FN-Interview mit "Mr. Fallrückzieher"

Schalke 04: „Es fehlt ein Mann wie Rudi Assauer, der klare Ansagen macht“

"Knappen"-Ikone Klaus Fischer äußert sich kritisch zur aktuell prekären Situation der „Knappen“. Rückkehr von Clemens Tönnies wäre positiv für den Verein

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Klaus T. Mende
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Der Kontakt zu den Fans ist Klaus Fischer (links) seit jeher wichtig. Im FN-Interview äußert er sich kritisch zur augenblicklichen Lage des FC Schalke 04. © Klaus T. Mende

Mit seinem Sturmpartner Rüdiger Abramczik verzückte „Mr. Fallrückzieher“ Klaus Fischer in den 1970er- und 1980er-Jahren die Fans des FC Schalke 04 und feierte mit den „Knappen“ große Erfolge. Bis in die Gegenwart ist der Verein für den 74-Jährigen eine Herzensangelegenheit, wie er am Rande des 30. Geburtstages des Fanclubs Taubertal im FN-Interview betont. Er äußerte sich kritisch zur aktuell prekären Situation des Traditionsvereins in der der Zweiten Bundesliga und würde eine Rückkehr von Clemens Tönnies begrüßen.

Herr Fischer, was ist denn mit dem FC Schalke 04 sportlich derzeit los?

Klaus Fischer: Wir haben große Probleme, das kann man ja sehen. Es ist kaum zu glauben, dass Schalke 04 in der Zweiten Liga derzeit um den Klassenerhalt kämpft. Aber so wie wir zuletzt gespielt haben, so ehrlich muss man sein, haben wir vor dem Regensburg-Spiel auch nicht verdient, die Spiele zu gewinnen.

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Und woran liegt es?

Fischer: Darüber könnten wir uns lange unterhalten. Schalke hat in Nürnberg eine gute erste Hälfte absolviert, wir haben gegen Darmstadt gut gespielt und 3:0 geführt und auch gegen Hertha war die erste Hälfte ordentlich. Doch in all diesen Spielen war die Mannschaft nach der Pause nicht wiederzuerkennen. So etwas darf es nicht geben, dass der FC Schalke 04 solche Spiele verliert. Diesen Verein, der so viele Fans in ganz Deutschland hat, so zu erleben, das tut schon weh. Ich lebe seit 54 Jahren in Gelsenkirchen und bin Schalker durch und durch. Es gibt mir sehr zu denken, dass wir derzeit, wie schon in der letzten Saison, wieder so weit unten in der Tabelle stehen.

Die „Knappen“ werden durchgereicht in die Dritten Liga – wie realistisch ist für Sie dieser Gedanke?

Fischer: Damit befasse ich mich derzeit noch nicht, denn bis zum Ende der Saison ist noch lange hin. Derzeit ist noch nicht einmal die Vorrunde beendet. Aber so wie zuletzt kann es nicht weitergehen. Es muss endlich Tacheles geredet werden. Hierbei erinnere ich mich immer wieder an Rudi Assauer. Er hätte es sich nicht gefallen lassen, wie die Mannschaft auftritt. Wenn man nicht von der ersten bis zur letzten Minute bereit ist zu kämpfen, dann wird man auch nicht viele Spiele gewinnen. Denn der Gegner spielt gegen den FC Schalke 04. Das ist etwas ganz anderes, als wenn Jahn Regensburg gegen den SV Elversberg spielt – ohne dass ich die Leistungen dieser Vereine schmälern möchte. In unserer Truppe muss sich vor allem bei der Einstellung grundsätzlich was ändern.

Wie sehr würde Rudi Assauer dem Verein heute gut tun?

Fischer: In einem Verein wie Schalke fehlt solch ein Mann wie Rudi Assauer, der klare Ansagen macht, der Ahnung vom Geschäft hat, weil er selbst Fußball gespielt hat, und der die richtigen Leute verpflichtet hat, die auch funktioniert haben.

Würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, der Ist-Zustand bedeutet für den Traditionsverein die größte Krise der Vereinsgeschichte?

Fischer: Ja, das würde ich schon so sagen. Man weiß ja genau, wie derzeit die finanziellen Verhältnisse sind, man sieht, wie die Mannschaft spielt und wo wir stehen. Deswegen gilt es, alle Kräfte zu mobilisieren, um schnellstmöglich da unten rauszukommen. Denn ein Verein wie Schalke 04 gehört nicht da unten in der Tabelle rein.

Demzufolge werden gegenwärtig nicht alle Kräfte mobilisiert?

Fischer: Es sieht so aus. Einige Spiele sind der zweiten Hälfte verloren worden. Dies zeigt, dass die Mannschaft nicht fit ist. Und für die Fitness ist der Trainer verantwortlich. Deshalb muss er dafür sorgen, wenn es spielerisch mal nicht so gut läuft, dass man wenigstens kämpferisch in der Lage ist, dagegen zu halten und Spiele zu gewinnen.

Was sind denn die Ursachen für die sportliche Talfahrt?

Fischer: Für mich gibt es drei Dinge, die wichtig sind: Erstens die Fitness, zweitens die Einstellung, drittens die Qualität. Hat die Mannschaft die Qualität nicht, wird es schwer. Aber die ersten beiden Komponenten, da kann das Team viel dran arbeiten. Hierdurch sollte man in der Lage sein, die fehlende Qualität zumindest ein bisschen zu kompensieren.

