paul bittet daher eindringlich darum, vor der Abgabe eines Fundtieres unbedingt unter Telefon 07931 / 44960 auf den Anrufbeantworter im Tierheim zu sprechen. Dieser läuft rund um die Uhr, damit die Tierpfleger ihre Arbeit für und mit den Fellnasen nicht bei jedem Anruf unterbrechen müssen.
„Sollte der Anruf einen echten, potenziell lebensbedrohlichen Tiernotfall betreffen, müssen die Tierpfleger ohnehin auf die Tierarztpraxis verweisen“, erklärt Paul.
Nur gut gemeint
„Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass es die Leute nur gut meinen, wenn sie verlassene Katzenkinder oder Streuner direkt zu uns ins Tierheim fahren. In diesem Moment zählt nur der Gedanke: Dem Tier muss geholfen werden. Das ist bewundernswert, denn es gibt leider immer noch genügend Menschen, die einfach wegsehen, Tiere sich selbst überlassen oder sogar ihre eigenen Haustiere wie Penelope aussetzen“, so Paul.
Natürlich gibt es im Tierheim auch Zeiten, da seien spontane Aufnahmen zwar umständlich, aber dennoch möglich, nur leider eben nicht im Moment, erklärt Paul: „Aktuell sind wir in unserer kleinen Quarantäne- und Krankenstation am Limit. Wir haben Katzenkinder mit schlimmen Augen und bösem Schnupfen, unterernährte Findlinge mit Parasiten und einige wildlebende Mutterkatzen mit ihren Welpen, die überhaupt nicht händelbar sind und den Tierpflegern viel Erfahrung und Geduld abverlangen.“ Sie berichtet weiter, dass private Pflegestellen „schmerzlich fehlen“.
Haarsträubende Geschichten
Denn die wenigen engagierten Pflegestellen sind bereits mit Mutterkatzen und ihren Babys ausgelastet, so Paul. Der Tierschutzverein Bad Mergentheim sei zwar nach Kräften bemüht, für alle Katzen, die gemeldet werden, eine Bleibe auf Zeit zu finden, „aber selbst die Damen aus der Umgebung mit privaten Futterstellen, die tatkräftig unterstützen, sind mittlerweile sehr gut ausgelastet. Wir sind leider nicht die einzigen, die gerade mit Mutterkatzen und Katzenkindern geflutet werden. Den umliegenden Tierschutzvereinen, Tierheimen und Katzenhilfen geht es genauso. Auch hier musste aktuell vielerorts ein Aufnahmestopp verhängt werden. Schuld daran sind zu viele geschlechtsreife wildlebende Katzen, aber auch Halterkatzen mit Freigang, die draußen – gewollt oder nicht – Nachwuchs zeugen oder gedeckt werden. Da bekommen wir im Tierheim teilweise wirklich haarsträubende Geschichten zu hören“, weiß Jasmin Paul.
Vom Ammenmärchen, dass eine Katzendame wenigstens einmal vor der Kastration geworfen haben müsse über „Kater braucht man nicht kastrieren, die kriegen ja keine Junge“ bis hin zu „Meine Kätzin ist ein Freigeist, es wäre Tierquälerei, sie einen Tag vor der Kastration und die paar Wochen danach einzusperren“ sei wirklich schon alles dabei gewesen. Dabei wäre dem Problem der vielen ungewollten Katzenkinder und sich stetig weiter vermehrenden wildlebenden, kranken Katzen so einfach innerhalb weniger Jahre beizukommen: „Wir als Tierschutzverein wünschen uns eine kreisweite Katzenschutzverordnung und Kastrationspflicht für Katzen. Die Tiere leben länger, gesünder und glücklicher und die Katzenbestände in der Region regulieren sich mit der Zeit selbst herunter. Das würde nicht nur die Tierschutzvereine und Katzenhilfen entlasten, sondern bedeutet auch deutlich mehr Lebensqualität für die Tiere!“
So auch für Penelope und ihre Sechslinge, die sich nach der Quarantänezeit im großen Tierheimzwinger sichtlich wohlfühlen. „Penelope ist eine ganz wundervolle Mami. Total nett zu Menschen, denen sie stolz ihren Nachwuchs präsentiert und wirklich entspannt, wenn man ihre Babys zum Gesundheits-Check oder regelmäßigem Wiegen aus dem Körbchen holt.“
Neues Zuhause gesucht
Sobald die Katzenkinder alt genug sind, dass sie normales Futter fressen, wird Penelope kastriert und geht – wie ihre Babys – in die Vermittlung. „Die wilden Mutterkatzen werden nicht so viel Glück haben“, so Paul: „Diese Katzen sind über Jahre ohne Kontakt zum Menschen ausgekommen und haben auch gar kein Interesse an Nähe. Nach der Kastration werden sie daher nahe Futterstellen wieder ausgewildert. Aber gerade für solche Tiere sind die Quarantäneboxen kein Zuckerschlecken – sie sind die Freiheit gewohnt. Falls sich hier Pflegestellen mit einem geräumigen Zimmer für kleine Katzenfamilien finden, würde uns das natürlich tierisch freuen.“ jp/sabix
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