Justiz

Biersteuer-Prozess am Landgericht Mannheim: IT-Experten auf Spurensuche im Smartphone

Im mühsamen Prozess um den Vorwurf hinterzogener Biersteuer in Millionenhöhe geht es um die letzten Anträge - und WhatsApp-Dateien

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Seit 59 Verhandlungstagen versucht das Landgericht Mannheim, mögliche Steuerhinterziehungen bei Biergeschäften aufzuklären. © Christian Charisius/dpa

Am inzwischen 59. Verhandlungstag in dem mühsamen Verfahren rund um hinterzogene Biersteuer und verkürzte Umsatzsteuer in Millionenhöhe verkündet der Vorsitzende Richter Oliver Ratzel: „Aus unserer Sicht ist das Beweisprogramm abgeschlossen.“ Ob der Prozess am Mannheimer Landgericht noch vor Weihnachten endet, ist freilich ungewiss. Die 5. Große Wirtschaftsstrafkammer will vorsorglich im Januar weitere Sitzungstermine festlegen.

Auf der Anklagebank sitzt der Vorstand eines an der Bergstraße ansässigen Getränkegroßhändlers und Logistikdienstleisters. Dass ihm drei Wahlverteidiger und zwei vom Gericht bestellte Anwältinnen zur Seite stehen, signalisiert: Es geht um viel, auch um hohe Geldsummen. Häufig ploppt in Zusammenhang mit Steuerhinterziehung auf, dass am Fiskus vorbei beziehungsweise unterm Radar des Zolls Geschäfte betrieben wurden. In Verfahren verhält es sich anders: Für Gerstensaft-Lieferungen innerhalb der EU hat das nordbadische Unternehmen Steuern entrichtet, aber nach dem in Deutschland vergleichsweise niedrigen Biersatz - obwohl die „süffige Ware“ nach Überzeugung der Ermittler in solchen Ländern auf den Markt kam, wo für das beliebte Gebräu um ein Vielfaches höhere Abgaben fällig sind. Außerdem gilt es den Vorwurf zu klären, ob manche der grenzüberschreitenden Transporte nur auf dem Papier stattgefunden haben und deshalb „Luftnummern“ waren.

Vertrag ungelesen im Café unterzeichnet

In dem komplexen Geschehen spielen Scheinfirmen samt Strohmännern eine zentrale Rolle. Und mit ihnen sogenannte „Missing Trader“. Um die 30 solch „fehlender Händler“ sind in dem Verfahren aktenkundig. Bei Fern-Anhörungen mittels Videoschalte und Dolmetscher staunte nicht nur das Gericht über so manch eine Geschäftsverbindung. Beispielsweise berichtete ein in Belgien lebender Bulgare, er habe ein Unternehmen für tausend Euro erworben und den Vertrag in einem Café wegen mangelnder Französischkenntnisse ungelesen unterschrieben. Der in Brüssel vor einer Kamera befragte Zeuge vermochte weder Büroadresse noch Steuernummer zu nennen, und wusste auch nicht, warum über seine einstige Firma Rechnungen des Getränkegroßhandels an der Bergstraße gelaufen sind.

Als letzten Zeugen der Beweisaufnahme hat die Kammer jenen IT-Forensiker der Mannheimer Steuerfahndung geladen, der das beschlagnahmte Smartphone des angeklagten Geschäftsmannes ausgewertet hat, insbesondere WhatsApp -Dateien. Die Verteidigung, die in den vergangenen Tagen ihrerseits Analysten digitaler Kommunikationsspuren ins Boot geholt hat, moniert, in dem vorgelegten Bericht würden Fotos von Lkw-Getränkelieferungen fehlen - und zwar solche, die möglicherweise ihren Mandanten entlasten.

Eine erneute Auswertung gespeicherter Smartphone-Dateien, so gibt die Kammer zu bedenken, müsse gewährleisten, dass bislang unbekannte und nun auftauchende Bilder tatsächlich aus dem für die Anklage maßgeblichen Zeitraum stammen. Bis 26. November haben die Parteien nun Gelegenheit, Anträge einzubringen, über deren Umsetzung das Gericht zu entscheiden hat. Davon dürfte abhängen, ob der Prozess noch im Dezember endet oder erst 2025 mit einem Urteil zu rechnen ist.

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