Der neue Trainer ist schon wieder angezählt – nachvollziehbar?

Fischer: Ich sehe kein Training, ich weiß deshalb auch nicht, wie er mit der Mannschaft spricht. Ich kann nur das beurteilen, was ich auf dem Platz sehe. Das ist für mich entscheidend. Und wenn unter dem neuen Coach in den ersten vier Partien nur ein Punkt geholt wird, dann stimmt irgendetwas nicht. Aber jetzt wieder den Trainer zu entlassen – wir haben ohnehin noch einige Trainer auf der Gehaltsliste, das kostet den Verein viel Geld - , ist der falsche Weg. Deswegen müssen sich die Verantwortlichen intensiv mit ihm unterhalten, um alles dran zu setzen, da unten rauszukommen.

Wäre es vielleicht ratsam, wenn sich der FC Schalke 04 dazu entschließt, mehr ehemalige Spieler in die Vereinsführung einzubinden, die sich mit dem Club identifizieren?

Fischer: Das beste Beispiel hierfür ist – wie so oft – der FC Bayern München. Und dass es der richtige Weg ist, den sie dort gehen, wird an den vielen Erfolgen ersichtlich. Ich glaube, das wäre auch beim FC Schalke möglich, ehemalige Spieler mit engem Bezug zum Club verstärkt mit einzubinden – das muss nicht ich sein. Aber bisher hat das leider nicht stattgefunden.

Ist man in den letzten Jahren an Sie herangetreten mit der Bitte, sich stärker im Verein zu engagieren?

Fischer: Nein, ich wurde nicht gefragt.

Würden Sie eine Rückkehr von Clemens Tönnies begrüßen?

Fischer: Die Frage ist, ob er bereit wäre, sich wieder zu engagieren, nachdem man ihn seinerzeit weggejagt hatte. Allerdings bräuchten wir solche Leute, die auch Finanzmittel in den Verein investieren, denn das wird dringend benötigt. Ohne Geld geht nichts mehr.

Was müsste sich denn grundlegend ändern, damit der FC Schalke 04 wieder weiter nach oben kommt?

Fischer: Ich sage es nochmals deutlich: Wir müssen von der ersten bis zur letzten Minute bereit sein zu kämpfen. Und das muss klar kommuniziert werden, das habe ich bisher noch nicht gehört. Wenn die Spieler das nicht beherzigen, lasse ich lieber einen Jungen spielen, der heiß ist und alles gibt – im Gegensatz zu manch Etablierten. Die Mannschaft braucht jetzt Erfolge, um wieder mehr Selbstvertrauen für die weitere Runde zu erhalten.

Klaus Fischer (rechts) würde eine Rückkehr von Clemens Tönnies bei Schalke 04 begrüßen. „Mr. Fallrückzieher“ ist überzeugt, dass dessen Engagement die „Knappen“ voranbringen würde. © DPA

Und mit drei, vier Siegen in Folge wäre Schalke ja wieder im Geschäft?

Fischer: In dieser Zweiten Liga kann jeder jeden schlagen. Deswegen: Jeder ist zu schlagen – allerdings nicht im Spaziergang.

Wie erklären Sie sich, dass die Fans weiter so hinter der Mannschaft stehen und zahlreich in die Arena pilgern? Was macht den Mythos FC Schalke aus?

Fischer: Es ist unglaublich, dass die Arena auf Schalke immer ausverkauft ist. Die Fans, egal von wie weit sie auch herkommen, sind nach wie vor fasziniert vom Verein, vom Stadion und der tollen Atmosphäre, die ihresgleichen sucht.

Demnach brennen Sie – trotz der momentan prekären Situation – nach wie vor für den FC Schalke 04?

Fischer: Ich lebe seit 54 Jahren in Gelsenkirchen. Schalke ist mein Verein, für den ich elf Jahre aktiv war, zudem war ich Trainer und Co-Trainer, habe die Amateure gecoacht. Nach so einer langen Zeit hängt man an diesem Verein – und das wird auch immer so bleiben.

In wenigen Tagen steigt die Mitgliederversammlung beim FC Schalke 04 – erwarten Sie hier ein reinigendes Gewitter?

Fischer: Das wäre nicht schlecht, aber ich weiß es nicht. Ich werde das Ganze beobachten und mir im Anschluss ein Urteil bilden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass man die Karre wieder flott kriegt?

Fischer: Dies funktioniert nur, wenn alle zusammen stehen und fighten, bis es nicht mehr geht.

Was wünschen Sie Ihrem Herzensclub für die Zukunft?

Fischer: Dass der FC Schalke 04 wieder alles auf die Reihe kriegt und irgendwann wieder in die Bundesliga aufsteigt. Aber um nach oben zu kommen, bedarf es einer konkurrenzfähigen Mannschaft.

Blicken wir zum Abschluss mal nach vorn – spielt Schalke zu ihrem 80. Geburtstag wieder in der Bundesliga?

Fischer: Zuerst einmal werde ich 75. (schmunzelt). Das muss aber die Entwicklung zeigen.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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