Justiz

Statt Schlussplädoyer im Biersteuer-Prozess Antrag gegen Schöffen

Möglicherweise endet der Biersteuer-Prozess am Landgericht Mannheim vor einem Urteil. Die Verteidigung hält einen Schöffen für befangen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Im Prozess vor dem Landgericht geht es um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe mittels eines „Bierkarussells“. © Armin Weigel/dpa

Mannheim. Platzt nach 62 Sitzungstagen am Mannheimer Landgericht der Biersteuer-Prozess, bei dem ein nordbadischer Unternehmer auf der Anklagebank sitzt? Dies könnte passieren, falls ein Antrag der Verteidigung Erfolg hat, einen der beiden Schöffen wegen Befangenheit abzulehnen. Die Hauptverhandlung ist nach einer knappen Stunde ins neue Jahr verlegt worden. Ob am 7. Januar der Staatsanwalt mit seinem Plädoyer fortfährt oder alles vorn beginnt, bleibt abzuwarten.

Schon am Sitzungstag eine Woche zuvor hatte die Verteidigung einen Antrag zur Besorgnis der Befangenheit gestellt, der sich gegen die gesamte 5. Große Wirtschaftsstrafkammer wendet. Hintergrund: Das Gericht hatte keine Notwendigkeit gesehen, den Prozess zu unterbrechen, damit die Anwälte, wie gefordert, die Ablehnungsbeschlüsse zu ihren zusätzlichen Beweisanträgen analysieren können. Was diese wiederum als Beschneiden des „rechtlichen Gehörs“ ihres Mandanten heftig kritisierten.

Da die Prozessordnung vorsieht, nach einem Befangenheitsantrag - über den stets eine andere Kammer entscheidet - die Hauptverhandlung fortzusetzen, bekam Oberstaatsanwalt Sackreuther um 17.10 Uhr das Wort zu seinem Schlussvortrag. In zweieinhalbstündigen Ausführungen erläuterte er den „Modus Operandi“ des „Bierkarussells“ zwecks Umgehung von Abgaben in Millionenhöhe.

Gespräch mit einer Prozessbeobachterin gesucht?

Der Strafverfolger sprach von „erdrückenden Beweisen“ und ordnete den Getränkegroßhändler „in gehobener Hierarchie“ des Betrugssystems ein. Eigentlich soll der Anklagevertreter seinen wegen vorgerückter Abendstunde unterbrochenen Schlussvortrag am 17. Dezember beenden. Danach sind die Plädoyers der Verteidigung vorgesehen. Es kommt anders: Rechtsanwalt Maximilian Pauls trägt vor, warum sein Mandant die Unvoreingenommenheit eines Schöffen bezweifelt.

In dem mehrseitigen Antrag zu dessen Ablehnung wird geschildert, dass der Ehrenamtliche Richter jenseits der Verhandlung mit einer Prozessbeobachterin das Gespräch gesucht hatte. Als diese erzählte, sie sei die Eigentümerin jener Lagerräume in Hirschberg, die der Angeklagte gemietet hat, soll sich der Schöffe nach Mietrückständen erkundigt und auf andere Schulden des Unternehmers hingewiesen haben.

Mehr zum Thema

Mannheimer Landgericht

Befangenheitsantrag und unvollendetes Plädoyer im Biersteuer-Prozess

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
Justiz

Biersteuer-Prozess am Landgericht Mannheim: IT-Experten auf Spurensuche im Smartphone

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
Prozess

Mühsame Rekonstruktion des „Biersteuer-Karussells“

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren

Außerdem habe sich dieser über die Länge wie Langweiligkeit des Wirtschaftsstrafverfahrens ausgelassen und dabei beklagt, das Ganze absitzen müssen, ohne dafür bezahlt zu werden. Tenor des Antrags: Der Schöffe sei bereits „festgelegt“ und zu einer fairen Urteilsfindung nicht in der Lage. Staatsanwalt Sackreuter spricht hingegen von „belanglosen Äußerungen“. Und sollte es diese gegeben haben, würde von der Verteidigung „aus einer Mücke ein Elefant gemacht“.

Da es keinen Ersatzschöffen gibt, hängt vom Ausgang des Antrages ab, ob der Biersteuer-Prozess in ein Urteil mündet oder platzt. Obendrein steht noch der Befangenheitsantrag gegen die Kammer im Raum. Übrigens handelt es sich bereits um eine Zweitauflage des Prozesses: Weil zu Beginn des ersten Verfahrens mehrere Ordner mit zusätzlichen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft übergeben wurden, ist der Prozess im März 2023 unterbrochen und sieben Monate später neu aufgerollt worden.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke